Bundesliga: Stuttgart - Hamburg:Die Meistermacher

Der VfB Stuttgart gewinnt gegen den Hamburger SV durch ein Tor von Mario Gomez in der 91. Minute - und kann nun nicht den HSV, Wolfsburg oder den FC Bayern, sondern sich selbst zum Meister machen.

Jürgen Schmieder

Markus Babbel wollte nicht mehr aufhören zu hüpfen, wie ein Gummiball sprang er an der Seitenlinie auf und ab. Er knuddelte jeden, der in Knuddel-Reichweite stand und klatschte alles ab, was eine Hand und fünf Finger hatte. Es war die 91. Minute in diesem Spiel, Mario Gomez hatte gerade den 1:0-Siegtreffer im Spitzenspiel gegen den HSV erzielt.

Bundesliga: Mario Gomez

Mario Gomez im Duell mit Jerome Boateng: Später erzielte der Stuttgarter den 1:0-Siegtreffer.

(Foto: Foto: ddp)

Es ging um viel in diesem Spiel, zumal der VfB Stuttgart mit Spielen gegen die Topteams Hamburger SV, VfL Wolfsburg und FC Bayern als Meistermacher gilt und aufgrund der formidablen Auftritte in den vergangenen Woche gar noch sich selbst zum Meister machen kann. "Solange Ziele realistisch möglich sind, will ich sie auch erreichen", sagte Trainer Markus Babbel vor dieser Begegnung. HSV-Trainer Martin Jol ergänzte: "Stuttgart gehört zu den Mannschaften, die noch um den Titel spielen. Der Rückstand zur Spitze ist nicht besonders groß."

Der Hamburger SV reiste mit der Empfehlung von fünf Siegen (drei in der Bundesliga, zwei im Uefa-Cup) nach Stuttgart und traf auf eine Mannschaft, die im Gottlieb-Daimler-Stadion seit dem 1. November vergangenen Jahres nicht mehr verloren hat.

Die Hamburger hatten die Chance, zumindest nach Punkten wieder gleichzuziehen mit Tabellenführer VfL Wolfsburg und weiterhin die Gelegenheit auf drei Titel in dieser Saison zu haben. "Wenn wir in Stuttgart punkten sollten, dann wäre das eine herrliche Woche", sagte Jol vor dem Spiel.

Es war in der ersten Halbzeit ein munteres und interessantes Fußballspiel, was vor allem daran lag, dass beide Mannschaft nicht bedacht waren, keinen Fehler zu machen - sondern den Gegner durch schnelles und sicheres Spiel zu Fehlern zu zwingen. Weil die Stuttgarter in den ersten Minuten noch ein wenig schneller und sicherer spielten als ihre Gegner, hatten sie auch die ersten Gelegenheiten.

Mario Gomez verzog einen Schuss aus spitzem Winkel nur knapp (5.), Thomas Hitzlsperger scheiterte mit einem Schuss aus 17 Metern an Frank Rost (12.), nach einem Gewühl im Strafraum konnte Timo Gebhart den Ball nicht ins Tor schieben (15.). Gebhart hätte in der zehnten Spielminute den Führungstreffer erzielt, wäre nicht die Hand des Hamburgers Jerome Boateng im Weg gewesen - was Schiedsrichter Wolfgang Stark jedoch als unabsichtlich wertete und weiterspielen ließ. Martin Lanig dribbelte sich in der 41. Spielminute durch die komplette Hamburger Defensive, vergaß jedoch, dass man zum Toreschießen auch aufs Tor schießen muss.

Die Hamburger verschoben in der Defensive geschickt und schalteten nach Ballgewinn schnell um. Meist kam der Ball zu Stürmer Ivica Olic, der legte hinaus auf den nacheilenden Außenspieler Marcell Jansen, der dann entweder in den Straumraum flankte oder auf die zentralen Spieler Piotr Trochowski und Paolo Guerrero legte. Aus diesen Spielzügen gab es immer wieder Schussgelegenheiten für Guerrero (11.) und Trochowski (21.). Kurz vor der Pause wurde Olic schön von Trochowski freigespielt, er traf jedoch nur die Latte.

In der zweiten Halbzeit dann erkannten beide Mannschaften, dass wohl das Team verlieren würde, das den ersten Fehler macht - weshalb diese Spielhälfte wie eine Zeitlupen-Variante des ersten Durchgangs wirkte. Dieses Szenario indes kam eher dem HSV zugute, der in dieser Saison bereits zwölf Spiele mit nur einem Tor Unterschied gewinnen konnte und dessen Auftritte an den AC Mailand der achtziger und den FC Bayern der neunziger Jahre erinnern: fehlerfreier Fußball und das Erzielen der Tore zum günstigsten aller Zeitpunkte.

Der VfB Stuttgart versuchte zwar weiterhin, diese Partie zu dominieren, die Kreativität in der Offensive erinnerte jedoch an den VfB Stuttgart unter Giovanni Trapattoni vor einigen Jahren - dabei ergaben sueddeutsche.de-Recherchen, dass an diesem Tag nicht Trapattoni an der Linie stand, sondern Markus Babbel. Dies wurde spätestens dann klar, als der Trainer nicht Bouhlarouz und Boka einwechselte, um ein 0:0 zu halten, sondern die Offensivkräfte Jan Simak und Julian Schieber.

Der HSV wiederum spielte zwar wie der FC Bayern der neunziger Jahre, aber sueddeutsche.de-Recherchen haben ergeben, dass nicht Giovanni Trapattoni, sondern Martin Jol an der Linie stand. Dies wurde spätestens dann klar, als der Trainer nicht Ndjeng einwechselte, um ein 0:0 zu halten, sondern die Offensivkraft Mladen Petric.

Es gab wenige Torgelegenheiten in der zweiten Halbzeit, Hitzlsperger und Lanig versuchten sich auf Stuttgarter Seite mit Fernschüssen, Trochowski auf Hamburger. Kurz vor Schluss traf Julian Schieber noch aus spitzem Winkel den Pfosten (86.), Hamburgs Torhüter Fran Rost hätte den Ball jedoch gehalten. Auf der Gegenseite sorgte Dennis Aogo mit einem Lattentreffer für Aufregung (90.)

Dann schoss ein Mann, der nicht viel hält von der 0:0-Taktik eines Giovanni Trapattoni, doch noch ein Tor: Mario Gomez fiel der Ball nach einer schönen Parade von Rost vor die Füße, der Stürmer drosch ihn aus sieben Metern ins Tor. Damit hat der VfB Stuttgart nun tatsächlich die Chance, nicht den HSV oder Wolfsburg oder den FC Bayern, sondern sich selbst zum Meister zu machen.

"Wir wären mit einem Punkt zufrieden gewesen, und in der letzten Minute passiert dann so etwas - das ist ganz bitter", sagte Jol nach dem Spiel. Sein Spieler Marcell Jansen ergänzte: "Wir haben zu wenig erzwungen, sind nicht konsequent genug im Abschluss gewesen - da bekommt man halt in der letzten Minute so ein blödes Tor."

"Meine Mannschaft hat aber immer wieder versucht, sich Chancen zu erarbeiten und sind dafür belohnt worden. Ich hatte mich schon mit einem 0:0 abgefunden, aber die Jungs wollten unbedingt diesen Sieg", sagte VfB-Teamchef Markus Babbel.

Bleibt die Frage, was Giovanni Trapattoni von diesem Spiel hält. Er war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, er musste sich als Trainer der irischen Nationalelf das Spiel Bohemians Dublin gegen St. Patrick´s Athletic ansehen. Das endete 3:0.

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