Süddeutsche Zeitung

Bundesliga-Vereine im Abstiegskampf:Geschwätz im Souterrain

Im Tabellenkeller der Fußball-Bundesliga geschehen erstaunliche Dinge. Es gibt dort einerseits Klubs mit klugem, unprätentiösem Führungspersonal, wie in Freiburg oder auch in Augsburg. Und es gibt den HSV und Hertha. Zwei Vereine, deren Strukturen nicht Schritt gehalten haben mit den gesteigerten Anforderungen des Profisports.

Andreas Burkert

Nachdem in Hamburg das 2:0 für den SC Freiburg gefallen war, ist Christian Streich fast handgreiflich geworden. Die Menschen neben ihm hatten es gewagt, verzückt zu jubeln. Streich hat seine Leute rasch mit Worten und Gesten zurückgeprügelt auf die Sitze.

Dieser Coach ist ein Kauz, der, bezogen auf seinen Job, zum Wahnsinn neigt. Doch Streich verfügt über zwei Eigenschaften, die sich in diesen Wochen des Abstiegskampfs als wertvoll erweisen könnten und ihn abheben von manchem Konkurrenten: Er hat eine Fußballidee. Und quillt über vor Demut.

Im Souterrain der Tabelle geschehen erstaunliche Dinge. Es gibt dort einerseits Klubs mit klugem, unprätentiösem Führungspersonal, wie in Freiburg oder auch in Augsburg, wo der (vor allem aus persönlichen Gründen) scheidende Manager Rettig und der immer noch unterschätzte Fußballlehrer Luhukay im bescheidenen Rahmen an einem echten Coup werkeln: Platz 15 oder 16.

Und es gibt den HSV und Hertha.

Hamburgs Trainer Fink hat nach dem 1:3 gegen Freiburg darauf bestanden, der HSV sei "kein Abstiegskandidat". So redet, wer neulich bei seiner Vorstellung auch nassforsch erklärt hat, er sei "ein Typ wie Klopp".

In Berlin versicherte der momentan amtierende Trainerveteran Rehhagel, seine Pläne gingen auf. Immer. Diese Formen der Tiefenanalyse sprechen für sich und sind möglich in Vereinen, deren Strukturen offenkundig nicht Schritt gehalten haben mit den gesteigerten Anforderungen des Profisports. Der HSV ist diesbezüglich beispielhaft.

Seit Ewigkeiten schleppt sich an der Alster ein sich selbst überschätzendes Schwergewicht durch das Mittelmaß. In der Vergangenheit erheiterte der Klub die Republik mit der Sportchef-Suche, dem einstigen Kandidaten Urs Siegenthaler haben sie mal nach der Absage sogenannter Gremien eine halbe Million Euro fürs erstellte Konzept überwiesen.

Und Jürgen Klopp, das Original, so geht die Legende, erhielt den Trainerjob nicht, weil er das hanseatische Assessment-Center irritierte: mit einem Loch in der Jeans und Vier-Tage-Bart. Sportchef ist jetzt der joviale Sakkoträger Frank Arnesen, der noch heute davon lebt, dass er mal in Eindhoven die jungen Ronaldo und Robben holte.

Später in Chelsea kaufte er als Talentspäher für viel Geld viele Talente, von denen keines ins Profiteam aufrückte. Beim HSV beschränkte er sich im ersten Jahr seines Wirkens auf eine bemerkenswerte Einfallslosigkeit: Er nahm Reservisten aus London mit. Aber ist der HSV deshalb ein Abstiegskandidat? Niemals. Indianer-Ehrenwort.

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SZ vom 19.03.2012/cop
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