Bundesliga:Trainer Weinzierl scheitert am alten Schalke

FC Schalke 04 v 1. FC Koeln - Bundesliga

Markus Weinzierl mit Maskottchen Erwin

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Vier Ligaspiele mit null Ertrag zeigen beim FC Schalke 04 die Dringlichkeit einer neuen Spielidee. Doch vorerst sieht der Trainer Rückfälle in alte Muster.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Der Steigermarsch gehört traditionell zum musikalischen Vorspiel im Schalker Stadion. Das Licht geht aus, Handylichter leuchten, und dann lauscht man andächtig, wenn es heißt: "Glückauf, glückauf / der Steiger kommt." So war das auch am Mittwochabend, als der 1. FC Köln in Gelsenkirchen gastierte, und auch sonst war alles wie gehabt: Am Ende jubelten die Kölner, daran muss man sich in Gelsenkirchen wohl gewöhnen. Zum dritten Mal hintereinander gewann der FC sein Punktspiel auf Schalke, sodass die Gastgeber allmählich überlegen sollten, im Angesicht dieses Gegners dem alten Bergmannslied einen neuen Titel zu geben: Glückauf, der Stöger kommt!

Peter Stöger, 50, ist gewiss nicht zufällig der Schrecken der Schalker. Am Mittwochabend waren es zwar die 13 Kölner Feldspieler sowie Torwart Timo Horn, die 113 Kilometer auf dem Rasen zurücklegten - aber die Regie beim 3:1-Sieg hat unverkennbar der österreichische Trainer geführt. Er hat seine Mannschaft nicht nur mit den richtigen Anweisungen ausgestattet, um den nach drei Niederlagen in der Liga gemütsmäßig angegriffenen Gegner mürbe und müde zu machen. Stöger hat auch im richtigen Moment die richtigen Figuren bewegt, um die Chance zum Sieg zu nutzen.

Mit einem offensiven Wechsel - Angreifer Simon Zoller für Mittelfeldspieler Marco Höger - gab er den Anstoß, um die im 1:1-Remis erstarrte Partie in die wunschgemäße Richtung zu lenken. Vier Minuten später schoss Anthony Modeste das 2:1. Eine Überraschung war das nicht.

Der orthodoxe Kern in der Nordkurve verstummt

Später sah sich Stöger Fragen nach seinem "mutigen" Manöver ausgesetzt, die ein Eigenlob provozierten. Aber auch dies gehört zu seinen erfreulichen Eigenschaften: Auf billigen Ruhm hat er's nicht abgesehen. Kölns Trainer versteht es, die Tatsachen für sich sprechen zu lassen: "Uns war schon klar, dass wir Räume bekommen konnten", teilte Stöger auf seine coole Art mit, "Zoller ist ein guter Spieler, es passte ganz gut zur Spielidee." Mancher Schalker mag zusammengezuckt sein, als er dieses magische Wort vernahm.

Die Einführung und Etablierung einer programmatischen "Spielidee" ist auch das Leitmotiv jenes Auftrags, den Markus Weinzierl im Sommer in Gelsenkirchen angenommen hat. Eine sportliche Identität hatte sich während der vergangenen Jahre durch die ständigen Führungs- und Richtungswechsel allenfalls in Spurenelementen entwickeln können: Schalke lebte - und das immerhin nicht schlecht - von seiner Größe und seinem Nachwuchs. Die Hoffnung der Anhänger, dass der neue Trainer Weinzierl diesen Substanzen nun eine bruchsichere Grundlage geben könnte, sind am Mittwochabend fürs Erste schmerzhaft enttäuscht worden.

Selbst der orthodoxe Kern in der Nordkurve ist zunehmend verstummt, als Schalke in der zweiten Halbzeit einen Rückfall in alte Muster praktizierte: verschleppter Spielaufbau, statisches Angriffsspiel, fatale Kurzschlüsse in der Defensive. Null Punkte nach vier Spieltagen stellen somit nur das eine Problem dar - das an sich schon schlimm genug ist. Das andere besteht in der Erkenntnis, dass sich das Niveau weniger schnell entwickelt hat, als man nach den guten Spielen gegen die Bayern (0:2) und in Nizza (1:0) glauben wollte.

Schlüsselszene durch Osako

Der neue Manager Christian Heidel versuchte eine Erklärung: "Dieses Spiel hatte mit dem, was wir wollen - offensiv hoch verteidigen - nicht viel zu tun. Der Gegner kam ja gar nicht. Uns ist es nicht gelungen, diese massive Defensive auszuhebeln." Nur Nabil Bentaleb erspähte ab und an eine Lücke, etwa beim 1:0 durch Huntelaar, das er mit feinem Pass vorbereitete.

Die Freude über das erste Schalker Saisontor währte aber nur zwei Minuten, dann schoss Yuya Osako das 1:1. Alle Beteiligten - Sieger und Verlierer - sahen in dieser schnellen Kölner Erwiderung die Schlüsselszene für den Spielverlauf.

"Es war nicht alles schlecht, aber das Entscheidende haben wir falsch gemacht", stellte Weinzierl fest. Der Trainer hält keine komplexen Vorträge, wenn er Niederlagen zu erklären hat, in knappen Sätzen skizziert er die Mängel. Vor dem 1:1 sei "der Einwurf schlecht verteidigt" worden, beim 1:2 habe man den Flankengeber Rausch nicht gestört und den Torschützen Modeste allein gelassen. Wahrscheinlich verzichtete der Coach nur deshalb darauf, die Beschuldigten zu benennen, weil es so viele waren (unter anderen Riether, Geis, Naldo). Angesprochen auf Huntelaars Großchance zum 2:2 hatte Weinzierl hingegen keine Scheu, dem Problem den Namen zu geben: "Embolo soll ihn einfach reinmachen", befand er recht barsch - Breel Embolo hatte die Verantwortung an Sturmpartner Huntelaar weitergereicht, obwohl er in besserer Abschluss-Position war. "So ein Spiel wird in Details entschieden, offensiv wie defensiv", resümierte Weinzierl.

Höwedes macht Mut

An den Formalitäten der Öffentlichkeitsarbeit, die sich aus dem misslungenen Saisonstart ergeben, kamen die Schalker Verantwortlichen nicht vorbei. Heidel wusste, welche Äußerungen geboten waren. Dass sich "diesen Start keiner gewünscht" habe, sagte er, und dass dies "nicht schönzureden" sei. Aber dass Weinzierl, die Spieler oder der Fußballgott jetzt "liefern" müssten, das sagte Heidel schlauerweise nicht. Noch ist es bloß Enttäuschung, noch eint das Volk die Hoffnung auf ein neues Schalke, noch muss man keine Ziele preisgeben.

Kapitän Benedikt Höwedes zog dazu die Historie heran. Mönchengladbach, im vorigen Jahr mit fünf Niederlagen gestartet und heute trotzdem in der Champions League, "hat uns gezeigt, dass man den Bock umstoßen kann". Spätestens beim Rückspiel in Köln wird man mehr wissen. Dann steht der zuletzt so unumstößliche Geißbock Hennes VIII. am Rasenrand.

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