Bundesliga: Stuttgart gegen München:Gegen die Herbstdepression

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Im Juli noch umschwärmt, begegnen sich Mario Gomez und Aliaksandr Hleb nun als Sorgenkinder - und müssen beide froh sein, wenn sie überhaupt mitspielen dürfen.

Christof Kneer

Mario Gomez saß am Freitag in München vor der Presse, und er sagte, dass er sich das Vertrauen des Trainers wieder erarbeiten wolle. Eine halbe Stunde später saß Aliaksandar Hleb in Stuttgart vor der Presse, und er sagte, dass er sich das Vertrauen des Publikums wieder erarbeiten wolle. Gomez gab sich angemessen kämpferisch, Hleb zeigte sich angemessen reuig. Gomez sagte, er sei "nicht zum FC Bayern gekommen, um auf der Bank zu sitzen". Und Hleb machte deutlich, er sei nicht zum VfB Stuttgart gekommen, um sich mit dem Vereinsdoktor anzulegen.

Mario Gomez mus auf seine nächste Chance warten. (Foto: Foto: dpa)

Er hat das nicht wörtlich so gesagt, aber er hat es genau so gemeint. "Ich entschuldige mich für mein Verhalten am Dienstag", sagte Hleb. Genervt von der Pokalniederlage in Fürth hatte er den Klubarzt geschubst, weil der ihn auf direktem Wege zur Dopingkontrolle lotsen wollte. Hleb wollte erst noch in die Kabine, die Schuhe ausziehen.

Das hätte man im Sommer auch nicht gedacht, dass dies die Geschichten sein würden, die man sich im Herbst über Mario Gomez und Aliaksandar Hleb erzählen würde. Wenn man die Transfergerüchte im Sommer richtig verstanden hat, hätte man eher auf die Idee kommen können, dass sich Gomez und Hleb künftig jeden Tag beim Training begegnen, in Madrid, Mailand oder Manchester, und dass sie am Ende der Saison in die Weltelf berufen werden, die eine Auswahl anderer Welten mit 2:0 besiegt, nach Toren von Gomez und Hleb natürlich.

Und jetzt begegnen sich die beiden am Samstag auf der Stadion-Baustelle in Stuttgart, und sie können froh sein, wenn sie überhaupt mitspielen dürfen.

PR-Offensive mit DVD

In dieser Woche, an deren Ende der VfB Stuttgart den FC Bayern empfängt, hat man besonders anschaulich verfolgen können, wie zwei Helden des Sommers gegen die Herbstdepression kämpfen. Koordiniert wird dieser Kampf in Aspach, einer behaglichen Gemeinde im baden-württembergischen Rems-Murr-Kreis; dort sitzt die Agentur des in der Branche geschätzten Spielerberaters Uli Ferber, die über einen kleinen, erlesenen Kundenstamm verfügt, der dem Firmenchef bisher fast ausschließlich Freude bereitet hat. In diesen Tagen aber ist eine großflächige Aktion Sorgenkind angelaufen: Gomez und Hleb, die exklusivsten Namen in der Kartei, bedürfen gerade besonderer Fürsorge und strategischer Planung.

So wurde auch jene kleine PR-Offensive entwickelt, die es den Sportlern ermöglichte, ihre Kampfansagen bzw. Reuebekundungen unter die Leute zu bringen. Flankierend ist Agentur-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff nach München gereist, unter anderem, um Gomez eine Art Best-of-DVD zu überreichen, eine Auswahl der schönsten Gomez-Tore. So etwas denken sich sonst Trainer aus, um ihre Spieler zu motivieren. Die Motivation des Gomez-Trainers ist aber eher dergestalt, dass er den Spieler von Anfang an spüren ließ, dass er nicht seine, van Gaals, Personalie war. Er hat das nicht nur in Interviews gesagt. Sondern auch Mario Gomez selbst.

Auf dem Weg zum Sorgenkind sind Gomez und Hleb schon ein gutes Stück vorangekommen, aber sie kommen aus unterschiedlichen Richtungen. Gemein ist beiden allenfalls, dass sie eine böse Zahl mit sich herumschleppen, die ihnen bei jedem falschen Pass zur Last gelegt wird; Gomez muss gegen eine 35-Millionen-Ablöse anspielen, Hleb gegen das aus Barcelona importierte Jahresgehalt von etwa sechs Millionen Euro. Ansonsten unterscheiden sich die Leidenswege markant: Während Gomez mit fünf Pflichtspieltoren sehr anständig begann, ließ Hleb einem spektakulären Tor in Timisoara zu viele müde Haken folgen.

Während Gomez kraftstrotzend auf die Bank verfrachtet wurde, musste Hleb einen angeschlagenen Körper durch die Spiele schleppen. Während Gomez darunter litt, dass das Spiel nicht mehr wie einst beim VfB auf ihn zugeschnitten ist, litt Hleb darunter, dass das Spiel des VfB zu sehr auf ihn zugeschnitten ist. Die Verantwortung war zu viel für seinen Körper. "Für Aleks war das nicht leicht", sagt VfB-Manager Horst Heldt, "er war in Barcelona gerade erst ins Training eingestiegen, als in Deutschland schon die Saison begann." Dennoch, sagt Heldt, hätte es "nicht geschadet, wenn er im Urlaub den einen oder anderen Lauf mehr gemacht hätte".

Immerhin nimmt der Sportchef Hlebs Kabinenausraster zum Anlass, an das Gute im Sportler zu glauben. "Der Vorfall ist nicht tragbar, aber er zeigt wenigstens, dass Aleks lebt, dass er sich wehren will. Er will die Sache hier nicht aussitzen." Hleb weiß ja, dass er einiges zu verlieren hat; ab Sommer 2010 gilt wieder der Anschlussvertrag beim FC Barcelona, dessen Interesse an einer Rückkehr sich in engen Grenzen hält. Also muss Hleb sich für einen Klub aufdrängen, der ihn sich leisten kann und möchte. Der VfB, selbst wenn er wollte, wird das nicht sein.

Gomez und Hleb haben genügend Klasse, um das Schicksal wieder auf ihre Seite zu zwingen, aber das können sie nur, wenn sie regelmäßig von Anfang an Sport treiben dürfen. "Gegen Bayern will ich damit beginnen, ein neues Kapitel aufzuschlagen", sagte Hleb am Freitag. Er wird spielen dürfen, bei Gomez ist das eher unwahrscheinlich.

© SZ vom 31.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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