Süddeutsche Zeitung

VfB Stuttgart:Nach vier Trainingstagen an die Tabellenspitze

Der VfB Stuttgart tut sich dank seines spät zum Team gestoßenen Kapitäns Wataru Endo gegen den desolaten Aufsteiger Fürth leicht. Dass die zwei bedeutendsten Offensivkräfte fehlen, fällt beim 5:1 gar nicht ins Gewicht.

Von Felix Haselsteiner, Stuttgart

Dass Wataru Endo ubiquitäre Qualitäten besitzt, wusste man in Stuttgart eigentlich schon seit einigen Wochen. Da weilte der allgegenwärtige Endo gerade in Tokio bei den Olympischen Spielen, um mit seiner japanischen Nationalmannschaft eine Medaille in der Heimat zu gewinnen und war dennoch irgendwie in Stuttgart präsent: Trainer Pellegrino Matarazzo verkündete Endos neue Rolle als Kapitän des VfB ungewöhnlicherweise in dessen Abwesenheit. Der Japaner, der sich seit dem Saisonende kaum in Stuttgart aufgehalten hatte, kommentierte das auf Twitter als "große Ehre", widmete sich dann aber wieder dem olympischen Fußballturnier mit sechs Spielen in 16 Tagen. Er kehrte erst am 10. August nach Stuttgart zurück, nur um vier Tage und keine Handvoll Trainingseinheiten später am ersten Bundesligaspieltag in der Startelf zu stehen - und schon wieder überall zu sein. Sogar zur Feier dieses schönen Sommertages in Schwaben an der Tabellenspitze.

Der VfB-Kapitän begann seine Saison beim 5:1 gegen Greuther Fürth nämlich so, als hätte er keine Reisestrapazen und die Enttäuschung eines verlorenen Spiels um Bronze mit Japans Nationalmannschaft hinter sich, sondern einen ausführlichen Urlaub und einige Wochen Trainingslager. So wie der Rest seines Teams eben, dem man diese Fitness in Beinen und Kopf von Anfang an anmerkte. Endo war immer anspielbar, verteilte die Bälle gekonnt, gewann viele Zweikämpfe, und weil der VfB in den ersten 30 Minuten der Saison zwar gut und kontrolliert, aber noch nicht zwingend genug spielte, suchte Endo in der 30. Minute auch noch den Weg in den gegnerischen Strafraum, wo er nach einem Zuspiel von Philipp Förster mit einem Lupfer das erste Saisontor erzielte.

Es war der Auftakt zu einem furiosen Spiel des VfB, das nur die Frage unbeantwortet ließ, was ausschlaggebender war: die Stuttgarter Brillanz oder die Führther Lethargie.

Matarazzo hatte die Vorbereitung ganz offensichtlich auch ohne seinen Kapitän dafür genutzt, seiner Mannschaft eine geordnete und hervorragend ausbalancierte Struktur zu geben und so auf dem Erfolg der vergangenen Saison aufzubauen. Mit Taktgeber Endo in der Mitte und den hoch stehenden Außenverteidigern Roberto Massimo rechts und Borna Sosa links kamen die Stuttgarter vor allem nach dem 1:0 zu einer Vielzahl an Chancen: Mateo Klimowicz und Hamadi Al Ghaddoui hätten erhöhen können, Philipp Klement tat es nach 36 Minuten mit einem trockenen Schuss aus spitzem Winkel. "Wir sind bekannt dafür, dass wir beide Füße schnell auf den Boden bekommen", sagte Matarazzo.

Fürth lässt den Top-Vorbereiter Sosa unbedrängt flanken

Fürth hatte eine halbe Stunde lang mithalten können, geriet aber schon bis zum Halbzeitpfiff immer mehr unter Druck - es sollte nur ein Vorgeschmack sein auf die Stuttgarter Offensivwelle, die in den zweiten 45 Minuten folgte. Der VfB kombinierte nun fast ausschließlich in der gegnerischen Hälfte, ließ Fürth nicht einmal mehr Raum zum Kontern und bestrafte die erschreckend schwache Kopfball-Verteidigung der Franken. Das 3:0 erzielte Innenverteidiger Marc Oliver Kempf nach einer Ecke von Sosa. Stuttgarts Linksverteidiger hatte in der vergangenen Spielzeit zehn Tore vorbereitet, das war dem Fürther Scouting aber offensichtlich entgangen, so unbedrängt ließen sie ihn flanken und so fahrig verteidigten sie seine Ecken. Sosa nutzte das zu einem Torvorlagen-Hattrick: Das 4:0 legte er Al Ghaddioui auf, das 5:0 erneut nach einer Ecke Kempf. "Die Leistung kann uns schon eine breite Brust geben", sagte Matarazzo noch. "Aber es ist auch klar, dass wir erst einen Spieltag hinter uns haben."

Die 18 109 Zuschauer in der Mercedes-Benz-Arena hangelten sich längst von der La Ola zum nächsten verträumten Jubel-Fangesang. Da hatten die Fürther immer noch nicht einmal den Ansatz von einer Idee entwickelt, wie sie die Stuttgarter Offensive eindämmen könnten. In Sprint- und Kopfballduellen stellte diese die Fürther Erstligatauglichkeit in Frage, obwohl in Silas Katompa Mvumpa (Sperre/Kreuzbandriss) und Sasa Kalajdzic (Covid-19-positiv) die zwei nominell besten Offensiv-Akteure auch noch ausfielen.

Bei einer der vielen guten Chancen auf das 6:0 verletzte sich der kurz zuvor eingewechselte Mohamed Sankoh und musste mit der Trage vom Feld gebracht werden, Stuttgart fehlt somit in den kommenden Monaten ein weiterer Stürmer - Sportdirektor Mislintat geht von einer Ausfallzeit von vier bis sechs Monaten aus. Fürth gelang in der Nachspielzeit noch der erste Bundesligatreffer seit 2013, er bleibt jedoch eine sehr kurze Randnotiz bei einer ansonsten desaströsen Bundesliga-Rückkehr.

Der VfB Stuttgart findet sich unterdessen an einem Ort wieder, an dem die Schwaben schon sehr lange nicht mehr waren: An der Tabellenspitze. Auch dem umsichtigen Kapitän, der den Stuttgarter Traumstart eingeleitet hatte und im Stadion noch zum Spieler des Spiels gewählt wurde, dürfte das Spiel gut gelegen haben: Die zweite Halbzeit verlief in Wataru Endos Kernrevier um die Mittellinie herum so ruhig, dass er sie getrost als Trainingseinheit betrachten konnte.

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