Bundesliga: Werder Bremen:Die heile Werder-Welt wackelt

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Werder Bremen, einst das Symbol für Seriosität im Profifußball, taumelt durch eine tiefe Krise, die zunehmend hausgemachte Züge trägt. Vor allem zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden Willi Lemke und dem leitenden Geschäftsführer Klaus Allofs bahnen sich Differenzen an - es geht um die sportliche und wirtschaftliche Ausrichtung des Klubs.

Ralf Wiegand

Marko Arnautovic hat Glück. In normalen Zeiten würde jetzt über Silikonbrüste gesprochen werden und darüber, wie groß sie nach dem Geschmack des österreichischen Nationalspielers wohl sein sollten. Angesichts dessen, was er dem österreichischen Magazin Seitenblicke gesagt haben soll, aber nicht gesagt haben will: ziemlich groß. Normalerweise würde bei Werder Bremen, dem Arbeitgeber von Arnautovic, jetzt jemand dem 22-jährigen Exzentriker die Leviten lesen. Der hatte ja gerade erst versprochen, sich nur noch auf Fußball konzentrieren zu wollen. Alle guten Vorsätze, sind sie schon wieder dahin?

Zumindest Klaus Allofs und Trainer Thomas Schaaf (re.) sind sich einig: Werder Bremen braucht Verstärkungen. (Foto: dpa)

Aber was ist bei Werder in diesen Tagen schon normal. "Ein Besorgnis erregendes Bild" gebe der Verein derzeit ab, ließ sich der frühere Vorstandschef Jürgen L. Born kürzlich zitieren, und daran trägt ausnahmsweise nicht Marko Arnautovic die Schuld. Ob der über seine Autos ("zwei Porsche und einen Audi A8") und den Inhalt seines Schuhschranks ("80 Paar") parliert hat (wie das Magazin behauptet) oder nicht (wie Arnautovic versichert) ist eine fast schon charmante Bagatelle gegen das, was in der Vereinsspitze passiert. Da werde, so Born, ein Zweikampf "bedauerlicherweise in der Öffentlichkeit ausgetragen".

Rätsel um das verlorene Geld

Und das ist neu. Denn so schwerwiegend irgendwelche Krisen der Vergangenheit in Bremen auch gewesen sein mögen - nie sind Zerwürfnisse in der Schaltzentrale des Vereins offen zutage getreten. Nun aber scheint die heile Werder-Welt zu implodieren. Erst wurde öffentlich, dass der Aufsichtsrat unter Vorsitz von Ex-Manager Willi Lemke der Geschäftsführung unter Leitung von Klaus Allofs weitere Spielerverpflichtungen untersagt.

Der Zweikampf Lemke - Allofs war eröffnet: Allofs beklagte indirekt die mangelnde Risikobereitschaft des Kontrollgremiums und stellte die Verlängerung seines bis 2012 laufenden Vertrags in Frage; Trainer Thomas Schaaf verlangte flankierend ebenfalls neue Spieler für die Deckung oder die Korrektur des Saisonziels. Nach einem Jahr im Abstiegskampf soll Werder die internationale Plätze angreifen. Aber ohne Abwehr?

Nur der ablösefrei verpflichtete, rustikale Ex-Nürnberger Andreas Wolf, allgemein als Panik-Transfer gewertet, wird als gelernter Innenverteidiger zum Saisonstart in drei Wochen gegen Kaiserslautern zur Verfügung stehen. Der Brasilianer Naldo ist seit über einem Jahr verletzt, Nationalspieler Per Mertesacker und der Österreicher Sebastian Prödl fehlen auf unbestimmte Zeit.

Daneben sind die Linksverteidiger Boenisch und Silvestre noch für Monate verletzungsbedingt nicht einsetzbar. Schaaf und Allofs, die es als einst gewitztes Duo sogar aufs Titelbild eines millionenfach verkauften Fußball-Computerspiels brachten, wollen sich aber offenbar nicht noch einmal für personelle Lücken im Kader verantwortlich machen lassen. In der vergangenen Saison galt es als ihr Versäumnis, in der Nachfolge Mesut Özils keinen Spielmacher verpflichtet zu haben.

Deshalb baggert Allofs nun seit Wochen an dem Griechen Sokratis Papastathopolous für die Innenverteidigung, ein Leihgeschäft mit dem AC Mailand soll es werden. Doch laut Aufsichtsratschef Lemke ist das Budget erschöpft. Offen bleibt, ob Werder nach den Verpflichtungen von Ekici (ca. fünf Millionen/FC Bayern) und Schmitz (eine Million/Schalke) einfach nur das Guthabenkonto geplündert hat und nach hanseatischer Tradition keine Schulden machen will - oder ob die Zahlen schon jetzt tief rot sind.

Fakt ist: Werder Bremen hat, wie immer in den vergangenen Jahren, die Lizenz für die Saison 2011/2012 ohne Auflagen erhalten. Fakt ist aber auch: Für den am Ende 76,5 Millionen Euro teuren Umbau des Weserstadions musste der Verein eine Bürgschaft der Stadt über zehn Millionen Euro beibringen, sonst hätten die Banken die Mehrkosten (ursprünglich sollte die Modernisierung nur 60 Millionen Euro kosten) nicht finanziert.

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Mit Abstimmung

Das Bremer Rätsel lautet: Wo ist das Geld? Noch in der vergangenen Saison spielte Werder - fast vergessen - in der Champions League. Das garantierte eine satte zweistellige Millioneneinnahme. Dazu transferierten die Bremer Mesut Özil nach Madrid, für mindestens 15 Millionen Euro.

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Der Verkauf des nahezu genialen Nationalspielers bedeutete aber auch das Ende der Einmaligkeit Werder Bremens: Weil erstmals seit fast 20 Jahren die Position des zentralen Ideengebers im Mittelfeld unbesetzt blieb, verloren die Bremer erst ihren Spielwitz, dann ihre Durchschlagskraft - und schließlich viele Spiele. Dem Abstieg entgingen die Norddeutschen erst kurz vor Saisonschluss. Aber noch mehr als die tabellarische Not frustriert die Fans dabei die Sorge, ihr Team könnte von der Zirkusnummer der Liga zum Langweiler mutieren.

Dilettantische Personalpolitik

Auch in der Außendarstellung passiert dem Klub seit dieser Seuchen-Saison 2010/2011 Fehler um Fehler. Der Winterverkauf des zweitbesten Stürmers der vergangenen Saison, Hugo Almeida, sollte schon der Kassenlage geschuldet sein - warum aber investierte der Verein dann das erlöste Geld umgehend in den Schweden Danny Avdic, der bisher nur die Karikatur eines Stürmers abgab? Ähnliche Ungeschicklichkeiten waren am Saisonende zu beobachten: Dem langjährigen Kapitän Torsten Frings (inzwischen nach Toronto ausgewandert) wurde keine offizielle Verabschiedung zuteil, obwohl im Klub längst beschlossen war, dass er als Großverdiener keinen neuen Vertrag bekommen würde.

Dagegen überreichte der Vorstand dem finnischen Abwehr-Allrounder Petri Pasanen feierlich Abschiedsgeschenk und Blumenschmuck - um ihm wenige Tage später Vertragsgespräche anzubieten, die dann auch noch scheiterten. Ähnlich verkrampft kommt Beobachtern der Umgang mit Dominik Schmidt vor: An dem aus der zweiten Mannschaft aufgestiegenen Defensivmann statuierte der Klub ein Exempel, stellte seine Forderungen öffentlich als überzogen dar und verlängerte den Vertrag nicht. Nun zog es Schmidt ablösefrei nach Frankfurt, während Werder Abwehrspieler fehlen.

Werder, das Symbol für Seriosität, geriert sich wie die neue Diva der Bundesliga. Da fällt nicht einmal mehr Marko Arnautovic negativ auf. Während er per Homepage schwört, nie einer österreichischen Zeitung ein Interview über Silikonbrüste, Schuhe und Autos gegeben zu haben, meldet Bild ein dreimonatiges Fahrverbot für den wunderlichen Stürmer. Angeblich wegen "eines dringenden Zahnarzttermins" sei er an zwei Tagen hintereinander mit jeweils gut 100 Sachen in eine Radarfalle geraten. Erlaubt waren 50.

© SZ vom 16.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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