Bundesliga: Trainer:Rubbeldiekatz mit Gegenpressing

Am Ende einer wilden Bundesliga-Saison steht das Fazit: Der ideale Trainer braucht mehr als ein Konzept - so wie Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel. Kollegen wie Ralf Rangnick garantiert dieser Trend jedoch noch lange keinen Erfolg.

Moritz Kielbassa

Das Gesamtpaket hat einen Namen, das Paket heißt: Jürgen Klopp. Dortmunds Meistermacher, so wirkt es zumindest in diesen Monaten des schwarz-gelben Rausches, weiß, hat und kann, was ein Trainer wissen, haben und können muss, um zeitgemäß zu sein im Profifußball. In einem komplizierten Gewerbe, in dem viele Fähigkeiten gefragt sind: fachliche und menschliche, instinktive und intellektuelle. Und komödiantische.

Borussia Dortmund v FSV Mainz 05 - Bundesliga

Vorreiter der Trainerzunft: Jürgen Klopp (links) und Thomas Tuchel.

(Foto: Joern Pollex/Getty)

Vom "Gesamtpaket " eines Trainers, das stimmen muss, spricht gerne DFB-Sportdirektor Matthias Sammer. Viele Vereine erweckten in der bis dato wildesten Saison in 48Jahren Bundesliga jedoch den Eindruck, als wüssten sie gar nicht, welchen Typ Trainer sie wollen. Ihre Devise: Versuch und Irrtum, der Nächste bitte!

Klopp? Vermittelt im Paket, wie man mit Gegenpressing und guten Laufwegen Spiele gewinnt. Hat im Umgang mit jungen Männern, respektive Kindsköpfen, ein Gespür für den Einsatz von Spaß und Strenge, von Führung und Freiheit, von Ruhe - und Emotion, die er manchmal bis ins Wahnsinnige steigert, weswegen ihn die Poeten von Bild schon mal in die "Kloppsmühle" schickten. Und er spielt locker mit den Medien, ohne salbungsvoll darüber zu dozieren, wie er arbeitet.

Bei der Meisterfete sang Klopp "Rubbeldiekatz am Borsigplatz", mit dieser Nummer kann er beim nächsten Eurovisions-Contest in Aserbaidschan antreten. Leider fehlen ihm ein paar Zentimeter zu Lenas Wespentaille, wie Bilder aus der Kabine zeigten: "Da sieht wieder jeder meine Plauze", merkte Klopp, "ich muss sagen: Das sieht scheiße aus!"

Auch Selbstironie hilft in einer viel zu ernst gewordenen Branche. Der Mut zum offensiven Gebrauch von Humor hebt Klopp noch heraus aus der Gruppe der sogenannten Konzepttrainer - ein scheußliches Wort für moderne Fußballlehrer, die ohne Trillerpfeife und Zampano-Gebaren auskommen. Sie servieren ihren Spielern keine Medizinbälle zum Frühstück, sondern Pläne zur Spielorganisation. Sie sind sozialkompetent, können gut reden, lehren Fußball als jugendlichen Teamgeist-Sport und verzichten auf aussterbende Führungsspieler. Sie verkörpern Selbstbewusstsein ohne Kampfparolen und übergroßen Geltungsdrang.

2010/11, dieses Fazit steht, war ihre Saison. Im Sog ihrer Artgenossen Klopp und Joachim Löw bewiesen diese Trainer, dass mit Forschung und Methodik auch kleinere Klubs ein Niveau erreichen können, mit dem sie die Budget-Tabelle der Liga auf den Kopf stellen.

Mirko Slomka, vor der Saison Wettfavorit für die erste Entlassung, führte das mittelmäßige Hannover 96 mit Fitness und formvollendeten Kontern auf Platz vier. Thomas Tuchel stürmte anfangs mit Mainz an die Spitze. Seine Matchpläne waren zwar keine Weltneuheit, das hat er auch nie behauptet. Doch als der Hype in den Medien entlüftet war, Tuchels Tüfteleien wieder zu normalen Ergebnissen führten und er selbst offenbarte, dass er schlecht verlieren kann - da blieb immer noch genug Qualität übrig für den Einzug in den Europacup.

Der stocknüchterne Dieter Hecking überraschte mit Nürnberg. Robin Dutt coachte Freiburg sachlich ans absolute Limit. Marco Kurz, Neuling in der ersten Liga, lenkte Kaiserslautern, das preiswerteste Ligateam, emotional und doch so seelenruhig, dass es fast keiner bemerkte: auf Platz sieben.

Auch der FC Bayern fand erst Frieden, als der unprätentiöse Andries Jonker kam. Eine weitere Schlusspointe: Der akribische Schweizer Lucien Favre erweckte klinisch tote Gladbacher, ganz ohne schwarze Magie, und entzauberte den Mythos des Feuerwehrmanns im Abstiegskampf. Beim Blick über die Grenzen fallen einem zwei junge deutsche Erfolgstrainer auf, die stilistisch zu den Dutts und Tuchels passen: Erster in Österreich ist Franco Foda (Graz), Erster in der Schweiz Thorsten Fink (Basel).

Dieser Trend aber garantiert mitnichten, dass Favre in der bevorstehenden Relegation Bochums Friedhelm Funkel besiegt, den Stammvater aller Retro-Trainer, die auch Konzepte haben, nur andere. Auch Ralf Rangnick, der noch titellose Stammvater aller Konzepttrainer, hat den Pokalsieg mit Schalke gegen den Duisburger Retro-Kollegen Sasic keineswegs sicher.

Denn mit Trends und Moden muss man vorsichtig sein im Trainergeschäft. In einer Saison der Jungen brachte Jupp Heynckes, 66, mit respektabler Arbeitsweise Leverkusen in die Champions League. Und 2012 könnten, wie 2010 wegen Louis van Gaal und Felix Magath, auch schon wieder Loblieder auf autoritäre Trainer erklingen. Sammer würde hinzufügen: Moderne Lehre schön und gut, aber auch altdeutsche Werte wie unbeugsamer Siegeswille zählen.

Keine Garantie für Rangnick

Erfolg von Dauer haben im Zeitalter der digitalisierten Gegner-Durchleuchtung vor allem Trainer, die ihr taktisches Repertoire und ihr Personal erweitern, wie Klopp beim BVB - und nicht nur einen Weg radikalisieren, wie van Gaal in München. Manche Konzepte und listige Außenseiter-Strategien lassen sich auch nicht einfach von Verein A zu Verein B verpflanzen.

Zudem fällt auf, dass gerade fachlich fähigen Trainern im Gesamtpaket oft eine wichtige Eigenschaft abgeht. Frank Schaefer erhielt viel Lob für sein Krisenmanagement beim 1.FC Köln, doch er lernte das Profimetier an einem sehr aufgeregten Standort von Seiten kennen, die er seelisch schwer ertrug. Marco Pezzaiuoli erfuhr in Hoffenheim mangels Ausstrahlung, dass in der Bundesliga großes Fachwissen allein nicht ausreicht, um Respekt zu erlangen.

So wird auch die neue Saison gewiss wieder spannend: Wie kommt Klopp unter deutlich erschwerten Bedingungen zurecht? Hat ein Schöngeist wie Dutt neben pflegeleichten Freiburgern auch Leverkusener Größen wie Ballack im Griff? Und wie geht es weiter mit den prominenten Verlierern dieser Saison?

Christoph Daum, vor 20 Jahren ein innovativer Trainer, wirkt nun - natürlich ergebnisabhängig - mit seiner ewigen Großspurigkeit und den Psycho-Parolen aus der Zeit gefallen. Sein Abstieg mit Frankfurt wurde auch in Stuttgart beobachtet, wo sie winters debattiert hatten, auf wen sie in trostloser Lage setzen sollen: auf Daums Guru-Aura oder Labbadia, den Jungdynamiker? Der VfB entschied richtig.

Magath hat mit Guru-Aura Wolfsburg gerettet, doch auch er büßte zuletzt einiges von der Faszination des Sonderlings ein. Sein auf Gehorsam und schwarze Ironie gebautes Regime ist zwar einer von tausend Wegen zum Erfolg im Fußball - aber auffällig oft: nur am Anfang.

Verpönt ist im Gesamtpaket inzwischen die alte Trainer-Masche, Schuld an Niederlagen weiterzureichen, Erfolge aber persönlich zu verbuchen. Dieser Wesenszug war mit ein Grund dafür, warum die Trainer des Jahres 2009 (Magath) und 2010 (van Gaal) 2011 nicht gut aussahen. Abgesehen davon, dass sie schlechter singen als Jürgen Klopp.

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