Bundesliga: Toni Kroos:Auf einmal Spielgestalter

Heynckes will ihn behalten, Hoeneß will ihn zurück: Die Leistungen des nach Leverkusen ausgeliehenen Bayern-Spielers Toni Kroos führen zu Diskussionen.

Philipp Selldorf

Auf das Bleiben von Tranquillo Barnetta, 24, mochte im Sommer kein Klubverantwortlicher von Bayer Leverkusen eine anständige Wette eingehen. Schon in den guten und besseren Tagen hatte der Schweizer seine exzentrisch anmutende Vorliebe für die italienische Serie A geäußert, und nachdem ihn Bruno Labbadia während der vergangenen Saison öfter auf die Bank gesetzt hatte, schien die Trennung mehr oder weniger unvermeidlich zu sein. Er sei nun lang genug in Leverkusen gewesen, der Wechsel in eine andere Liga würde ihm "wohl guttun", befand Barnetta im Mai in einer Schweizer Zeitung. So richtig bekümmert hat das damals niemanden in der kleinen rheinischen Stadt, Bayer hatte andere und größere Sorgen, unter anderem mit Barnettas Peiniger Labbadia.

Bundesliga: Toni Kroos: Toni Kroos im Trikot seines aktuellen Arbeitgebers Bayer Leverkusen. Bald muss er wohl nach München zurück.

Toni Kroos im Trikot seines aktuellen Arbeitgebers Bayer Leverkusen. Bald muss er wohl nach München zurück.

(Foto: Foto: Getty)

Diese Zeiten der Entzweiung liegen mittlerweile so weit zurück, als ob es sie nie gegeben hätte. Am Donnerstag gab der Klub bekannt, dass Barnetta seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag bis 2012 verlängert habe, was besonders Labbadias Nachfolger große Freude bereitet. Jupp Heynckes findet, dass der Flügelspieler aus St. Gallen "ein richtig guter Typ ist", außerdem hält er ihn für einen wertvollen Mitarbeiter: "Im Fußball heutiger Tage braucht man Spieler wie Tranquillo Barnetta oder Renato Augusto, die mit ihren Tempodribblings Lücken reißen", sagt der Trainer und lobt seinen Arbeitgeber: "Der Klub hat rechtzeitig und klug gehandelt."

Vorausschauendes Planen gehört zu den besten Tugenden des Klubs, und auch Heynckes möchte dazu seinen Einfluss geltend machen. Wie er jetzt berichtete, hat er deswegen seinem Freund Uli Hoeneß eine E-Mail geschrieben, es ging darin um Toni Kroos, der seit Januar als Münchner Leihgabe in Leverkusen spielt. Nachdem Kroos am vorigen Wochenende beim 2:2 in Schalke sein wahrscheinlich bestes Spiel als Profi bestritten hatte, hatte Hoeneß anfangs der Woche auf vielfältiges Befragen erwidert, das im Sommer auslaufende Leihgeschäft vertragsgemäß abschließen zu wollen, im Juli werde sich Kroos wieder auf dem Trainingsplatz der Bayern einfinden müssen.

Bemühungen um eine Aufenthaltsverlängerung im Rheinland könnten sich die Leverkusener sparen. Heynckes findet es wohl ein bisschen übertrieben, dass die Debatte gleich derart rigorose Züge angenommen hat. "Jetzt hat der Junge zwei halbwegs gute Spiele gemacht - und schon werden wir alle nervös", witzelt er. Nun will er im Austausch mit Hoeneß wenigstens noch erreichen, "dass wir uns zusammensetzen, um über das Ausbildungshonorar meines Trainerteams zu reden".

Das war natürlich ein Scherz, ebenso wohl wie die Mitteilung von der E-Mail an den Bayern-Manager, bekanntlich lehnt Hoeneß solche teuflischen Methoden neumodischer Kommunikation ab. Aber die Nachricht enthielt trotzdem einen wahren Kern, denn Heynckes meint, dass allen Seiten damit gedient wäre, wenn Kroos seine Lehre in Leverkusen ausdehnen würde. "Der Junge wäre gut beraten, wenn er noch ein Jahr bleiben würde", findet der Trainer, "dann wäre die Ausbildungszeit abgeschlossen und er könnte ein guter Bundesligaspieler werden." Der Betroffene hält seine Ansicht zurück: "Ich habe meine Meinung, die ich aber nicht äußern werde", sagt er. Er weiß ja, dass die Lage bei den Bayern unübersichtlich ist. Aber dass sein Wechsel nach Leverkusen richtig war, daran lässt er keinen Zweifel.

Kroos ist zwar ein ganz anderer Spielertyp als der energisch vorwärtstreibende Flügelmann Barnetta, aber auch er hat Fähigkeiten, die einer angreifenden Mannschaft im modernen Erstmal-hinten-gut-stehen-Kompaktfußball hilfreich sind. Er kann Pässe spielen, die Räume und manchmal sogar Horizonte öffnen; er hat die technischen Fertigkeiten für das feinsinnige Kurzpass-Spiel; und er hat einen präzisen, harten Schuss, der Torhüter in Schrecken versetzt, wie es vorige Woche Schalkes Manuel Neuer erfahren musste.

Das Problem ist nur, dass diese Fähigkeiten zwar erwiesen, aber nur sporadisch zu sehen sind. Die jüngsten Partien der Leverkusener ließen tief blicken ins Spielerprofil: Gegen Dortmund (1:1) tändelte Kroos im Tempo der frühen Siebziger Jahre durchs Mittelfeld, und seine Ballbehauptung in den Gegnerduellen war, ehrlich gesagt, jämmerlich; eine Woche später in Schalke war er auf einmal ein kraftvoller und resoluter Zweikämpfer, und Bayer hatte in ihm einen effektiven Spielgestalter.

"Aber daran arbeiten wir ja seit Saisonbeginn", sagt Jupp Heynckes, "dass er mit der gleichen Aggressivität, Einstellung und Motivation spielt wie zum Beispiel auf Schalke." Vorhersagen für Kroos' Auftritt gegen Frankfurt am Freitag verbieten sich daher. Sicher ist nur, dass Bayer das Spiel vorsichtshalber in die Offensive verlagern sollte, denn ins Tor muss Heynckes diesmal den 19-jährigen Nachwuchsmann Fabian Giefer stellen. Nationalkeeper René Adler ist wegen einer Augenentzündung krankgeschrieben.

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