Bundesliga: St. Pauli - FC Bayern: Die Partycrasher

Das überdeutliche 8:1 bei der Abschiedsparty von Holger Stanislawski hinterlässt beim FC Bayern Gefühle des Schams - und der Erleichterung. Einige haben sogar die Hoffnung auf Platz zwei noch nicht aufgegeben.

Carsten Eberts, Hamburg

Alle zerrten an ihm, dabei ging es Holger Stanislawski schrecklich mies. Der Trainer des FC St. Pauli hatte beim 1:8 (0:2) gegen den FC Bayern die schlimmste Demütigung seiner Laufbahn erfahren, musste zusehen, wie seine Mannschaft sich aufgab - ausgerechnet in seinem Abschiedsheimspiel.

FC St. Pauli - Bayern München

Bayern-Spieler Franck Ribery umarmt St. Pauli-Trainer Holger Stanislawski nach Spielende.

(Foto: dpa)

Es war der Moment, an dem andere Bundesligatrainer am liebsten die Mannschaftskabine demoliert hätten. Doch Stanislawski konnte das nicht. Er musste auf die Ehrenrunde. Da gab es nämlich noch die St. Pauli-Fans. Sie hatten die epochale Niederlage weit schneller verkraftet als ihr Trainer, sich mit dem direkten Wiederabstieg aus der Bundesliga schon abgefunden.

Sie waren ohnehin hauptsächlich gekommen, um Stanislawski gebührend zu verabschieden - jenen Mann, der den Klub zunächst als Spieler, dann als Trainer 18 Jahre lang geprägt hatte. Also begab sich Stanislawski gequälten Blickes auf eine halbherzige Ehrenrunde, winkte kurz nach links und rechts, verschwand dann im Kabinentrakt.

Später gab Stanislawski Einblick in seine diffuse Gefühlswelt. "Dieses Spiel war wie ein Stich ins Herz, wahnsinnig deprimierend", sagte er. "Trotzdem hätte ich mich am liebsten von jedem einzelnen hier verabschiedet. Wenn du 1:8 verlierst und gefeiert wirst, das ist dann Selbstironie. Aber verdient hätten wir was anderes heute: den Arsch voll."

Stanislawski wird in der kommenden Saison bekanntlich 1899 Hoffenheim trainieren. Aufsteiger St. Pauli hingegen steht am vorletzten Spieltag als erster Absteiger fest.

Aufgewühlt waren auch die Bayern. Zum einen erleichtert, weil sich der Klub durch die Niederlage von Hannover 96 Platz drei endgültig gesichert hat und sich am Ende einer titellosen wie verkorksten Saison doch noch für die Champions League qualifizieren kann. Jedoch auch irgendwie beschämt, weil die Bayern dem sympathischen Stanislawski das Abschiedsfest so gründlich verdorben hatten.

"Das ein oder andere Tor weniger hätte es auch getan"

Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge verbeugte sich vor Stanislawski und sprach auch den St. Pauli-Fans seinen Respekt aus. "Es ist toll zu sehen, wie sich dieser Verein bei seinem Trainer bedankt." Das 8:1 zum Abschied war ihm eher unangenehm: "Man hat gesehen, dass unsere Mannschaft hohe Qualität hat. Aber vielleicht hätte es das ein oder andere Tor weniger auch getan."

Es waren wirklich ein paar Tore zu viel, die dem FC Bayern gegen St. Pauli gelangen: Drei von Mario Gomez (10., 52., 87.), der damit die Torjägerkanone sicher haben dürfte, jeweils zwei von den Flügeldribblern Arjen Robben (54., 84.) und Franck Ribéry (74., 88.), eins von Abwehrmann Daniel Van Buyten (32.). Die Hamburger gaben sich früh auf, die Bayern nutzten es aus. Mehr muss zu diesem Spiel nicht gesagt werden.

Die Freude über den dritten Tabellenplatz war trotzdem groß. "Das ist wichtig für München, für die Stadt, aber auch für den deutschen Fußball", sagte Mario Gomez nach dem Spiel: "Denn die größten Chancen, in der Champions League etwas zu reißen, haben immer noch wir."

Für die Champions League müssen die Bayern in die Qualifikation, sich dort in Hin- und Rückspiel gegen einen womöglich unterklassigen Gegner bewähren - oder doch nicht?

Aufgegeben haben die Bayern Tabellenplatz zwei jedenfalls nicht. Nach dem Leverkusener Remis gegen den HSV haben die Bayern noch drei Punkte Rückstand, könnten bei einem Sieg gegen Stuttgart und einer Leverkusener Niederlage in Freiburg noch vorbeiziehen. "Ich finde es wunderbar, dass wir nach dieser Saison überhaupt noch die theoretische Chance auf Platz zwei haben", sagte Rummenigge mit einem Grinsen im Gesicht: "Warten wir doch einfach ab, was am letzten Spieltag noch passiert."

Auch Interimstrainer Andries Jonker verkündete froh: "Wir können jetzt unseren dritten Platz genießen. Vielleicht geht es ja auch noch ein bisschen nach oben." Am angriffslustigsten formulierte es Kapitän Philipp Lahm: "Wir wollen am letzten Spieltag gegen Stuttgart gewinnen. Der Druck ist ganz sicher nicht bei uns."

Der Arbeitstag von Holger Stanislawski war nach der seltsamsten Ehrenrunde seines Lebens immer noch nicht beendet. Er musste auch noch in die Pressekonferenz, wo er sich Fragen nach der Leistung seiner Mannschaft jedoch ausdrücklich verbat. "Zum Spiel werde ich nichts sagen", verkündete Stanislawski mit leerem Blick: "Das würde all die wunderbaren Dinge kaputt machen, die ich in den letzten 18 Jahren bei St. Pauli erlebt habe."

Dabei benötigte es gar nicht viele Worte, um knackig einzuordnen, was an diesem Tag geschehen war. Das Zitat des Tages gehörte Stürmer Marius Ebbers, der sagte: "Mir tut das auch leid. Aber es ist einfach beschissen gelaufen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: