Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Der Trend geht zum Gelenkbus

In schwindelerregendem Tempo stellen Bundesligisten neue Manager ein. Die Entwicklung des Spiels verlangt längst mehr, als ein einzelner Hoeneß oder Bruchhagen leisten kann.

Kommentar von Christof Kneer

Wo soll man anfangen? Bei der Meldung, dass Hoffenheims Sportdirektor Alexander Rosen doch nicht zu Schalke 04 wechseln wird? Bei der Nachricht, dass der Mainzer Sportchef Rouven Schröder doch nicht nach Mönchengladbach geht? Bei der Verlautbarung, dass der ehemalige BVB-Chefscout Sven Mislintat neuer Sportdirektor beim VfB Stuttgart wird und der frühere Nationalspieler Christoph Metzelder womöglich im Management von RB Leipzig unterkommt? Vorausgesetzt natürlich, die Leipziger entscheiden sich nicht für den Paderborner Markus Krösche, der allerdings auch als Kandidat für einen Managementposten bei Hannover 96 gilt und zuvor dem 1. FC Nürnberg abgesagt hatte. Der 1. FC Nürnberg, übrigens, hat als Sportdirektor einen Menschen namens Robert Palikuca verpflichtet.

So schwindlig ist einem schon lange nicht mehr geworden, wenn im Fußball ein Karussell vorüberfuhr. Das liegt vor allem daran, dass das lustige Trainerkarussell, auf dem Peter Neururer, Friedhelm Funkel und Ewald Lienen immer von Stadt zu Stadt tuckerten, längst stillgelegt ist. Bundesligatrainer werden nicht mehr vom Karussell gepflückt, sie kommen jetzt von überall her, aus Österreich, der Schweiz oder der hauseigenen Jugendabteilung. Dafür hat im 56. Jahr des Ligabestehens irgendwer ein neues Karussell zusammengeschraubt: Darauf sitzen Leute, auf deren Visitenkarten Titel wie Sportvorstand, Sportdirektor, Geschäftsführer Sport, Direktor Profifußball oder Leiter Scouting/Analyse stehen.

Wenn das so weitergehe, brauche man bald Gelenkbusse, lästerte Uli Hoeneß einst, als erste Klubs anfingen, zusätzliche Co-Trainer sowie Pass- und Kohlehydratzähler anzustellen. Der neueste Trend ist nun, dass die Gelenkbusse dringend ein weiteres Gelenk benötigen, in dem nur höhere Funktionäre sitzen dürfen. Verdichtet auf wenige Tage hat sich in dieser Woche zweierlei gezeigt: Erstens, dass die Klubs zunehmend auf mindestens duale Systeme vertrauten, dass sie einem Sportvorstand also eine Hierarchie-Etage tiefer gerne noch einen Sportdirektor zur Seite stellen, der die Kaderplanung verantwortet. Und dass - zweitens - für diese zahlreichen neuen Planstellen nicht mehr nur Heldt & Heidel, sondern auch Leute namens Mislintat, Krösche oder Palikuca in Frage kommen, die bisher im Verborgenen gescoutet, analysiert und Kader komponiert haben.

Das neueste Busgelenk ist ein folgerichtiger Reflex auf die Entwicklung des Spiels, das den Klubs längst mehr abverlangt, als ein einzelner Hoeneß, Calmund, Assauer oder gar Bruchhagen leisten können. Neben der Beaufsichtigung von Spielerkabinen, Trainerstäben und Nachwuchsakademien sind weltweit alle Talente zu kennen und zu scannen, und das auf einem irren Markt, dessen völlig entgleiste Preise kaum noch einen Fehler erlauben. Mehr Augen sehen mehr, mehr Schultern schultern mehr: Dieser Trend hat nun sogar Peter Neururer einen neuen Job beschert. Er ist jetzt Sportdirektor beim Viertligisten Wattenscheid.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2019/drim/dsz
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