Bundesliga, 15. Spieltag:17 Punkte vor den Bayern

Achtes Auswärtsspiel, achter Sieg: Durch das 2:0 in Nürnberg festigt Herbstmeister Borussia Dortmund seine Erfolgsserie - und lässt den FCB weit hinter sich. Im Rhein-Derby gegen Leverkusen zeigt Köln ein starkes Spiel und verliert dennoch 2:3.

Jürgen Klopp stand fast die komplette Spielzeit mit seiner schwarzgelben Strickmütze an der Seitenlinie. Viel bewegt hat er sich dort nicht, manchmal hob er den Arm, wie ein Basketballtrainer, der einen Spielzug ansagt, und ganz selten ließ er seinen Emotionen freien Lauf, wie man das eigentlich von ihm gewohnt ist. Klopp hat sich ein wenig verändert in den vergangenen Monaten, er versucht vielleicht, etwas abgeklärter zu wirken - soweit das sein Naturell zulässt.

1. FC Nürnberg - Borussia Dortmund

Gewohntes Bild: Die Dortmunder Spieler beim Jubeln. Wer soll den BVB auf dem Weg zum Titel noch stoppen?

(Foto: dpa)

Aber auch der besonnenere Trainer Klopp sieht ja, dass er derzeit so viel gar nicht tun muss. Seine Dortmunder Borussia schwebt durch die Bundesliga, und selbst wenn sie einmal nicht so viel Glanz versprüht, wie am Sonntagabend in Nürnberg, setzt sie doch ihren unwirklich anmutenden Siegeszug fort. 2:0 (1:0) gewann der Tabellenführer diesmal, er spielte zwar nicht meisterlich, aber das kann ihm einerlei sein nach dem achten Erfolg im achten Auswärtsspiel. Dortmund hat jetzt 40 Punkte beisammen, nach dem 15. Spieltag. Vierzig, das ist Rekord und fast unheimlich.

Schon lange vor dem Anpfiff im ausverkauften Frankenstadion, durch das Schneeflocken rieselten, standen die Dortmunder als Gewinner fest. Wegen der Mainzer Niederlage war ihnen die Herbstmeisterschaft bereits sicher, und obwohl es für diesen Titel immer noch keinen Pokal gibt, nicht mal eine Urkunde, hat dieser ungewöhnlich früh erlangte Status seinen großen Wert: So viel Vorsprung haben sie derzeit, wie soll das noch schief gehen mit der Meisterschaft?

Wie soll das noch schief gehen?

In Nürnberg begann die Borussia verhalten, der Club erarbeitete sich mit einer guten Raumaufteilung ein Übergewicht. Trainer Dieter Hecking, dessen Team zuletzt dreimal verloren hatte, überraschte mit seiner Aufstellung, denn den noch gesperrten Linksverteidiger Javier Pinola vertrat diesmal der erst 18-jährige Marvin Plattenhardt, womit das Talent aus der Reserve sein Profidebüt gab. Über dessen Seite kam der BVB zwar zu einer Chance, als Shinji Kagawa im Strafraum auf Robert Lewandowski ablegte. Doch der Pole, der den verletzten Torjäger Lucas Barrios ersetzte, schoss zu ungenau (13.). Auf der anderen Seite verfehlte der fleißige Stürmer Julian Schieber beim Kopfball nach einem Freistoß die Führung nur knapp (20.).

Ein Tor nach einer Standardsituation, das hätte Hecking wohl gefallen, denn in diesen Szenen haben sich seine Leute in den vergangenen Wochen äußerst ungeschickt angestellt, dummerweise zumeist in der eigenen Deckung, wie zuletzt beim 0:3 in Mainz. Viel geübt habe man das auch diese Woche wieder, erzählten die Nürnberger vor dem Dortmund-Spiel. Aber das reicht wohl immer noch nicht.

Es sah jedenfalls geradezu grotesk aus, welches Zweikampfverhalten Nürnbergs Abwehrchef Andreas Wolf zeigte, nachdem sich Nuri Sahin den Ball zur Freistoßflanke zurecht gelegt hatte und die Kugel vors Tor segelte. Ein einziger Borusse strebte in den Strafraum, das war Innenverteidiger Mats Hummels; Wolf machte zunächst zwei Schritte nach vorne, er wollte Hummels vielleicht abseits stellen, doch das misslang gründlich: Hummels köpfte den Ball völlig freistehend ein zum 1:0. Das Wort Standardsituation hänge ihm allmählich zum Hals heraus, klagte FCN-Manager Martin Bader in der Halbzeit. Er war fassungslos.

Nach dem Tor bekam man eine Ahnung von jenem Offensivfußball, mit dem die jungen Dortmunder die Liga aufgerüttelt haben. Sie hatten nun Platz für ihre Konter gegen einen Club, der seinerseits Mühe besaß, mit seinem kleinteiligen Mittelfeldspiel in die gegnerische Hälfte vorzustoßen. Einmal flankte Marcel Schmelzer präzise auf Kagawa, doch dessen Kopfball landete in den Armen von Torwart Raphael Schäfer (31.). Apropos Kagawa: Der flinke Japaner wird der Borussia vermutlich fehlen zum Rückrundenstart im Januar - Japans Verband hat ihn jetzt auch entdeckt und für den Asien-Cup angefordert.

Nach der Pause hielt der Club seine Ordnung so gut es ging, aber das Mittelfeld mit Ilkay Gündogan und dem Israeli Almog Cohen setzte die Gästedeckung nie unter Druck. Die beste Gelegenheit besaß erneut Dortmund, als Mario Götze auf links bis zur Grundlinie vordrang und Lewandowski am prächtig parierenden Schlussmann Schäfer scheiterte (73.). Das regte Klopp noch einmal auf, doch allmählich suchte er immer häufiger Zuflucht unter dem Dach der Trainerbank. Denn das Schneetreiben war dichter geworden in Franken, und auch unter dem Dach konnte Klopp durch seine Brille recht gut erkennen: Es läuft! Die Entscheidung ließ ihn aber noch einmal aufspringen, Lewandowski traf spät am Abend zum 2:0 (88.).

Text: Andreas Burkert

Heynckes tadelt seine Sieger

Manuel Friedrich und Stefan Reinartz warteten nicht ab, bis sie in der warmen Kabine saßen, sie begannen mit der Diskussion über ihre Partie gleich nach dem Abpfiff. Beide waren, das ließ sich auch im Schneetreiben ausmachen, überaus unzufrieden, sie gestikulierten und fuchtelten mit den Händen, und für ihren Verdruss über den Verlauf des Derbys zwischen Bayer Leverkusen und dem 1. FC Köln wählten sie wenige Minuten später klare Worte. "Wir haben die Kölner stark gemacht und das Spiel komplett aus der Hand gegeben", klagte Verteidiger Reinartz.

Bayer Leverkusen v 1. FC Koeln - Bundesliga

Auch der stärkste Lukas Podolski seit langem konnte die Kölner Pleite beim Rheinnachbarn aus Leverkusen nicht verhindern.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

"Wir haben es nicht gut gemacht, wir haben uns von den Kölnern hinten reindrängen lassen", sagte sein Abwehrpartner Friedrich, und während der Bayer-Kapitän Simon Rolfes über die Wendung der vermeintlich schon gewonnenen Partie rätselte ("eigentlich hatten wir sie doch schon im Sack."), drohte Jupp Heynckes, der Trainer, eine ungemütliche Nachbetrachtung an: "Darüber wird zu reden sein."

Noch enttäuschter als die Leverkusener waren nur die Kölner, denn die hatten trotz vereinten Drängens gegen das Leverkusener Tor das Spiel 2:3 verloren. Der Frust beim Tabellenvorletzten war entsprechend groß, nur ein wenig Trost durften sie mit auf die andere Rheinseite nehmen. Zwar kamen sie sich nicht wie die moralischen Sieger vor - so gut hatten sie dann doch nicht gespielt -, aber durch ihren entschlossenen Auftritt hatten sie wenigstens das Recht erworben, sich ihrer Niederlage nicht schämen zu müssen. "Wir haben bewiesen, dass wir mit einer Top-Mannschaft der Bundesliga mithalten können", befand Martin Lanig und hatte partiell sogar recht damit.

Lanig, eingewechselt in der 64. Minute, war der Spieler, der die Dramaturgie des Derbys entscheidend beeinflusste. 55 Sekunden lief er über den Platz, da schoss er schon das Tor, das die Kölner zum 2:3 heranbrachte und unerwartet neue Spannung in die Begegnung brachte, und kaum zwei Minuten später war er einem weiteren Treffer so nahe wie kein Zweiter mehr in dieser Partie. Keine fünf Meter trennten ihn von der Torlinie, als der Flankenball von Ehret vor seinen Füßen aufsprang, aber die rutschige Kugel ließ sich nicht kontrollieren und Lanig verfehlte das nahe Ziel um viele Meter.

Ein Remis hatten die Kölner nicht nur für ihre kämpferische Leistung verdient, sie trugen auch spielerisch zum aufregenden Duell bei. Allen voran Lukas Podolski, der sich häufig gegen harten Widerstand durchsetzte und als offensiver Motor seines Teams gute Ideen verwirklichte. Beide Tore seines Teams bereitete er vor, und das 2:2 hatte er auch erzielt, nur ein Irrtum der Schiedsrichter verhinderte, dass der regelgerechte Treffer zählte.

Bayer-Verteidiger Reinartz sprach von einem "sehr glücklichen Sieg" seiner Elf, das ehrt ihn, dennoch war die Niederlage der Kölner folgerichtig, denn auf der Schattenseite ihres Zeugnisses standen schlimme Deckungsfehler bei sämtlichen Gegentreffern, beim 0:1 durch Helmes, beim 1:2 durch Barnetta und beim 1:3 durch Reinartz waren die Leverkusener jeweils frei wie Vögel. Außer einem Remis war deswegen für den FC auch ein Debakel möglich.

Text: Philipp Selldorf

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