Spitze der Bundesliga:Die Tabelle ist eine Diva

Normalerweise erobern die Platzhirsche im Spätherbst die angestammten vorderen Ränge. Aber jetzt liegen sechs Klubs vor dem FC Bayern, darunter der unergründliche SC Freiburg.

Kommentar von Carsten Scheele

Zu Beginn einer Saison zeigt die Bundesliga-Tabelle manchmal, was für eine Diva in ihr steckt. Wenn noch nicht so viele Spieltage absolviert sind, können oben plötzlich Mannschaften auftauchen, die dort selten anzutreffen sind - mit der Zeit, spätestens im November oder Dezember, relativiert sich einiges, wenn die bayerisch-westfälischen Platzhirsche ihr angestammtes Revier einnehmen.

Diese Fußballtabelle, also die aktuelle, wird dagegen immer divenhafter, je näher der Jahreswechsel rückt. Gladbach? Ist immer noch Erster, vor Leipzig. Die tollen Freiburger? Brechen nicht ein, stehen auf Rang fünf! Und Borussia Dortmund, das in der öffentlichen Wahrnehmung in der schwersten sportlichen Krise steckt und über die fußballerische Identität sowie die Fähigkeiten von Trainer Lucien Favre debattiert, ist plötzlich wieder Dritter.

Den größten Widerspruch vereinen freilich die Bayern auf sich. Die wurden in den vergangenen Tagen viel häufiger gelobt als kritisiert - unter anderem, weil der Trainer nun Flick heißt und der umgängliche Hansi die Mannschaft besser versteht als sein Vorgänger Niko Kovac. Weil Tottenham in der Champions League historisch 7:2 weggefieselt wurde, die Bayern in vier Pflichtspielen vier Siege mit 16:0 Toren aneinander reihten. Und sich mittlerweile sogar eine Zukunft mit dem ehemaligen Bundestrainer-Assistenten vorstellen können.

Vor einem Jahr waren die Münchner mit 27 Punkten Dritter

Da wirkt der Blick auf die Tabelle wie ein Zerrbild. Siebter sind die Bayern, nach den ersten beiden Niederlagen unter Flick, sieben Punkte hinter Gladbach, das sich allmählich die Frage stellen muss, wo es in dieser Saison tatsächlich hin will. Aber auch hinter Schalke, Freiburg, Leverkusen. Schon im vergangenen Jahr rettete der Serienmeister aus München den Titel erst im Schlussspurt, nun ist die Lage nochmal dramatischer. Am 14. Spieltag der Vorsaison preschte zwar Dortmund vorneweg, die Münchner befanden sich als Dritter aber einigermaßen im Soll.

Der Widerspruch wird größer, wenn man mit einbezieht, dass die Münchner ja trotzdem beweisen, dass sie nach wie vor den besten Fußball der Liga spielen können. Schon gegen Leverkusen erspielten sie sich Chance um Chance, trafen aber vor allem Pfosten, Latte, Innenpfosten - und Torwart Lukas Hradecky. So viel unkalkulierbares Pech, das werde in dieser Saison nicht mehr vorkommen, sagten sich die Bayern. Denkste: Die von Thomas Müller angesprochene "zuvor nie dagewesene Ineffizienz" vor dem Tor hatte auch gegen Gladbach Bestand. Zur Pause hätten die Bayern durch Müller und Robert Lewandowski 3:0 (oder höher) führen müssen.

So haben die Münchner nur zwei Spiele gebraucht, um ihre Not, die ohnehin schon groß war, noch einmal zu verschlimmern. Es lag nicht an dem einen Spieler, aber es ist auffällig, dass die Bayern nicht mehr gewinnen, seit Lewandowski nicht mehr trifft. Die allgemein grassierende Divenhaftigkeit hat auch den Münchner Stürmer gepackt, dem sie vor wenigen Wochen noch die Einstellung der alten Gerd-Müller-Rekorde in Aussicht gestellt haben. Da ein Antrag auf Vorverlegung der Winterpause wenig Aussicht auf Erfolg verspricht, bleibt den Bayern nur, sich in eben diese zu retten. Und Lewandowski stark zu reden, in der Hoffnung, dass dieser die Schwächen in gewohnter Manier wieder kaschiert.

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