Bundesliga, 14. Spieltag:Werder wird langsam gesund

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Beim 3:0 im Nordderby gegen den FC St. Pauli schießt sich die Schaaf-Elf den Frust von der Seele. Hugo Almeida bringt es fertig, einen Dreierpack zu erzielen - und dann vom Platz zu fliegen. Wolfsburg ärgert Köln mit einem späten Traumtor.

Werder und das Glück - lange sah es am Sonntag so aus, als hätten zwei alte Bekannte wieder zueinander gefunden. 3:0 (2:0) haben die Bremer gegen St. Pauli gewonnen, alle drei Treffer erzielte Hugo Almeida, so weit war alles in Ordnung. Doch zehn Minuten vor dem Ende der Partie streckte Almeida seinen Gegenspieler Zambrano mit dem Ellbogen nieder, wofür er die rote Karte sah. Er wird den Werderanern eine lange Weile fehlen. Das war der große Wermutstropfen an diesem für die Bremer sonst so erbaulichen Abend. Sie haben das Glück noch nicht wirklich wiedergefunden, aber es hat immerhin zwischendurch freundlich gegrüßt, bevor es sich wieder verabschiedete.

Drei Treffer und ein Platzverweis: Bremens Angreifer Hugo Almeida ließ gegen St. Pauli kaum etwas aus. (Foto: Bongarts/Getty Images)

In der Schlussminute senste St. Paulis Thorandt noch Torsten Frings um. Thorandt sah Rot, Frings humpelte vom Platz, und nun bangten sie in Bremen: Bloß nicht noch ein Verletzter. Die Stimmung rund um Werder war ja wirklich mies gewesen in den vergangenen Wochen. Dass Bremen dennoch ein besonderer Bundesliga-Standort ist, war an manchen Transparenten im Stadion zu sehen: "Schaaf und Allofs = 100 Prozent Werder" war da zum Beispiel zu lesen. Das Publikum war gekommen, um versöhnt zu werden, und die Mannschaft schien das zu spüren. Buchstäblich vom ersten Moment an machte sie Druck, und der Sekundenzeiger hatte die Uhr noch nicht ein Mal umrundet, da stand es 1:0.

Clemens Fritz schickte beim ersten Angriff des Spiels Hugo Almeida steil, der Portugiese bedankte sich, indem er aus rund den Ball 15 Metern ins Tor schob. Umgehend war die Stimmung auf den Rängen des Weser-Stadions so gut, als habe es all die Krisenspiele der jüngsten Zeit nicht gegeben. Dazu kam, dass Werder endlich einmal nicht vom Pech begleitet wurde: Im Gegenzug kam St. Paulis Gerald Asamoah im Bremer Strafraum zum Kopfball, zuletzt wäre der Ball zum Ausgleich ins Tor geflogen, was für die Stimmung nichts Gutes bedeutet hätte. Diesmal aber touchierte die Kugel die Latte, bevor sie sich ins Toraus verabschiedete.

Als wäre die 80. Minute angebrochen

Es entfaltete sich in den folgenden 20 Minuten ein Spektakel wie zu den besten Zeiten, Werder rannte an und reihte Chance an Chance, Werder spielte begeisternden Fußball. Mertesacker und Marin ließen beste Möglichkeiten aus, aber St.Pauli versteckte sich nicht in Anbetracht des Wirbels, sondern griff seinerseits beherzt an. Die Mannschaften spielten, als wäre gerade die 80. Minute einer Partie angebrochen, die beide unbedingt gewinnen müssen.

Dass der Sieger Werder heißen würde, stellte Almeida bald mit seinem zweiten Treffer klar. Diesmal war es Marin, der Almeida in Szene setzte, aus gut elf Metern Entfernung schoss er den Ball zum 2:0 ins linke Eck (20. Minute). Und wieder hatte der FC St. Pauli im Gegenzug eine Riesenchance: Ebbers passte auf Bartels, doch der traf aus fünf Metern nur die Unterkante der Latte. Werder schnaufte durch, und Werder sah: Diesmal haben wir nicht nur kein Pech, diesmal haben wir sogar Glück. Wie sich das Glück anfühlt war in Bremen ja zuletzt in Vergessenheit geraten.

Die beiden Tore beruhigten die furiose Partie, Werder versuchte nun, Kontrolle auszuüben, St. Pauli sammelte sich. Es dauerte bis zur zweiten Halbzeit, bis wieder mehr Leben in die Begegnung kam, und bald entschied Werder die Partie: Husejinovic spielte Almeida frei, und der erzielte ganz lässig aus elf Metern seinen dritten Treffer (64.). Selbstverständlich hatte St. Pauli kurze Zeit später erneut eine gute Chance, aber Werder hatte schon wieder Glück, als Schiedsrichter Brych weiterspielen ließ, nachdem Bartels im Bremer Strafraum zu Fall gekommen war. Werder und das Glück - das ist derzeit eine vertrackte Geschichte.

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Der 1. FC Köln hat einen Dämpfer erlitten und den Sprung aus den Abstiegsrängen der Fußball-Bundesliga verpasst. Eine Woche nach dem glücklichen 1:0 beim VfB Stuttgart kamen die Rheinländer im Krisenduell mit dem VfL Wolfsburg am Sonntagabend nicht über ein 1:1 (0:0) hinaus. Der erst vier Minuten zuvor eingewechselte Cicero rettete den Niedersachsen mit einem tollen Fallrückzieher einen überaus glücklichen Punkt (81. Minute).

Novakovic' Führungstreffer genügte den Kölnern am Ende nicht. (Foto: dpa)

Nach der Führung durch Torjäger Milivoje Novakovic (51.) hatten die FC-Fans unter den 43 000 Zuschauern schon vom vierten Saisonsieg geträumt. Köln (12 Punkte) bleibt damit auf dem Relegationsplatz; Wolfsburg ist mit 16 Zählern Tabellen-13. Seit dem Wiederaufstieg im Jahr 2008 haben die Domstädter nur 9 von 41 Heimpartien zu ihren Gunsten entschieden.

Trainer Frank Schaefer nahm im Vergleich zum 1:0 in Stuttgart nur eine Veränderung vor: Adam Matuschyk spielte für den gelb-gesperrten Martin Lanig. Sein Wolfsburger Kollege Steve McClaren musste nach dem 1:1 beim FC St. Pauli auf zwei Positionen umstellen: Für Diego (5. Gelbe Karte) und den formschwachen Cicero rückten der Däne Thomas Kahlenberg und Tolga Cigerci in die Mannschaft. Der 18 Jahre alte Deutsch-Türke bestritt sein Bundesliga-Debüt.

In der "Aufwärmphase" boten beide Teams den Fans bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt nicht viel. Doch dann kam Köln in Schwung und bestimmte das Geschehen, Wolfsburg hielt nur dagegen. Fast wäre Matuschyk die Führung für den FC geglückt, doch seinen 15- Meter-Schuss aus halblinker Position drehte VfL-Keeper Diego Benaglio mit den Fingerspitzen noch um den Pfosten (17.). Nach Flanke von Lukas Podolski musste der Schweizer Torhüter erneut retten (32.). Doch beim 1:0 patzte Benaglio: Den 36-Meter- Freistoßknaller von Petit ließ er abprallen, Novakovic staubte per Kopf ab (51.).

Köln wirkte aggressiver, schneller, mit mehr Zug zum Tor. Doch der flinke Mato Jajalo vergab aus guter Position (36.) ebenso wie nach der Pause das mögliche 2:0 (55.). Nationalspieler Podolski schrammte nach einer Unsportlichkeit gegen Edin Dzeko, dem er mit gestrecktem Bein in den Unterleib trat, nur knapp an der Roten Karte vorbei (22.). Von Wolfsburgs Doppelspitze Dzeko/Grafite, bislang mit 16 Treffern das torgefährlichste Angriffs-Duo der Bundesliga, war wenig zu sehen. Grafite setzte sich nach feinem Pass von Kahlenberg im Strafraum nicht entschlossen genug durch (26.). Das war auch seine einzige Aktion: Angeschlagen musste der Brasilianer bereits in der 42. Minute vom Rasen.

Viel engagierter als McClaren agierte an der Seitenlinie Wolfsburgs Co-Trainer Pierre Littbarski, der an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrte, den Niedersachsen aber kein Glück brachte. Zwischen 1978 und 1993 hatte "Litti" 406 Bundesligaspiele (116 Tore) für den 1. FC Köln absolviert.

© SZ vom 29.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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