Remis gegen Leverkusen:Union spürt den Atem der Verfolger

Remis gegen Leverkusen: Kaum ein Durchkommen: Leverkusens Florian Wirtz (links) verzweifelt am Samstag an der Defensive von Union Berlin: "Die wissen hier jeden Meter richtig einzuschätzen."

Kaum ein Durchkommen: Leverkusens Florian Wirtz (links) verzweifelt am Samstag an der Defensive von Union Berlin: "Die wissen hier jeden Meter richtig einzuschätzen."

(Foto: Taeger/Fotostand/Imago)

Nach dem leistungsgerechten 0:0 lobt Berlins Trainer Urs Fischer den Auftritt gegen die "formstärkste Mannschaft der Liga" und wirkt trotz der Siege der Rivalen nicht besorgt um einen Platz in einem europäischen Wettbewerb.

Von Javier Cáceres, Berlin

In einem Spiel, das ein einziger Gesang an die Konzentration zweier defensiv fehlerloser Mannschaften war, haben Union Berlin und Bayer Leverkusen einander wichtige Punkte für den Saisonschlussspurt abgenommen. Am fünftletzten Spieltag der Bundesliga trennten sich die beiden stabilsten Teams des laufenden Kalenderjahres in einem "tollen, intensiven Nullzunullspiel", wie Unions Trainer Urs Fischer sagte, überaus leistungsgerecht torlos.

Union bleibt zwar Tabellendritter, spürt nun aber im Nacken den Atem der Verfolger: Freiburg ist nach dem 1:0-Sieg in Köln punktgleicher Vierter und steht wegen des schlechteren Torverhältnisses hinter den Berlinern; Leipzig ist durch den Sieg gegen Hoffenheim (ebenfalls 1:0) als Fünfter auf zwei Punkte herangekommen. Leverkusen wiederum ist acht Punkte hinter dem Champions-League-Platz vier. Trainer Xabi Alonso denkt nicht daran, das Ziel aufzugeben, das maximal Mögliche anzustreben. "Wir müssen realistisch sein. Aber wir waren vor zwei oder vier Monaten in einer weit schlechteren Ausgangslage", erklärte der Spanier, der die Leverkusener übernahm, als sie ein Abstiegskandidat waren.

Alonso, der als Aktiver niemals nach Köpenick reisen musste und die Visite im engen, Tradition verströmenden Stadion nach eigenem Bekunden genoss, konnte überdies darauf verweisen, dass eine wichtige Serie hielt. Leverkusen ist seit nunmehr 14 Spielen ungeschlagen, und darauf war Alonso schon stolz. Die Unioner hatten ihm vorab Respekt abgerungen, nach dem Spiel sah er sich darin bestätigt: "Heute haben wir (am eigenen Leib) gespürt, warum Union in dieser Saison zuhause ungeschlagen ist", sagte er.

Genau genommen hat Union in der Bundesliga im eigenen Stadion seit Februar 2022 nicht mehr verloren, damals gewann Borussia Dortmund 3:0. Und hätte Union Saint-Gilloise nicht in der Europa League einmal in der Alten Försterei gewonnen, so wäre der Nimbus der Unbezwingbarkeit der Unioner in dieser Spielzeit absolut. Alonso zitierte auch deshalb das Bonmot des Niederländers Johan Cruyff, der wie Alonso mit der Rückennummer 14 berühmt wurde: "Wenn du nicht gewinnen kannst, musst du wenigstens sicher gehen, dass du nicht verlierst."

"Es ist einfach schwer hier, sich in diesem Stadion durchzukombinieren", klagt der deutsche Nationalspieler Florian Wirtz

Er selbst tat in der Anfangsphase einiges dafür, dass dies gelang. Umständehalber hatte er den nominellen Innenverteidiger Edmond Tapsoba fachfremd auf die Doppelsechs geschoben, und Alonso assistierte ihm durch intensives Coachen so sehr, dass er den halblangen Wintermantel schon nach wenigen Minuten wieder auszog: Fürs Winken war er zu warm und unbequem.

Erforderlich wurden seine Interventionen, weil die Unioner die Partie entzündeten, kaum, dass sie begonnen hatte. Nach fünf Minuten hielt Sheraldo Becker aus 20 Metern drauf, Lukas Hradecky hatte keine größeren Mühen. Hernach war 04-Verteidiger Kouakou Kossonou zwei Mal in größerer Not zur Stelle: Erst vereitelte er eine Chance Beckers (8. Minute), dann war er gegen Jordan Siebatcheu in extremis parat (10.). Nach und nach fruchteten die Justierungen Alonsos, übernahm Leverkusen eine größere Kontrolle über die Partie. Und das fand Ausdruck in einem Blitzkonter, bei dem Florian Wirtz den Ball auf Moussa Diaby ablegte. Doch der Franzose verfehlte das Ziel.

Der Rest der Partie war bei größerem Ballbesitz der Leverkusener vor allem von Taktik geprägt - und der zähen Verteidigungshaltung der Unioner. Die Leverkusener versuchten zwar unentwegt, sich den Gegner zurechtzulegen: Immer wieder verlagerten sie das Spiel. Doch das geriet ein ums andere Mal steril. "Es ist einfach schwer hier, sich in diesem Stadion durchzukombinieren. Die wissen hier jeden Meter richtig einzuschätzen", klagte der deutsche Nationalspieler Florian Wirtz, der immer wieder versuchte, durch individuelle Kreativität ein Loch in das defensive Sieb der Köpenicker zu reißen - ohne durchschlagenden Erfolg.

Remis gegen Leverkusen: "Wir haben gegen die aus meiner Sicht formstärkste Mannschaft der Liga über 90 Minuten mitgehalten und mitgespielt", sagte Union-Trainer Urs Fischer (rechts, mit Xabi Alonso).

"Wir haben gegen die aus meiner Sicht formstärkste Mannschaft der Liga über 90 Minuten mitgehalten und mitgespielt", sagte Union-Trainer Urs Fischer (rechts, mit Xabi Alonso).

(Foto: O.Behrendt/Contrast/Imago)

Die zweite Halbzeit gebar dann zunächst ein Übergewicht der Unioner. Mittelfeldspieler Aïssa Laïdouni sah sich unvermittelt an der Strafraumgrenze in guter, mittiger Schussposition, doch er verfehlte den Giebel knapp (48.). Becker war dann ein ähnliches Schicksal beschieden, als er sich mit einem Schlenzer aus halblinker Position versuchte. Ansonsten hielt sich die Zahl hochkarätiger Chancen in Grenzen. Nicht, weil die beiden Mannschaften passiv auf den Fehler des Gegners gewartet hätten, in Sachen Initiative waren beide Teams ebenbürtig. Aber: Beide verhielten sich defensiv ähnlich tadellos. Ein einziges Mal nur musste sich Unions Torwart Frederik Rönnow auszeichnen: Bei einem wuchtigen Kopfstoß von Leverkusens Verteidiger Bakker auf Flanke von Jeremie Frimpong (86.) in der Schlussphase, die den Gästen gehörte.

Was aus diesem Punkt folgt? Die Resultate der Rivalen im Kampf um einen Platz in einem europäischen Wettbewerb nahmen die Unioner bestenfalls zur Kenntnis. "Wir schauen auf uns", sagte Stürmer Sheraldo Becker. Trainer Urs Fischer freute sich darüber, dass sein Team das Umschaltspiel der Leverkusener neutralisieren konnte. Der Gegner habe "kaum Geschwindigkeit aufnehmen können", lobte er.

"Wir haben gegen die aus meiner Sicht formstärkste Mannschaft der Liga über 90 Minuten mitgehalten und mitgespielt", sagte Fischer, und es war ihm anzumerken, dass das für ihn ein Wert an sich war. Alles andere ist Zubrot: Inklusive der Ausbeute von 56 Zählern, die wohl dazu führen wird, dass Union einen neuen, klubeigenen Punkterekord aufstellen wird. Es fehlen dazu - bei vier verbleibenden Spielen - nur noch zwei Punkte.

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