Süddeutsche Zeitung

VfB Stuttgart:Der Druck auf Hitzlsperger steigt

Der Zwischenbericht einer Kanzlei legt nahe, dass die Vorwürfe im Datenskandal beim VfB Stuttgart zutreffend sind und deren Aufklärung torpediert wird.

Von Christoph Ruf, Stuttgart

Es sind Vokabeln, die man nicht erwartet, wenn es um das Innenleben eines seriösen schwäbischen Unternehmens mit einem Jahresumsatz im dreistelligen Millionenbereich geht. Zu lesen ist die Beschreibung im Zwischenbericht der Anwaltskanzlei Esecon, die beim Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart die Vorgänge um die mutmaßlich illegale Weitergabe von Mitgliederdaten untersucht. Der Verein habe wohl zu "Mitteln gegriffen, die im Sinne von Transparenz und Ethik sicherlich durch die Mitglieder beanstandet werden können", heißt es in dem Papier, das zuerst die Stuttgarter Nachrichten publik machten.

Darin wird mehreren hochrangigen VfB-Vertretern vorgeworfen, die Aufklärung zu verzögern oder gar zu torpedieren. Darunter: mehrere Vorstände und Abteilungsleiter. Auch Sportvorstand Thomas Hitzlsperger, der aktuell im Clinch mit Vereinspräsident Claus Vogt liegt und im März sogar selbst fürs Präsidenten-Amt kandidieren will, wird in dem Zwischenbericht indirekt vorgeworfen, die Ermittlungen zu blockieren.

Diese waren nötig geworden, weil der Betreiber einer vermeintlich neutralen Fan-Homepage des VfB - neben angeblich rund 700 000 Euro Vergütung - vor einigen Jahren auch die Datensätze von zirka 35 000 Vereinsmitgliedern erhalten haben soll, um vorab verdeckt Werbung für die Ausgliederung der Profiabteilung zu machen. Diese wurde 2017, ganz im Sinne der Befürworter, mit großer Mehrheit beschlossen. Dass die entsprechende Enthüllung des Kicker aus dem vergangenen Herbst wohl der Wahrheit entspricht, hat die vom e.V.-Präsidenten Vogt beauftragte Kanzlei Esecon offenbar zügig ermittelt: "Umfangreiche Anhaltspunkte" heißt es, sprächen dafür, "dass die Vorwürfe zutreffend sind."

"Die konnten wir damals filetieren, weil wir alle Daten von ihnen hatten."

Seither, heißt es weiter, werde die Kanzlei in ihrer Arbeit auf mehreren Ebenen behindert - vor allem von Funktionären, die noch amtieren, aber auch im Fokus der Ermittlungen stehen. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass nicht nur der Vorgang an sich klar ist - sondern dass auch Ross und Reiter schnell ermittelt werden könnten, wenn dies (vereins-)politisch auch so gewollt wäre. Schließlich hat sich sogar der Empfänger des Geldes, der PR-Mann Andreas Schlittenhardt, der sich offenbar zu Unrecht als Allein-Schuldiger an den Pranger gestellt sah, in einer öffentlich zugänglichen Quelle zur Angelegenheit geäußert.

Er belastete unter anderem den damaligen Medienchef, dessen Beschäftigungsverhältnis derzeit ruht: "Es gab ein Kreativteam unter Führung von mir, was das Kreative betrifft - und Oliver Schraft als Vertreter des Vereins", sagte er im STR-VfB-Podcast: "Man hat die Zielgruppe sortiert. Das ist beim VfB ein dankbares Thema, weil ja die Mitgliederdateien in der Tiefe vorhanden waren. Die konnten wir damals filetieren, geographisch, demographisch, weil wir natürlich alle Daten von ihnen hatten."

Aus der ausgegliederten AG verlautete bisher stets, man arbeite kooperativ mit Esecon zusammen und werde, sobald Beweise vorlägen, natürlich die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Im Bericht der Kanzlei, die derzeit auch Vorgänge beim Deutschen Fußball-Bund untersucht, die im Zentrum der internen DFB-Turbulenzen stehen, klingt das allerdings anders: Beim VfB sei nicht verhindert worden, dass "Personen, die unmittelbar mit den Untersuchungsgegenständen in Verbindung stehen oder standen, Einfluss auf Ausgestaltung und Fortgang der Untersuchungen nehmen können dürfen". So hätten der "Vorstand der AG und Teile des Präsidiums" die Arbeit massiv behindert und "gegen den erklärten Willen des Präsidenten" versucht, "das juristische Mandat der die Vorwürfe untersuchenden Rechtsanwaltsgesellschaft zu beenden". Dokumente seien zurückgehalten worden. Sieben Mitarbeiter und Vorstände hätten sich zudem vom gleichen Anwalt vertreten lassen, was inhaltliche Absprachen erleichtere.

Präsidiumsmitglied Rainer Mutschler, Finanzvorstand Stefan Heim und Marketingvorstand Jochen Röttgermann hätten zudem "nachhaltig Einfluss auf die Ermittlungen genommen, bzw. nehmen können". Thomas Hitzlsperger wiederum, der 2017 noch nicht im Amt war, habe sich geweigert, "sämtliche IT-Zugänge der vom Kicker beschuldigten Mitarbeiter Schraft und Fischer (früherer Marketingleiter) temporär zu deaktivieren, um Manipulationen nachweisbar auszuschließen".

Dass der Zwischenbericht von Esecon, der Wasser auf die Mühlen des Vogt-Lagers ist, zu diesem Zeitpunkt erfolgt, dürfte auch damit zu tun haben, dass Hitzlsperger in seinem offenen Brief Ende Dezember behauptet hatte, die Kosten für die von Vogt beauftragten Ermittlungen uferten aus. Diese Untersuchungen, so darf man die Replik wohl verstehen, dauern deshalb so lange, weil alle Verdächtigen mauern - ein Umstand, der im Übrigen auch einigen Vertretern des Hitzlsperger-Lagers übel aufstößt. So liest sich auch die Stellungnahme des VfB, die die Stuttgarter Nachrichten zitieren: Vorstand und Präsidium hätten sich stets für eine "unabhängige, neutrale und zielführende Untersuchung zur Aufklärung der Vorwürfe" ausgesprochen. Allerdings gelte ebenfalls: "Genauigkeit geht vor Schnelligkeit." Im Detail werde man sich nicht äußern. Auch auf Anfrage der SZ gab es vom VfB keine weitere Stellungnahme.

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