Süddeutsche Zeitung

Deutsche Klubs auf dem Transfermarkt:Glück am Ende der Kette

Während Europas Topligen trotz Pandemie und ihrer Folgen rekordverdächtig investieren, hält sich die Bundesliga zurück. Richtig so.

Kommentar von Felix Haselsteiner

Am Ende der Kette stand mal wieder Bayer Leverkusen. Für den 21-jährigen Mitchel Bakker war in der Abwehr von Paris Saint-Germain kein Platz mehr, nachdem in Achraf Hakimi und Sergio Ramos neue Verteidiger dank katarischer Finanzierung in die französische Hauptstadt gewechselt waren. Also entschied sich der Linksverteidiger für einen Umzug ins Rheinland. Die einstellige Millionen-Ablösesumme für den talentierten Niederländer stellte für Leverkusen kein Problem dar: Finanziert wurde der Transfer schließlich indirekt über Geld aus Abu Dhabi. Von den 117,5 Millionen Euro nämlich, die Aston Villa von Manchester City für Jack Grealish überwiesen bekam, wanderten mehr als 30 Millionen direkt weiter nach Leverkusen, von wo aus Leon Bailey nach England wechselte.

Katar, Abu Dhabi und nach aktuellen Gerüchten auch Florentino Pérez bestimmen die Transferströme in diesem Sommer; sie bestimmen auch über die Unvernunft, die auf dem europäischen Spielermarkt genauso herrscht wie seit Jahren üblich. Allen Mahnungen zum Trotz, die Corona-Pandemie werde den Fußball direkt treffen, dreht sich das große Transferrad weiter - nur die Bundesliga scheint sich, so das Zwischenfazit wenige Tage vor Transferschluss, weitgehend rauszuhalten. Sie begnügt sich damit, am Ende der Ketten zu stehen - siehe Leverkusen.

Der Wahnsinn der Anderen lässt den eigenen Luxus als Sparsamkeit erscheinen

Die höchsten Transferausgaben hat in diesem Sommer einmal mehr die Premier League: Mehr als eine Milliarde Euro an Ablösesummen ist dort geflossen, daraus ergibt sich ein negativer Transfersaldo von knapp einer halben Milliarde. Die Bundesliga hat zwar die dritthöchsten Ausgaben, erzielt aber als einzige Topliga in Europa einen Überschuss und hat in diesem Jahr insgesamt mehr Geld verdient als ausgegeben. Ausgeklammert sind bei den Ablösesummen die Nebenkosten: Gehälter, Boni, Beraterhonorare et cetera. Sie würden den Abstand zwischen England, Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland noch deutlicher darlegen.

Nun muss man die Bundesliga nicht glorifizieren, sie verhält sich in diesem Jahr nicht besonders sparsam oder präsentiert radikal markthinterfragende Ansätze. Sie verhält sich eigentlich nur den Umständen entsprechend. Es ist der Wahnsinn der Anderen, der den eigenen Luxus als Sparsamkeit erscheinen lässt. "Wenn diese Krise vorbei ist, sind wir verpflichtet, uns damit seriös auseinanderzusetzen, dass man gewisse Dinge mit Augenmaß wieder zurückdreht", hat Karl-Heinz Rummenigge, damals noch Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, im April 2020 gesagt. Ein Credo, an das sich der deutsche Branchenführer trotz schwarzer Zahlen auf seinem Festgeldkonto hielt.

Es könnte sein, dass die Bundesliga das zurückhaltende Vorgehen auf dem Transfermarkt mit dem Verlust internationaler Konkurrenzfähigkeit bezahlt. Ob der FC Bayern und Borussia Dortmund sich dauerhaft den Mittelweg leisten können, um den Titel in der Champions League spielen zu wollen, ohne dementsprechend einzukaufen? Fraglich. Vielleicht reicht aber auch ein Blick nach Barcelona, wo nicht mehr genug Geld für Lionel Messi vorhanden war, um festzustellen, dass in Wahrheit nicht die Bundesliga, sondern der Rest Europas voll ins Risiko geht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5392171
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/pps/sjo/tblo/jkn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.