Bundesliga-Start:Wenn die Donnerfaust zuschlägt

Hamburg, Schalke, Köln, München, Leverkusen: Einige Klubs steigen derart desorientiert in die Saison ein, dass man meinen könnte, sie hätten eigenmächtig den Urlaub verlängert. Einen so fahrlässigen Fehlstart in der Masse hat die Liga selten erlebt.

Klaus Hoeltzenbein

Wer kurz, schnell und präzise nachvollziehen will, wie es am Wochenende einigen traditionsreichen Bundesligisten wie dem Hamburger SV, Schalke, Köln, aber auch dem FC Bayern und Bayer Leverkusen ergangen ist, der findet Vergleichsmaterial - wie so oft - beim Boxen.

FC Bayern Muenchen - Borussia Moenchengladbach

Frustriert nach der Niederlage gegen Gladbach: Thomas Müller hatte am Abend "so eine Krawatte".

(Foto: dapd)

Beispielsweise im Kampf von James Thunder gegen Crawford Grimsley vom 18. März 1997, den jeder gute Videodienst im Internet im Programm führt. Und den sich jeder vom Fehlstart frustrierte Fußballer am Tag mehrere Tausend Mal anschauen kann, denn der eigentliche Kampf dauert nur 1,5 Sekunden.

Dann rennt Crawford Grimsley in eine Donnerfaust und der Kampf ist vorbei. Er gilt als der kürzeste der Box-Geschichte.

Man sieht, wie Grimsley, der blonde Hüne, platt am Ringboden liegt, wie die Sternlein kreisen und wie er verzweifelt versucht zu Sinnen zu kommen und zu begreifen, was da eben war mit dieser Donnerfaust. Das Erwachen aber ist eigentlich der kürzere Teil des Videos, der längere handelt vom Brimborium davor; wie Grimsley der Donnerfaust droht, die Donnerfaust droht zurück - und wie sich beide tief und bedrohlich in die Augen schauen.

So nah kommen sich Fußballer selten, aber der Effekt des ersten Liga-Spieltages war ähnlich dem jenes Erstrunden-K.o.'s des unter Schock erwachenden Grimsley. Hallo? War da was? Ist das sauber, ist das fair? Alles zurück auf Null, von vorne, bitte!?

Sechs Wochen und mehr hatten sie sich für den Anpfiff gequält, dann aber stiegen einige Klubs derart desorientiert in die Saison ein, dass man meinen könnte, sie hätten eigenmächtig den Urlaub verlängert und das Taktikbuch vergessen. Einen so fahrlässigen Fehlstart in der Masse hat die Liga selten erlebt; verschärft wird das Ganze zudem im Kontrast zum offenbar nimmermüden Zauberfußball von Meister Dortmund.

Gut, zunächst wurde nur ein Spiel verloren, aber wer sich die Start-Schläfer anschaut, ahnt, dass dieses Quintett, gemessen an den eigenen Ansprüchen, eine Zeit lang brauchen dürfte, wenn es überhaupt gelingt, die frühen Defizite substanziell zu korrigieren: die fehlende Kompaktheit beim HSV, den deutsch-spanischen Konflikt auf Schalke, die Kaderschwäche und Wirrnis der Kölner, das Abwehrchaos in Leverkusen oder den Kreativmangel im Zentrum des FC Bayern.

Vieles davon, auch Letzteres, wurde schon in der Vorsaison diagnostiziert, aber so ein Sommer verführt zur Verdrängung. Mal sehen, wer alsbald aufsteht. Mancher der Fünf wirkt, als sei er frech-forsch in den Ring gestiegen und wundert sich nun, dass man dort einer Klitschko-Faust begegnen kann.

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