Bundesliga:"Bayern hat begriffen, dass man solidarisch sein muss"

Sportvermarkter Hartmut Zastrow über die Auswirkungen der WM auf die Einnahmen der Bundesliga, den Vorsprung der Premier League bei der Auslandsvermarktung und eine Zeitbombe in Südeuropa.

Thomas Hummel

In der vergangenen Saison stellte die Bundesliga einen neuen Rekord auf. Das Spiel zwischen Hertha BSC Berlin und Bayern München wurde weltweit in 197 Ländern live gezeigt - "der höchste Wert aller Zeiten", sagt Christian Seifert, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL). Dieser Rekord aber soll schon an diesem Freitagabend gebrochen werden. Dafür hat die DFL eigene Satellitenkapazitäten gemietet, damit das Auftaktspiel zwischen dem FC Bayern und dem VfL Wolfsburg auch wirklich in allen 208 Fifa-Mitgliedsländern live gezeigt werden kann. Während zu Hause die DFL bange auf die Verluste des Pay-TV-Senders Sky blickt, geht es in der Auslandsvermarktung voran. sueddeutsche.de sprach mit Hartmut Zastrow, Vorstand der Sponsoringberatung Sport+Markt, über Auswirkungen der WM in Südafrika auf die Einnahmen der Bundesliga, den Vorsprung der Premier League und den drohenden Kollaps der spanischen Primera División.

sueddeutsche.de: Herr Zastrow, die Nationalmannschaft hat die Fußballwelt bei der WM in Südafrika entzückt. Tut sich die Bundesliga nun leichter bei der Auslandsvermarktung?

Hartmut Zastrow: Bisher hat eine positive WM der nationalen Liga immer einen Push im Ausland gegeben. Aber unmittelbar wird die Bundesliga keine Mehreinnahmen bekommen.

sueddeutsche.de: Warum nicht?

Zastrow: Weil die ausländischen TV-Verträge längerfristig abgeschlossen sind und die DFL erst im kommenden Jahr wieder in die Verhandlungen mit den Sendern einsteigen wird.

sueddeutsche.de: Dann könnte die DFL aber von der WM profitieren?

Zastrow: Die Verhandlungen mit den TV-Sendern werden leichter denn je.

sueddeutsche.de: Was waren aus Marketingsicht die entscheidenden Faktoren beim Auftritt der Deutschen in Südafrika?

Zastrow: Die Art, wie die Mannschaft Fußball gespielt hat. Das kannten die Leute nicht. Bisher lautete das Image: Die Deutschen stehen hinten drin und schlagen vorne brachial zu. Erfolgreich, aber mit bescheidenen Mitteln und wenig Talent.

sueddeutsche.de: Was ist mit den neuen jungen Stars?

Zastrow: Klar, Schweinsteiger hatte seinen endgültigen Durchbruch, Özil, Khedira oder Müller sind die neuen jungen Gesichter des deutschen Fußballs. Und Stars werden immer gesucht. Nun ist es schön, dass mit Schweinsteiger oder Müller aber die größten WM-Helden im Land bleiben und gleichzeitig ein Weltklub wie Real zwei junge Deutsche als wichtigste Zugänge verpflichtet.

sueddeutsche.de: Die DFL versucht seit Jahren, ihre Bilder vor allem nach Asien, aber auch in andere Teile der Welt zu verkaufen. Wie weit ist sie damit gekommen?

Zastrow: Als die DFL 2008 ihre Tochter DFL Sports Enterprises gründete, ging es richtig los. Sie kümmert sich speziell um die die Auslands-TV-Rechte. Davor waren diese so mitgemacht worden. Seit 2008 haben sich die Einnahmen verdoppelt, auf über 40 Millionen Euro.

sueddeutsche.de: Liegt das alleine an der neuen Firma?

Zastrow: Zum einen hat schon die WM 2006 das Bild des deutschen Fußballs im Ausland verändert. Und die DFL Sports Enterprises ist für ausländische Sender ein sehr servicefreundlicher Partner.

sueddeutsche.de: Inwiefern?

Zastrow: Zum Beispiel bietet sie den ausländischen TV-Anstalten eine fertige Sendung mit den Höhepunkten eines Spieltags an. In mehreren Sprachen. Außerdem hat die DFL vor einiger Zeit das gesamte Archivmaterial der Bundesliga archiviert und digitalisiert, auf das die Sender leicht zurückgreifen können.

sueddeutsche.de: Ist der Servicegedanke wirklich ausschlaggebend beim Verkauf von Fußballsendungen?

Zastrow: Man darf das nicht unterschätzen. Für die Programmplaner in den Sendern ist das ein großer Anreiz, weil sie von der Bundesliga praktisch fertige Bilder bekommen. Außer der englischen Premier League kann da keine Liga der Welt mithalten.

sueddeutsche.de: Stichwort England: Leidet die Premier League unter dem fürchterlichen Auftreten der englischen Nationalmannschaft bei der WM?

Zastrow: Die Premier League hat sich als eigene Marke etabliert und sich von der englischen Nationalmannschaft praktisch abgekoppelt. Sie ist ein Schaufenster der Stars. Gerade in den früheren britischen Kolonien hat man die Premier League praktisch als eigene Liga adoptiert. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Außerdem ist es England gewohnt, dass die Nationalmannschaft bei großen Turnieren früh ausscheidet.

sueddeutsche.de: Wie weit ist die Premier League enteilt?

Zastrow: Zum Vergleich: Die Bundesliga erhält nun etwa 45 Millionen Euro von ausländischen Sendern, die Premier League liegt bei 560 Millionen Euro. Sie wäre nur verwundbar, wenn die Klubs wie in der vergangenen Saison international auf Dauer nicht mehr erfolgreich sind.

sueddeutsche.de: Wie steht es um die Serie A in Italien und die Primera División in Spanien?

Zastrow: Die Entwicklung der Serie A ist aus Marketingsicht eine mittelschwere Katastrophe. Es gab lange keine zentrale TV-Vermarktung der Liga, von Service für ausländische Sender konnte man da gar nicht reden. Dazu sind die Stadien alt, Italien hat ein Hooligan-Problem, die Serie A muss schwierige Zeiten überstehen.

sueddeutsche.de: Und Spanien?

Zastrow: Dort tickt die Zeitbombe.

sueddeutsche.de: Welche Zeitbombe?

Zastrow: In der Primera División gibt es keinen Solidaritätsgedanken. Real Madrid und der FC Barcelona erhalten etwa je 150 Millionen Euro aus der TV-Vermarktung, ein Verein wie Osasuna acht Millionen Euro. Viele glauben, dass die Primera División schon in dieser Saison zusammenkracht.

sueddeutsche.de: Wie soll dieses Zusammenkrachen aussehen?

Zastrow: Viele Vereine haben ein riesiges Geldproblem, Gehälter werden nicht oder zu spät überwiesen, Real Mallorca wurde durch einen Notverkauf gerettet, ein Spielerstreik erst im letzten Moment abgewendet.

sueddeutsche.de: Was läuft falsch in Spanien?

Zastrow: Die Liga hinkt in vielen Bereichen hinterher. In der Auslandsvermarktung genauso wie im Merchandising oder im Sponsoring. Einige Kräfte im spanischen Fußball wollen vor allem die Vermarktung der Liga als Ganzes professionalisieren, aber Real und Barcelona ziehen nicht mit. Der FC Bayern hat längst begriffen, dass man in einer Liga nicht alleine spielen kann und zeigt sich in vielen Dingen solidarisch mit den anderen Vereinen. Real Madrid und Barcelona sehen das nicht so. Deshalb glaube ich nicht, dass der spanische Fußball in dieser Form die Saison übersteht.

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