Süddeutsche Zeitung

Bundesliga: Stuttgart - Köln:Schmerzliche alte Weisheit

Der VfB Stuttgart lässt Chancen ungenutzt - und unterliegt dem 1. FC Köln, weil der Schiedsrichter in einer strittigen Situation gegen die Schwaben entscheidet. Im zweiten Spiel ergeht es St. Pauli gegen Wolfsburg ähnlich.

Als der VfB Stuttgart zum letzten Mal gegen den 1.FC Köln gewann, wurden die Schwaben von einem gerade beförderten Assistenzcoach trainiert. Es war der 8. September 1996, der Trainer hieß Joachim Löw. Seitdem haben die Schwaben viel erlebt, sie haben mehr Trainer kommen und gehen sehen, als man zählen kann. Nur auf eine Konstante hat sich diese lustvoll inkonstante Mannschaft in all den Jahren verlassen können: dass es kein schöner Tag wird, wenn die Kölner kommen.

Auch diesmal machte den Schwaben dieses Spiel keinen Spaß. Trotz zahlreicher Chancen unterlagen die Stuttgarter am Ende 0:1 - womit sie sich nun endgültig auf den Abstiegskampf einstellen müssen.

Auch ohne die statistische Vorgeschichte war dieses Spiel mit Spannung erwartet worden. In Stuttgart und Köln haben sie dieses Aufeinandertreffen als Richtungsduell begriffen: Für die Stuttgarter ging es darum herauszufinden, ob sie nach der üblichen herbstlichen Trainer-Entlassung tatsächlich dabei sind, ihren üblichen Sieges-Lauf zu entwickeln; und die Kölner wollten prüfen, was die mit Turbulenzen überstandene Mitgliederversammlung für die Verfassung der Mannschaft zu bedeuten hatte.

Kölns Trainer Frank Schaefer hatte sich für eine Rückkehr des umstrittenen Torwarts Faryd Mondragon entschieden. "Bei der Organisation auf dem Platz wird uns Faryd sicher weiterhelfen", hatte Schaefer vor dem Spiel gesagt - eine Untertreibung, wie sich erweisen sollte. Zwar stellten sich die Kölner selbstbewusst in Stuttgart vor, dennoch mussten sie zunächst mehrmals die Hilfe des Altmeisters in Anspruch nehmen. In der dritten Minute begann er seine Paradenshow gegen den agilen Gebhart, wenig später rettete er gegen Cacau (11. Minute), den Gebhart und Marica freigespielt hatten.

Später war Mondragon erneut gegen Gebhart (31.) und Cacau (36.) gefordert, und zweimal durfte er auch das Glück des Tüchtigen bemühen, als er Schüssen von Marica (32.) und Träsch (35.) zusah, wie sie knapp am Tor vorbeistrichen.

In dieser Phase hielt Mondragon die Kölner im Spiel, zuvor allerdings hätte sein FC durchaus in Führung liegen können. Auch Schaefers zweite personelle Maßnahme - die Positionierung Lukas Podolskis auf dem linken Flügel - erwies sich als belebend; mit schnellen Vorstößen enttarnte er mehrmals bedenkliche Schwächen in der Stuttgarter Defensive. Petits Schusschance (6.) ging ebenso auf eine Vorarbeit von Podolski zurück wie der Kopfball (9.) und der Schuss (34.) des ehemaligen Stuttgarters Martin Lanig, der sich aber zu viel vorgenommen hatte gegen seinen alten Klub.

Zweimal rauschte er Christian Träsch in die Parade, was ihm erst eine gelbe Karte und dann eine Rüge des Schiedsrichters eintrug. Sicherheitshalber nahm Schaefer den Heißsporn zur Pause aus dem Spiel.

Auch nach der Pause blieb es ein munteres Spiel mit zahlreichen Chancen, aber die Fehlerquote war auf dem regennassem Rasen mindestens ebenso hoch wie der Einsatz beider Teams. Dem Spiel fehlte weiterhin eine klare Struktur: War Podolski am Ball, sah's gut aus für Köln, geriet das Leder zu Gebhart, drängte der VfB. Mit zunehmender Spieldauer setzten sich die Stuttgarter immer mehr in der Kölner Hälfte fest, aber es fehlte der zündende Pass, die zündende Idee. Am Ende entwickelte sich gar eine Art Powerplay, die eingewechselten Pogrebnjak und Harnik wirbelten Köln mächtig durcheinander, was in Pogrebnjaks Pfostenschuss gipfelte (78.).

Wer solche Chancen nicht nutzt... - wenig später wurden die Stuttgarter schmerzlich an diese alte Weisheit erinnert, als Podolski die Kölner per Elfmeter (Niedermeier hatte Novakovic gefoult) überraschend in Führung brachte. Vorausgegangen war einer der seltenen Konter.

FC St. Pauli hat den ersten Sieg seit fünf Bundesligaspielen verschenkt und die Riesenchance verpasst, sich mit einem Dreier etwas Luft zu den Abstiegsplätzen zu verschaffen. Gegen den erschreckend schwachen Ex-Meister VfL Wolfsburg kamen die Hamburger in einer über weite Strecken einseitigen Partie nur zu einem unbefriedigenden 1:1 (1: 0).

Immerhin verbuchten die Kiezkicker den ersten Punkt nach zuvor vier Niederlagen in Folge. Aber auch das Gäste-Team von Trainer Steve McClaren, das nur eines der letzten sieben Ligaspiele gewinnen konnte, den erhofften Befreiungsschlag. Vor 24.150 Zuschauern im Millerntor-Stadion sorgte Markus Thorandt in der 28. Minute für die Führung der Platzherren, die vor der Pause aber zahlreiche weitere Chancen ungenutzt ließen.

Wolfsburgs Torjäger Edin Dzeko erzielte mit seinem neunten Saisontor in der 54. Minute den Ausgleich. In den ersten 45 Minuten war von den Gästen allerdings nicht viel zu sehen. Dagegen agierten die Kiezkicker von Beginn an couragiert und mutig nach vorne und erarbeiteten sich so schnell zahlreiche Chancen. Schon in der 3. Minute hätte es 1:0 für die Platzherren stehen können, doch Marius Ebbers' Kopfball nach Vorlage von Max Kruse traf nur die Querlatte. Weitere Chancen von Thorandt (3.) und Kruse (22.) verpufften ebenfalls.

Die engagierte Offensivleistung der Gastgeber wurde nach einer knappen halben Stunde schließlich doch belohnt, als sich Abwehrspieler Thorandt nach einer Ecke von Kruse am Fünfmeterraum der Gäste durchsetzte und den Ball ins Netz köpfte. Bis zur Pause hätten ein Freistoß von Bastian Oczipka (34.) sowie weitere Gelegenheiten von Matthias Lehmann (37.), Kruse (42.) und Fabian Boll (45.) ohne weiteres für eine höhere St. Pauli-Führung sorgen können. Auf der anderen Seite kamen die zunächst Gäste kaum zu nennenswerten Angriffsaktionen.

Gegen die stabile Abwehr der St. Paulianer war für die ideenlosen Wolfsburger Angriffe kein Durchkommen, die wenigen Gegenstöße liefen meist ins Leere. Zwar hatten die Gastgeber auch nach dem Seitenwechsel ein Chancenplus, den Weg ins Tor fand jedoch der VfL.

Ein Abschlag von Torwart Diego Benaglio kam über Spielmacher Diego zu Dzeko, der sich die Möglichkeit mit einem Schuss aus zehn Metern nicht nehmen ließ. Auch danach ging weiterhin mehr Gefahr von den Hamburgern aus, die jedoch im Abschluss letztlich zu ungenau waren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1026546
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.11.2010/jüsc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.