Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Nur Masochisten freuen sich auf diese Kellerduelle

Der Abstiegskampf ist kein Schneckenrennen, das würde Schnecken beleidigen. Die Spiele sind nur schwer erträglich - und haben etwas von Katastrophentourismus.

Kommentar von Milan Pavlovic

Am Freitagabend dürften einige Fußball-Beobachter mit Stift, Blatt und Taschenrechner bewaffnet das Restprogramm der Bundesliga durchgegangen sein. Sollten sie dem FC Schalke 04 nahestehen, dürfte danach mindestens so viel Angstschweiß geflossen sein wie in den 95 Minuten während des unerquicklichen Auftritts der Knappen in Nürnberg. Fünf Spiele dauert die Tortur noch, und viele Punkte dürften beim Zweiten der Vorsaison nicht mehr dazu kommen; wenn überhaupt. Denn drei der letzten fünf Gegner (Hoffenheim, Dortmund, Leverkusen) dürften derzeit mindestens eine Klasse zu groß sein, und angesichts des zerfetzten Nervenkostüms der Spieler und der Tatsache, dass von 14 Heimspielen neun verloren gingen, wirken die Aufgaben gegen die direkten Konkurrenten Augsburg und Stuttgart wie Ansetzungen eines hemmungslosen Sadisten.

Deshalb lautet die logische Frage nach einer Nullpunkte-Hochrechnung: Reichen 27 Punkte vielleicht tatsächlich zum ersten Mal, um die Klasse direkt zu erhalten? Und die kuriose Antwort heißt: Kann gut sein.

Der Abstiegskampf lässt sich in diesem Jahr nicht mit einem Schneckenrennen vergleichen, das würde Schnecken beleidigen. Man sieht eher Sprintern zu, die an den Startblöcken festgekettet sind. Das hat mehrere Gründe. Einer dürfte psychologisch begründet sein: Vier der letzten fünf Teams weigerten sich lange zu glauben, dass sie da unten hingehören. (Nürnberg ist die einzige Ausnahme.) Wenn man sieht, wie etepetete sich Schalker Spieler wie Bentaleb, Sané oder Rudy bewegen, dann hat man bisweilen den Eindruck, dass sie sich immer noch als Champions-League-Teilnehmer betrachten. Hybris lähmt die Nerven und die Füße.

Und damit sind sie nicht allein. Stuttgart hatte vor Saisonbeginn den internationalen Wettbewerb als Ziel ausgegeben, mindestens; Hannover hatte ähnlich luftige Ambitionen. Und auch Augsburg träumte von einstelligen Tabellenrängen.

Den Abstiegskandidaten zuzusehen, hat etwas von Katastrophentourismus

Aber dann blieben die Siege aus, dreisterweise weigerten sich die designierten Kellerkinder aus Düsseldorf, Mainz und Freiburg, ihre Rollen einzunehmen, und so wurden sie von einem Quintett ersetzt, von dem zuletzt nur Nürnberg eine Art Positivlauf schaffte (drei Spiele ohne Niederlage). Der Rest ist schwer erträglich und erfolgsarm. Augsburg, Schalke, Stuttgart, Nürnberg und Hannover haben seit dem 19. Spieltag insgesamt acht Partien gewonnen - genau so viele wie RB Leipzig im gleichen Zeitraum.

Den fünf Abstiegskandidaten zuzusehen, hat oft etwas von Katastrophentourismus. Klagen führender Masochistenverbände, Nürnberg hätte am Freitag gegen Schalke 04 viel zu gut Fußball gespielt, wurden mit dem Einwand abgeschmettert, die Gäste hätten dafür aber doppelt schlecht gespielt. Es wird nicht der letzte Anschlag auf den Qualitätsfußball gewesen sein. Schon am nächsten Wochenende erwartet Augsburg den Tabellennachbarn Stuttgart. Masochisten sehen dem Event mit Freude entgegen.

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Quelle:
SZ vom 14.04.2019/vit
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