Werder Bremen:Böig mit Aussicht auf Sturm

SV Werder Bremen v Fortuna Duesseldorf - Bundesliga

Reichlich unzufrieden: Bremens Yuya Osako (Mitte).

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Werder Bremen verliert zum Auftakt 1:3 gegen Fortuna Düsseldorf.
  • Mittelfeldspieler Maximilian Eggestein spricht von "einem Scheiß-Anfang".
  • Gut möglich, dass Werder am Kader noch nachbessert.

Von Frank Hellmann, Bremen

Hinterher hat Florian Kohfeldt außerordentlich aufgeräumt gewirkt. Das Haar sorgsam zur Seite gescheitelt, der Blick klar: Der unlängst sogar bis ins Jahr 2023 an den SV Werder gebundene Fußballlehrer wäre nicht "Trainer des Jahres 2018" geworden, wenn ihm die DFB-Jury nicht besondere analytische Fähigkeiten zugesprochen hätte. Und als müsste Kohfeldt einen nachträglichen Beleg liefern, blieb er nach dem verpatzten Saisonstart - einer nicht mal unverdienten 1:3 (0:1)-Heimniederlage gegen Fortuna Düsseldorf - ganz bei sich.

Statt aufbrausenden Sätzen entschied sich der 36-Jährige für aufbauende Worte, mit denen Kohfeldt nicht nur seine Spieler, sondern auch gleich alle besorgten Fans streicheln wollte. Seine Botschaft zur Beruhigung: "Es gibt keinen Grund, an unserer Art des Fußballs auch nur einen Hauch zu zweifeln."

Alles halb so schlimm, sollte das sinngemäß nach einer Saisonpremiere heißen, die ergebnistechnisch so brachial in die Hose ging, dass der ans Tor zur Nationalmannschaft klopfende Mittelfeldspieler Maximilian Eggestein gleich von "einem Scheiß-Anfang" sprach - und sich für die derbe Wortwahl nicht mal entschuldigte, denn der 22-Jährige sprach ziemlich unverblümt die Gefühlslage der meisten Mitspieler und Zuschauer aus. Gegen personell ziemlich gebeutelte Rheinländer ließen sich die Hanseaten schlicht übertölpeln. "Das war ein Dämpfer, und das tut nicht gut", gab Kohfeldt immerhin noch zu.

Die Fortuna hat sich "reingekämpft"

Viele bei der Fortuna konnten ihr Glück nach einem sehr unrunden Anfang nicht fassen. "Nach 13 Minuten habe ich mal auf die Anzeigetafel geschaut und festgestellt, dass ich noch keinen Ball berührt hatte", sagte Fortuna-Stürmer Rouwen Hennings. "Dann haben wir uns reingekämpft. Denn wir wissen, was wir können und was wir nicht können." Vielleicht kein Zufall, dass Hennings Torschütze der unverhofften 1:0-Führung (36.) werden sollte. In Düsseldorf folgen sie eben dem pragmatischen Ansatz ihres bereits 65 Jahre alten Lehrmeisters Friedhelm Funkel.

"Wir müssen noch besser spielen, aber wir waren sehr effektiv", räumte der Trainer-Routinier ein. Nachdem der ansonsten wenig durchschlagskräftige Johannes Eggestein das 1:1 geköpft hatte (47.), brachten Kenan Karaman (52.) und Kaan Ayhan (64.) punktgenaue Wirkungstreffer an. Wie ein Boxer, der sich genau im richtigen Moment aus einer sicheren Deckung wagt.

Kohfeldt umarmte den viel älteren Kollegen Funkel gleich zweimal - erst am Platzrand, dann nach der Pressekonferenz - und war vielleicht auch deshalb so herzlich, weil er ihm zum Reifegrad seines Ensembles gratulierte. Seine Erkenntnis bei den unzureichend genutzten 25 Torschüssen lautete: "Wir müssen mindestens drei, vier Tore mehr machen und an Effektivität und Cleverness arbeiten." Weil ihm aber sein Analyst gleich vorgerechnet habe, "dass wir uns in unterschiedlichen Formen elf klare Chancen erspielen, ist nicht alles schlecht gewesen", erklärte er.

Und gar nichts konnte der in Bremen außerordentlich beliebte Bessermacher mit der These angefangen, dass an solch einem vermaledeiten Nachmittag doch vielleicht der in die Türkei abgewanderte Max Kruse hätte helfen können: "Max hat uns enorm geholfen, ins letzte Drittel zu kommen. Aber die Effizienz im Abschuss? Wir wollen im Rückblick keine Heldenverehrung betreiben!"

Kann Schalkes Bentaleb das Problem lösen?

Dennoch: Eine größere Abgezocktheit in der Ära nach Kruse wollte der Trainer zur grün-weißen Trumpfkarte machen, um den Sprung ins europäische Geschäft zu schaffen. Ein Plan, das fürs Erste nicht aufging. Geschäftsführer Frank Baumann blieb jedoch ebenfalls so ruhig wie der erfahrene Kapitän eines Dampfers, der über eine leicht aufgewühlte See lächelt, wo er doch schon durch schlimmste Stürme geschippert ist. "Wir kennen Stärken und Schwächen unseres Kaders. Ich mache mir keine Sorgen, dass wir mittel- und langfristig Probleme bekommen." Es mag noch nicht stürmen in Bremen, doch der Wind ist spürbar: Die leichten Gegentore etwa sind ein Grund zur Sorge, ließen sich aber "nicht mit Fingerschnippen" beheben: "Das ist ein ständiger Prozess."

Ob der beim FC Schalke 04 zum Streichkandidaten erklärte Problemprofi Nabil Bentaleb dieses Problem lösen könnte, wird offenbar intern gerade diskutiert. Gut möglich, dass der Ruf nach einer stabilen Verstärkung für die Mittelfeldzentrale bei einer weiteren Niederlage am kommenden Samstag bei der TSG Hoffenheim lauter wird. Nuri Sahin ist mit seinen Tempodefiziten in der Rückwärtsbewegung definitiv eine Risikobesetzung, wie sich wieder beim ersten Gegentor zeigte. Und bei der Verletzungsgeschichte auf Philipp Bargfrede zu bauen, wäre eine ebenso große Gefahr.

"Das ist sehr frustrierend. Die Gegentore fallen hinten zu einfach und vorne hätten wir zwei bis vier Tore schießen müssen", sagte Kapitän Niklas Moisander. An dessen Seite hat der von Borussia Dortmund ausgeliehene Ömer Toprak anfangs einen starken Einstand gegeben, bekam aber Mitte der ersten Halbzeit nach einem Zusammenprall immer schlechter Luft und wurde wegen Schmerzen am Brustkorb später noch zur Kontrolluntersuchung ins Krankenhaus gebracht.

Als der angeschlagene Verteidiger nach 82 Minuten den Platz verließ, hatte Werder zwar mit den nacheinander eingewechselten Jokern Niclas Füllkrug, Claudio Pizarro und Joshua Sargent drei Stürmer aller Altersklassen auf dem Feld, aber der Glaube an die Wende war da bereits aus dem Weserstadion gewichen.

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