Süddeutsche Zeitung

Bundesliga: Schalke 04:Austausch der Stückgüter

Die halbe Mannschaft ist weg, dafür kommen nun Angelos Charisteas und Ali Karimi: Die Personalpolitik von Felix Magath trägt Züge einer Kampagne, wie man sie aus autoritären politischen Apparaten kennt.

Philipp Selldorf

Das Vorgehen von Felix Magath ist mysteriös und befremdlich. Schalkes Sportmanager gleicht einem Theaterdirektor, der sich über das Publikum lustig macht, indem er sein Ensemble mit immer aberwitzigeren Figuren bestückt. Das Publikum versteht aber seinen satirischen Witz nicht, stattdessen vermutet es, dass der Herr Intendant, bei allem Respekt, nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.

Dies dürfte jedenfalls der erste Gedanke bei mindestens 999 von 1000 Schalke-Fans gewesen sein, als sie am Montag hörten, dass Magath seinem Team die Spieler Angelo Charisteas und Ali Karimi hinzugefügt hat. Charisteas, der in einem früheren Leben mal Europameister und Torjäger war, blieb nach einem missglückten Engagement in Südfrankreich zuletzt stellungslos; der iranische Nationalspieler Karimi gehörte dem Kader des FC Bayern an, als Magath dort das Training leitete.

Damals war Magath der größte, aber auch einzige Förderer von Karimi, sein Faible für den Mittelfeldspieler galt als private Marotte.

Natürlich wundern sich jetzt alle, was Magath mit Charisteas und Karimi will, aber in Wahrheit geht es gar nicht um die beiden. Ihre Namen sind nur die Pointen der just abgelaufenen Wechselperiode, in der Magath wieder stilbildend hervortrat. Wenn die Leute den Eindruck gewinnen, dass Vereine mit Fußballern wie mit Kautschuk handeln, dann ist das vor allem sein Verdienst.

Während er Ware A (Rakitic) nach Sevilla exportierte, führte er Ware B (Annan) aus Norwegen ein; er verhandelte mit Wolfsburg und Frankfurt über den Austausch der Stückgüter Ochs und Farfan und traf Handelsvereinbarungen mit Vereinen in Sewastopol (Ibraimi) und Teheran (Karimi). In diesen letzten Tagen der Transferperiode agierte er wirklich wie ein Puppenspieler, der an jedem Finger eine Figur bewegt.

So ist Fußball? Auch das gehört zum Fußball, stimmt. Aber Magath treibt das kommerzielle Prinzip auf die Spitze. Aus dem Team, das er vor anderthalb Jahren geerbt hat, sind nur noch einige wenige übrig, Neuer, Höwedes und Pander - und Farfan, weil das Geschäft geplatzt ist. Der Rest wurde verkauft, verschenkt, vergrault. Diese Personalpolitik ist unheimlich und trägt Züge einer Kampagne, wie man sie aus autoritären politischen Apparaten kennt.

Aber Schalke ist keine Partei. Es ist ein Fußballverein, mit dessen Spielern die Fans ein wenig emotionale Nähe verbinden möchten. Magaths Methode, die Profis wie Objekte zu behandeln, ist nicht sympathisch - abgesehen davon, dass sie auf Dauer den sportlichen Erfolg gefährdet.

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SZ vom 01.02.2011/ebc
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