Süddeutsche Zeitung

Union Berlin:Nur Karius ist unzufrieden

Loris Karius erlebt gegen Gladbach seinen ersten kurzen Bundesliga-Auftritt für Union Berlin - der von Liverpool ausgeliehene Keeper lässt durchblicken, dass ihn seine Situation in Köpenick durchaus frustriert.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die Nachspielzeit der Partie des 1. FC Union gegen Borussia Mönchengladbach war gerade vorüber, da ertönte hinter den verschneiten Bäumen, die das Stadion An der Alten Försterei säumten, noch ein paar kehlige Schreie. "Eisern!", rief ein Fan; "Union!", antwortete ein anderer, und es war exakt der Wechselgesang, mit dem sie zuvor schon, während das Spiel lief, auf sich aufmerksam gemacht hatten.

Wer wollte, konnte genau darin die vielleicht beste Leistung des Tages erkennen: Bei null Grad durchhalten, obschon man keine eigene Sicht aufs Geschehen hat, und dazu auch noch singen - das muss man erst mal schaffen. Was sich auf dem Rasen zugetragen hatte, was also die Fans verpasst hatten? Ein 1:1 der Sorte "leistungsgerecht", das Toren von Robin Knoche (31.) und Alassane Pléa (59.) geschuldet war. Und allerhand Details: das Union-Debüt des Keepers mit dem größten Promifaktor der Liga, Loris Karius etwa - und eine gelbe Karte für den Gladbacher Trainer Marco Rose.

Es gab den einen oder anderen Gladbach-Fan, der sie ihm für die Aufstellung gegeben hätte. Denn: Rose hatte auf Lars Stindl und Florian Neuhaus verzichtet - und unter anderen Hannes Wolf und Marcus Thuram in die Startelf gestellt, letzteren erstmals seit dessen Spuckattacke auf den Hoffenheimer Posch und der folgenden, elend langen Sperre. Rose wollte Stindl und Neuhaus eine Pause gönnen - nicht zuletzt mit Blick auf das Pokalduell mit dem VfB Stuttgart am Mittwoch.

Das Kalkül, es wäre fast aufgegangen. Zumindest nahm sich der Spielbeginn aus Gladbacher Sicht hoffnungsvoll aus. Nach einem Konter über Thuram und Wolf bediente Christoph Kramer den auf der rechten Seite mitgelaufenen Stefan Lainer. Doch dessen Schuss parierte Unions Torwart Andreas Luthe mit Bravour. Danach musste man kratzen, um der Partie etwas Nahrhaftes abzugewinnen. Bis sich, als keine halbe Stunde gespielt war, Thuram im Mittelfeld ein sehr überflüssiges Foul leistete, das Folgen hatte.

"Ich sehe mich hier schon im Tor", sagt der eingewechselte Karius

Unter normalen Umständen wäre der Freistoß ein Fall für Kapitän Christopher Trimmel gewesen. Doch der österreichische Assist-König von Union saß, weil gelbgesperrt, in Zivil auf der Tribüne. Anstelle von Trimmel trat Unions Däne Marcus Ingvartsen den Freistoß - und siehe da, er fand im Strafraum den Kollegen Robin Knoche. Der Innenverteidiger spitzelte den Ball per Kopf neben den linken Pfosten, unerreichbar für Torwart Yann Sommer, zur 1:0-Führung.

Womöglich war der mutmaßliche Ärger über den Rückstand eine Erklärung dafür, dass Rose wenig später nach einem - in der Tat kaum nachvollziehbaren - Schiedsrichterpfiff gegen seine Mannschaft die Nerven verlor - und verwarnt wurde. "Wollt ihr mich verarschen?", fragte er laut vernehmlich den Schiedsrichter. Schon zur Pause hatte sich Rose mit dem Referee wieder ausgesprochen und vertragen; vollends beruhigt war er dann nach knapp einer Stunde Spielzeit. Denn nach einem Doppelpass mit Jonas Hofmann zog Gladbachs Stürmer Pléa aus 18 Metern ab und überwand Torwart Luthe. Die Frage, ob er sich selbst eine Mitschuld am Tor gab, konnte Luthe nicht mehr gestellt werden. Denn nur wenige Minuten später musste er ausgewechselt werden. Bei einer Kollision mit seinem Mannschaftskameraden Knoche (69.) hatte er sich am Kopf verletzt - für ihn wurde Karius eingetauscht.

Karius, der vor Jahren in Mainz zum Bundesligatorwart geworden war, wurde zu Saisonbeginn vom FC Liverpool nach Berlin verliehen; seither war er allerdings hinter Luthe die Nummer zwei geblieben. Das war für ihn in etwa so überraschend wie der plötzliche Einsatzbefehl am Samstag: Karius brauchte gute fünf Minuten, um sich für den Einsatz fertigzumachen; denn als Luthe leicht benommen Richtung Kabine ging, hatte Karius weder Arbeitssocken noch Fußballschuhe an.

Für Aufwärmübungen blieb keine Zeit. Aber: Er verlebte einen recht ereignisarmen Restarbeitstag. Bis auf einen Kopfball von Breel Embolo in der Nachspielzeit musste Karius keinen einzigen Ball parieren. Als die Partie vorüber war, erklärte er freilich unverblümt, dass er mit seiner Situation in Köpenick alles andere als zufrieden ist. Er habe schon "oft" die Faust in der Tasche geballt, sagte er, denn "ich sehe mich hier schon im Tor", fügte Karius hinzu. Seine Lage sei "schon bitter", denn Union-Trainer Fischer hatte sich vor der Karius-Ankunft auf Luthe festgelegt. Danach bot er keinen akuten Anlass zum Wechsel. Im Gegenteil. Er trug seinen Teil dazu bei, dass Union eine famose Saison spielt, daheim ungeschlagen ist und trotz nunmehr drei Spielen ohne Sieg in Serie im sicheren Mittelfeld steht - gerade einmal drei Punkte hinter dem Tabellensiebten aus Mönchengladbach, der in diesem Jahr noch ungeschlagen ist.

"Hut ab vor Union Berlin!", sagte denn auch Gladbachs Coach Rose, die Köpenicker seien sehr unangenehm zu bespielen, könnten aber auch fußballerische Akzente setzen, fügte er hinzu. Trainer Fischer sorgte dann für den verbalen Ausgleich: "Da kann ich Danke sagen", erklärte Fischer - und gab das Kompliment zurück.

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