Bundesliga: Trainermarkt:Alleinherrscher zum Kumpeln gesucht

Der Trainermarkt der Bundesliga ist aus den Fugen geraten, weil die Vereine jedem Trend hinterherhecheln. Es ist beruhigend, dass sich Klubs wie der VfL Wolfsburg und der FC Bayern dem widersetzen.

Jürgen Schmieder

Aus aktuellem Anlass ist es nun an der Zeit, den absurdesten Titel der Welt zu entlarven. Es handelt sich dabei mitnichten um die Bezeichnung "Superstar" für den Gewinner von DSDS, obwohl auch er mindestens unter die besten fünf gehört.

Schalke 04 entlaesst Trainer Felix Magath

Denkt mit Genuss an die Zeit in Wolfsburg zurück: Felix Magath.

(Foto: dapd)

Es geht vielmehr um den Titel "Fußballtrainer des Jahres", der schon allein deshalb irreführend ist, weil Medien und Fußballfans mindestens alle drei Monate einen neuen Trainer des Jahres verkünden - allein im Jahr 2010 waren es mindestens vier: Zunächst Jupp Heynckes, danach natürlich Louis van Gaal, auf ihn folgte Thomas Tuchel, und mittlerweile amtiert Jürgen Klopp schon ziemlich lange.

Der Titel ist auch deshalb irreführend, weil sich der Computerhersteller Electronic Arts jedes Mal dazu berufen fühlt, den jeweiligen Trainer auf das Cover der nächsten Simulation von Fußball Manager zu hieven - und der Trainer spätestens bei Erscheinen des Spiels entlassen ist, weshalb mittlerweile vom "Fifa-Fluch" die Rede ist.

Der größte Irrsinn, den dieser Krönung hervorruft, ist allerdings, was die Bundesliga daraus ableitet: Der aktuelle Trainer des Jahres verkörpert mit seinen Qualitäten einen unumstößlichen Trend. Zehn erfolgreiche Partien reichen aus, um die Bundesliga in Aufruhr zu versetzen. Der meistgesagte Satz bei einer Vorstandssitzung dürfte deshalb sein: "Wir brauchen einen wie, na ja, du weißt schon, so einen Typen halt wie den, der da gerade Erfolg hat und von dem alle reden."

Begonnen hat der Irrsinn schon viel früher, doch augenscheinlich wurde es im Jahr 2006, als Jürgen Klinsmann die deutsche Nationalelf mit guter Laune, markigen Sprüchen und viel Glück auf den dritten Platz bei der Weltmeisterschaft führte. Fortan war klar: Ein Trainer muss gute Laune haben, markige Ansprachen halten und viel Glück mitbringen. Weil kein anderer Mensch mit diesen Attributen auf dem Markt war, verpflichtete der FC Bayern im Jahr 2008 den Trendsetter selbst - und entließ ihn neun Monate später.

Deutscher Meister in dieser Spielzeit wurde übrigens der VfL Wolfsburg, der sich auf den Alleinherrscher Felix Magath eingelassen hatte. Alleinherrscher? Prima Sache, dachten sich deshalb einige Bundesligisten. Schalke installierte Magath als Omnipotenz, weil das ja in Wolfsburg so prima funktioniert hatte. Es funktionierte auf Schalke nicht.

Und Wolfsburg? Brauchte einen neuen megamächtigen Mann - und weil Armin Veh, zwei Jahre zuvor "Trainer des Jahres" beim VfB Stuttgart, gerade auf dem Markt war, gaben ihm die Wolfsburger alle Macht - obwohl Veh doch eigentlich nur Trainer sein wollte. Aber Alleinherrscher war damals en vogue in Wolfsburg. Veh wurde mittlerweile nicht nur in Wolfsburg entlassen, sondern auch in Hamburg - und verkündete, nie wieder in der Bundesliga arbeiten zu wollen.

Der verrückte Trainermarkt der Bundesliga

Schalke verpflichtet nun Ralf Rangnick, der einst im Jahr 1998 beim SSV Ulm grandiosen Erfolg hatte, ins Aktuelle Sportstudio eine Taktiktafel mitbrachte und die Verantwortlichen der Bundesligavereine verwundert die Augen reiben ließ: Mensch, ein Trainer, der mal nicht von "Gras fressen" und "120 Prozent" redet, sondern tatsächlich vom Fußballspielen? Prima Sache, das. Plötzlich gab es Begriffe wie "Konzepttrainer", "Fußballprofessor" und "Laptoptrainer" - und jeder Verein wollte so einen haben.

Der eloquente Rangnick war schon einmal Trainer des emotionalen Schalke 04 - und passte damals ungefähr so gut wie Champagner in die Kantine eines Kohlebergwerks. Weil aber Rangnick in der Zwischenzeit in Hoffenheim Erfolg hatte und seinen Ruf als Konzepttrainer, Fußballprofessor und Laptoptrainer festigte und dieser Trainertyp wieder sehr in Mode ist, bekommt er nun eine zweite Chance auf Schalke, wohin er noch immer so gut passt wie Champagner in die Kantine eines Kohlebergwerks.

Interessant wurde es auch, als Louis van Gaal beim FC Bayern in der Rückrunde der vergangenen Saison Erfolg hatte. Plötzlich sprach keiner mehr von herausgespielten Gelegenheiten, sondern davon, dass eine Mannschaft "Chancen kreiert". Van Gaals knorrige Art wurde als konsequent gefeiert, sein Verhalten aufmüpfigen Journalisten und aufmüpfigen Vorstandsmitgliedern gegenüber nicht als respektlos, sondern als längst überfällig begrüßt.

Weil van Gaal nun keinen Erfolg mehr hat, heißen die modernsten Trainermodelle Tuchel und Klopp - junge, hippe, verrückte Typen mit einer Mischung aus Kumpelhaftigkeit und Autorität. Und weil jeder Verein nun gerne einen jungen, hippen, verrückten Typen mit einer Mischung aus Kumpelhaftigkeit und Autorität als Trainer hätte, gelten Thorsten Fink oder Franco Foda als ernstzunehmende Kandidaten.

Er ist aus den Fugen geraten, der Trainermarkt in der Bundesliga, Louis van Gaal sagt: "Die Welt ist verrückt." Die Vereine täten gut daran, nun erst einmal tief Luft zu holen. Jürgen Klopp ist ein formidabler Trainer, doch ist nicht abzusehen, ob er auch beim FC Bayern oder bei Schalke 04 oder beim Hamburger SV Erfolge feiern könnte - wobei der letzte Verein ein wenig aus der Reihe tanzt, weil dort derzeit wohl niemand Erfolg haben könnte. Klopp und Borussia Dortmund haben deshalb völlig zu Recht den Vertrag des Trainers kürzlich bis 2014 verlängert.

Es ist die richtige Entscheidung, nicht jedem Trend zu folgen, der da ausgerufen wird. Sondern sich zurückzulehnen, erfolgreicher Zeiten zu gedenken - und sich vor Augen zu halten, dass nicht jeder Trainer des Jahres zu jedem Verein passt. Wolfsburgs Aufsichtsrats-Chef Francisco Garcia Sanz hat nun Felix Magath als Trainer und Geschäftsführer verpflichtet, weil Felix Magath als Trainer und Geschäftsführer in Wolfsburg prima funktioniert.

Und wahrscheinlich genau deshalb denken die Verantwortlichen des FC Bayern bei der Suche nach einem neuen Trainer nicht an einen jungen, hippen, verrückten Typen mit einer Mischung aus Kumpelhaftigkeit und Autorität - sondern an einen alten Bekannten.

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