Süddeutsche Zeitung

Fußball-Transfermarkt:Nicht jammern, Geld nehmen!

Mehr denn je müssen die deutschen Bundesligisten versuchen, die finanzielle Überlegenheit der englischen Premier-League-Klubs für eigene Zwecke zu nutzen.

Kommentar von Christof Kneer

Im Moment ist nicht bekannt, wo sich Max Eberl aufhält. Allerdings darf man davon ausgehen, dass er zurzeit weniger Wlan, weniger mobile Daten und auch weniger Telefonnetz benötigt als in den Juli-Monaten der vergangenen Jahre. Zwar gehörte Eberl zu den Bundesliga-Managern, die ihre Geschäfte im Juli meist so weit vorangetrieben hatten, dass ihm von Kollegen der Kosename "Streberl" verliehen wurde.

Aber ganz fertig konnte selbst Eberl im Juli nicht sein. Er konnte das erledigt haben, was in seiner Macht stand (also: neue Spieler holen, mit alten Spielern verlängern), aber eines konnte er nicht: die Engländer wecken. Die schliefen oft im Juli noch, und sie taten das in dem beruhigenden Bewusstsein, dass die Millionen aus ihren riesenhaften Fernsehverträgen ausreichen, um auch Ende August noch attraktiv zu sein.

Je nach Klub haben sie so auf 15. oder 20. August den Wecker gestellt, und dann haben sie sich, vermutlich nach Einnahme eines Frühstücks mit kleinen gebratenen Würsten, allmählich an die Arbeit gemacht. Es ist heilige Tradition in England, dass die Klubs aus der Premiere League viele Transfers erst kurz vor Toresschluss am 31. August erledigen, und gelegentlich waren auch mal Spieler von Max Eberls Gladbacher Borussia dabei.

Zwar hat sich Eberl vorübergehend und unter Ausschüttung zahlreicher Tränen aus der Branche verabschiedet, aber es sollte ihn trösten, dass die Max-Eberl-Logik in der Bundesliga immer noch gilt. Eberl hat viele kluge Entscheidungen getroffen, aber seine besten Transfers waren nicht die nach Gladbach hin, sondern die von Gladbach weg. So hat er mal dem FC Arsenal den Mittelfeldspieler Xhaka für 45 Millionen Euro angedreht, für den Verteidiger Vestergaard hat er dem FC Southampton 25 Millionen abgeknöpft - Summen, die klar über dem lagen, was ein neutrales Rechenprogramm als Marktwert ausspucken würde.

Idealerweise lassen sich mit diesen Einnahmen die Corona-Ausfälle kompensieren und gleichzeitig die Spielerkader ergänzen

Bekanntermaßen kassiert selbst der Tabellenletzte der englischen Premier League aus der TV-Vermarktung mehr (125 Millionen) als der FC Bayern (105 Millionen/Stand Saison 2020/21) oder gar Arminia Bielefeld (34 Millionen), und so hat die Pandemie die Eberl-Logik einstweilen noch logischer gemacht. Selbst der nicht sehr bedürftige FC Bayern hat sich gerade dieser Strategie bedient und sich von Nottingham Forest überraschende zehn Millionen für den Verteidiger Omar Richards überweisen lassen; zuvor hatte der Premier-League-Aufsteiger bereits Union Berlin (20 Millionen für den Stürmer Awoniyi) und Mainz 05 (zehn Millionen für den Verteidiger Niakhaté) großzügig gesponsert.

Für die deutschen Bundesligisten empfiehlt es sich zurzeit mehr denn je, nicht über die Überlegenheit der Engländer zu jammern, sondern einfach deren Geld zu nehmen. Mit diesen Millionen lassen sich im Idealfall die Einnahmeausfälle der Corona-Zeit kompensieren und gleichzeitig die Spielerkader ergänzen, wie nicht nur Union Berlin und Mainz 05 stilbildend vorführen, sondern nun auch der VfL Bochum.

Die Bochumer haben sich kürzlich vom FC Southampton zehn Millionen für ihr Abwehrtalent Armel Bella-Kotchap aufdrängen lassen und damit eine klubinterne Rekordeinnahme erzielt - im Gegenzug haben sie am Sonntag die Verpflichtung eines neuen Abwehrspielers bekannt gegeben. Aufgrund einer Fifa-Sonderregel für Russland kommt der ukrainische Nationalspieler Iwan Ordez von Dynamo Moskau. Ablösefrei.

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