Süddeutsche Zeitung

TV-Gelder im Fußball:Die kleinen Klubs proben den Aufstand

Die Bundesliga streitet über die Ausschüttung der Fernsehgelder ab der Saison 2021/22. Früher war die Verteilung deutlich ausgeglichener - selbst die reiche Premier League vergibt die Millionen gerechter.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Der sportliche Konkurrenzkampf unter den deutschen Profifußballklubs ruht in diesen Tagen. Aber das heißt nicht, dass gerade keine Auseinandersetzungen ablaufen - im Gegenteil. In der öffentlichen Debatte, aber noch mehr hinter den Kulissen, läuft jetzt ein Spiel, das für die Zukunft der Bundesliga eine erhebliche Bedeutung hat: die Debatte um die Verteilung der immensen Fernsehgelder von der Saison 2021/22 an.

Der aktuelle Verteilungsschlüssel erzeugt schon lange viel Kritik. Für viele ist er ein Grund dafür, dass die Hierarchien in der Liga so festgefahren sind. Die genauen Zahlen veröffentlicht die Deutsche Fußball Liga (DFL) nicht, aber der FC Bayern erhält mehr als dreieinhalb Mal so viel TV-Geld wie der Letzte: Auf mehr als 110 Millionen Euro kommen die Münchner derzeit. Hingegen müssen zuletzt Paderborn und Bielefeld in der neuen Saison mit einem Betrag um die 30 Millionen auskommen.

Die Fernsehgelder sind für die meisten Vereine die wichtigste Einnahmequelle. Manche kleinere Klubs proben deswegen den Aufstand und verlangen eine andere, ausgeglichenere Verteilung, um wieder mehr Wettbewerb zu erleben. Die Vertreter der Großen verteidigen den Status quo - weil ansonsten die Vorreiter der Liga geschwächt würden und sich dies auch auf die Chancen im Europacup auswirke.

Die Verteilung war schon einmal wesentlich ausgeglichener als heute

Die Konstruktion beim TV-Geld ist etwas kompliziert. Entscheidend ist zunächst, dass die Klubs ihre Spiele nicht selbst vermarkten, sondern dies zentral durch die DFL für erste und zweite Liga geschieht. Derzeit bringt das insgesamt zirka 1,4 Milliarden Euro pro Jahr ein. Knapp 18 Prozent davon gehen an die Zweitligisten. Dabei sind zwei Blöcke zu unterscheiden. Der eine sind die Einnahmen aus den nationalen Medienrechten. Diese werden von 2021 bis 2025 gegenüber den aktuellen Zahlen leicht sinken und durchschnittlich 1,1 Milliarden Euro pro Jahr ausmachen. Der zweite Block, etwa 250 Millionen Euro pro Jahr, sind die internationalen Einnahmen durch die Bundesliga-Vermarktung (nicht zu verwechseln mit den TV-Erlösen, die Klubs durch ihre Teilnahme an den Europapokalen von der Uefa erhalten).

Dabei zeigt ein Blick in die Historie, dass die Verteilung schon einmal wesentlich ausgeglichener war als heute. Bis Ende der Neunzigerjahre erhielten alle Klubs einer Liga sogar gleich viel - wenngleich der Gesamttopf damals deutlich kleiner war. Jeder Bundesligist bekam etwas mehr als fünf Millionen Euro, jeder Zweitligist zirka 2,5. Doch zur Jahrtausendwende erfolgte unter dem Druck der großen Klubs ein Systemwechsel: Von da an waren die Erfolge der vergangenen Jahre ausschlaggebend für die Höhe der TV-Einnahmen - zudem sank generell der Anteil der Zweitligisten.

Viele Jahre galt in der ersten Liga bei den nationalen Einnahmen eine Spreizung von zunächst 1,7:1, später 2:1 - übersetzt: Der Erste der Bundesliga sollte 1,7 Mal beziehungsweise zwei Mal so viel bekommen wie der Letzte. 2017 kam es zur Einführung eines sogenannten Vier-Säulen-Modells, durch das die Spanne noch einmal größer wurde. Der FC Bayern kommt bei den nationalen Einnahmen nun auf fast 70 Millionen, die Schlusslichter auf knapp 30 Millionen.

Vier Säulen für die Verteilung

Die Einnahmen aus den nationalen Medienerlösen der Bundesliga, die mit zuletzt zirka 1,15 Milliarden Euro das Gros des TV-Topfs bilden, verteilt die Deutsche Fußball-Liga an die Vereine nach einem Schlüssel mit vier Säulen:

a) Bestand (70 Prozent): Verteilung auf Basis einer Fünfjahreswertung, wobei die Spielzeiten unterschiedlich stark gewichtet werden: die vergangene fünffach, die vorvergangene vierfach usw. Der Bundesliga-Erste der Wertung erhält 5,8 Prozent, der Bundesliga-Letzte 2,9, der Zweitliga-Erste 1,69 und der Zweitliga-Letzte 0,75.

b) Wettbewerb (23 Prozent): Verteilung auf Basis der gewichteten Fünfjahreswertung, aber mit anderen Anteilen. Die Top-Sechs bekommen gleich viel und insgesamt zirka 52 Prozent.

c) Sportliche Nachhaltigkeit (5 Prozent): Verteilung auf Basis einer 20-Jahres-Wertung, in der alle Spielzeiten gleich gewichtet werden.

d) Nachwuchs (2 Prozent): Verteilung proportional zu den Einsatzminuten in Deutschland ausgebildeter U23-Spieler in der abgelaufenen Saison.

Aber noch viel gravierender ist der Unterschied bei der Verteilung der internationalen Medienerlöse, also dem Geld, das für die Übertragung der Bundesliga-Spiele in den USA oder in Asien fließt. Dabei kommen fast nur die großen Klubs zum Zuge, weil Teilnahme und Erfolg im Europapokal hier die entscheidenden Kriterien sind. Allein der FC Bayern konnte für die laufende Saison mit 45 Millionen Euro kalkulieren, die Kellerteams erhielten einen Sockelbetrag von lediglich 3,5 Millionen Euro.

In vielen anderen europäischen Ligen ist das Verhältnis ausgeglichener. Das gilt insbesondere für jene Liga, die die höchsten TV-Gelder generiert: Englands Premier League. Sie schüttete in der abgeschlossenen Saison 2018/19 knapp 2,6 Milliarden Euro an die 20 Klubs aus. Liverpool als Bestverdiener kam auf umgerechnet 162,2 Millionen Euro, Huddersfield Town als schlechtester auf 100,8. Das ist eine Spreizung von gerade mal 1,6:1.

In England war es bemerkenswerterweise üblich, sowohl die Hälfte aus den nationalen wie auch alle internationalen TV-Einnahmen absolut gleichmäßig unter allen Vereinen aufzuteilen. Mit der gerade zu Ende gehenden Saison, in der dank neuer Rekordverträge bei den internationalen Einnahmen der Gesamttopf noch einmal um acht Prozent ansteigt, wird der Schlüssel zwar modifiziert. Aber auch künftig darf das Verhältnis maximal 1,8:1 betragen.

In Spanien, dem Land mit den zweithöchsten TV-Einnahmen, gibt es erst seit 2016 eine Zentralvermarktung. Vorher war die Verteilung zugunsten der Großvereine Real Madrid und Barcelona exorbitant. Inzwischen liegt die Spreizung zwischen den Spitzenklubs und den Letzten bei 3,7:1, also auf ähnlichem Niveau wie in Deutschland. 2018/19 bedeutete das 166,5 Millionen Euro für Barça und 44,2 Millionen für Schlusslicht Huesca. Allerdings ist die Verteilung anders als in Deutschland: Der Abstand der Mittelfeldteams zur Spitze ist größer, der zur zweiten Liga auch. Seit dieser Saison dürfen auch die Spanier mit einem viel größeren Topf kalkulieren (zwei statt vorher 1,4 Milliarden Euro), aber an den Relationen ändert sich nichts.

TV-Einnahmen im internationalen Vergleich

Ein Vergleich mit England und Spanien zeigt: Medienerlöse werden innerhalb der internationalen Top-Ligen sehr unterschiedlich verteilt. Die Tabellen unten bilden die Einnahmen aus der nationalen und internationalen Vermarktung in der jeweils letzten abgeschlossenen Saison ab. England und Spanien veröffentlichen die konkreten Zahlen kurz nach Saisonende. Die Zahlen der Bundesliga sind Näherungswerte. Die DFL veröffentlicht die konkreten Zahlungen für die Klubs nicht. Zudem wirkt sich die Corona-Krise auch auf die Medienerlöse aus, weswegen die Zahlen aller Klubs gegenüber den ursprünglichen Planungen noch etwas sinken werden (Alle Angaben in Mio. Euro).

Premier League England 2018/19

1. FC Liverpool 162,2

2. Manchester City 160,6

3. FC Chelsea 155,2

4. Tottenham Hotspur 154,3

5. Manchester United 151,3

6. FC Arsenal 151,0

7. FC Everton 136,0

8. Wolverhampton 134,4

9. Leicester City 130,2

10. West Ham United 129,3

11. Newcastle United 126,7

12. Crystal Palace 120,2

13. FC Watford 118,8

14. AFC Bournemouth 113,5

15. Burnley 112,6

16. Brighton & Hove 110,9

17. Southampton 109,3

18. Cardiff City 107,5

19. FC Fulham 106,6

20. Huddersfield Town 100,8

La Liga Spanien 2018/19

1. FC Barcelona *166,5

2. Real Madrid 155,3

3. Atlético Madrid 119,2

4. FC Sevilla 80,1

5. Valencia 78,7

6. Athletic Bilbao 74,8

7. FC Villarreal 74,3

8. Betis Sevilla 62,3

9. Real San Sebastian 59,1

10. Espanyol Barcelona 58,3

11. Celta Vigo 55,7

12. SD Eibar 50,8

13. FC Getafe 50,5

14. Deportivo Alavés 49,9

15. UD Levante 49,5

16. FC Girona 48,6

17. Real Valladolid 47,6

18. CD Leganés 47,6

19. Rayo Vallecano 47,4

20. SD Huesca 44,2

* alle Klubs müssen je sieben Prozent ihrer Einnahmen für solidarische Zwecke abgeben

Bundesliga 2019/2020

1. FC Bayern München 113,0

2. Borussia Dortmund 99,0

3. Bayer Leverkusen 91,0

4. FC Schalke 04 87,0

5. Borussia Mönchengladbach 78,0

6. RB Leipzig 71,0

7. Eintracht Frankfurt 70,0

8. TSG 1899 Hoffenheim 69,0

9. VfL Wolfsburg 67,0

10. Hertha BSC 62,0

11. Werder Bremen 57,5

12. FSV Mainz 05 55,5

13. FC Augsburg 50,0

14. SC Freiburg 47,0

15. 1. FC Köln 44,5

16. Fortuna Düsseldorf 36,0

17. Union Berlin 33,0

18. SC Paderborn 29,5

Seit der letzten Wahl des DFL-Präsidiums sind die Chancen auf eine andere Verteilung gestiegen

Interessant sind grundsätzlich die Kriterien, die der Geldverteilung zugrunde liegen. Denn während in Deutschland nahezu ausschließlich Leistungsparameter zählen, spielen in den anderen großen Ligen auch andere Aspekte mit hinein. In der Premier League werden 25 Prozent der nationalen Einnahmen als "Facility Fees" verteilt. Diese berechnen sich nach der Zahl der live in England übertragenen Spiele eines Klubs (gemäß des TV-Vertrags kommen dort nur gut die Hälfte aller 380 Saisonspiele der Liga live). In Spanien entscheiden die Zahl der Ticketverkäufe und die Einschaltquoten über immerhin ein Viertel der zu verteilenden Gelder. In Italien wird ein Fünftel der Gesamterlöse von zirka 1,3 Milliarden Euro anhand der Anzahl der Fans verteilt. Die Bundesliga lehnte solche Kriterien bei der bisher letzten Entscheidung über den Schlüssel ab - sie seien zu schwer messbar und vergleichbar.

Vor diesem Hintergrund sind die aktuellen Debatten im deutschen Fußball zu betrachten. Viele der 36 Profivereine melden sich zwar eifrig zu Wort, aber formal zuständig ist das Präsidium, in dem zwei DFL- und sieben Klubvertreter sitzen. Dieses will sich offenkundig sehr grundsätzlich mit der Verteilung beschäftigen. Nach SZ-Informationen war es bereits ein Thema, die bisherige Trennung zwischen nationalen und internationalen Einnahmen zu prüfen. Und seit der letzten Wahl des DFL-Präsidiums sind die Chancen auf eine andere Verteilung gestiegen, weil nun relativ viele Vertreter kleiner und mittelgroßer Vereine im Gremium sitzen. Allerdings haben nicht alle kleinen und mittelgroßen Klubs zwangsläufig dieselben Interessen.

Wer es radikal mag, kann die Diskussion sogar noch um eine dritte Einnahmequelle erweitern: den Europapokal. Im deutschen Markt erlöst die Uefa aktuell etwa 200 Millionen Euro an TV-Geldern pro Jahr. Das Gros der Gelder in Champions und Europa League wird über Sieg- und Startprämien verteilt, aber es gibt auch einen "Marktpool", der sich aus den TV-Einnahmen speist. Ungefähr 60 Millionen Euro davon fließen ausschließlich an die deutschen Europapokal-Starter. Vor zwei Jahrzehnten war es noch üblich, dass Bundesligisten, die international spielten, aus den Fernsehgeldern des Europapokals eine Art Abgabe an die anderen Klubs zahlten.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2020/tbr
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