Bundesliga, 17. Spieltag:Geschenke im Ländle

Gegen eine schwache Stuttgarter Hintermannschaft tut sich der FC Bayern mit dem Toreschießen leicht und gewinnt verdient 5:3. Probleme bereitet den Münchnern nur ihre eigene Sorglosigkeit in der Abwehr. Leverkusen enttäuscht beim 2:2 gegen Freiburg.

Vor dem Spiel hatten sich Louis van Gaal und Christian Nerlinger auf einem Bildschirm im Presseraum noch das Spiel der Leverkusener gegen Freiburg angeschaut, zumindest bis zur 70. Minute. Dann machten der Trainer und sein Sportchef kehrt, "das schaue ich mir jetzt nicht mehr an", grummelte Nerlinger. Die Nachricht vom Leverkusener 2:2 werden sie beim FC Bayern trotzdem erfreut aufgenommen haben, denn somit ergab sich die Chance, am Sonntagabend mit einem Erfolg auf der Stuttgarter Stadionbaustelle auf Rang fünf und nur noch vier Punkten Distanz zu Platz zwei in die Ligapause zu gehen.

VfB Stuttgart - FC Bayern München

Leichtes Spiel: Thomas Müller trifft für die Bayern zum zwischenzeitlichen 2:0.

(Foto: dpa)

Die Münchner nutzten die Chance, in einer etwas bizarren Partie mit abenteuerlichen Abwehrfehlern siegte der Meister 5:3 (3:0) und liegt nun endgültig wieder aussichtsreich im Rennen um die Champions-League-Plätze. Der VfB überwintert dagegen trotz des Trainerwechsels auf Bruno Labbadia auf dem vorletzten Platz. Und am Mittwoch kommen die Bayern dummerweise schon wieder - zum Achtelfinale im DFB-Pokal.

Van Gaal nahm sorgenvoll auf der Bank Platz. Denn neben Toni Kroos, der am Fuß Gips trägt, fehlte ihm auch kurzfristig noch Bastian Schweinsteiger im Mittelfeld: Grippe. Thomas Müller übernahm den Posten hinter der Sturmspitze Gomez, der nach Erkrankung wieder dabei war, dahinter gesellte sich Andreas Ottl neben Kapitän van Bommel. In der ersten halben Stunde konnte man somit studieren, wie die Münchner Zukunft aussähe, wenn Schweinsteiger nicht verlängert hätte. Es sah zunächst nicht sonderlich gut aus. Aber eben nur zunächst.

Probleme zu Beginn

Ottl ist ein verlässliches Metronom, das von der Ersatzbank kommt und dann sicher und unspektakulär den Ball verteilt. Das kann auch van Bommel, doch kreative Dinge oder gar Tempo entwickelten sich somit anfangs nicht im Spielzentrum. Der VfB nutzte die Unordnung beim Gegner zu einer schwungvollen ersten Viertelstunde; Kenner des schwäbischen Fußballdramas versicherten, dies sei mithin die Viertelstunde der Saison gewesen. Die Bayern hätten sich jedenfalls nicht über einen Rückstand beschweren können, nach einem Freistoß Bokas kam Labbadias junger Debütant Ermin Bicakcic, 20, freistehend zum Kopfball, der Ball flog jedoch genau auf Jörg Butt zu (7.). Kurz darauf erlief Christian Träsch nach einem Münchner Stellungsfehler einen langen Ball und zwang Butt zu einer unkonventionellen Parade.

Doch dann kam alles sehr plötzlich und anders. Denn es dauerte nach dieser grandiosen VfB-Viertelstunde nicht mehr lange, bis die ersten ans bereits vor dem Abpfiff das Stadion verließen - und zwar vor dem Abpfiff der ersten Hälfte. Es stand 0:3, die Partie schien längst entschieden zu sein, Mario Gomez (31.), Thomas Müller (36.) und Franck Ribéry hatten getroffen. Was die Münchner imstande sind vorzutragen, wenn ihr Mittelfeld scheinbar ideenlos die Kugel kreisen lässt und sie dann blitzschnell doch mal beschleunigen wie ein Flitzer aus dem Automobilwerk in Bad Cannstatt, zeigten sie bei ihren Toren.

Meist passierte etwas über die linke Seite, wo Franck Ribéry erstmals nach seiner Verletzungspause mit seinen Finten und Dribblings glänzte. Neuling Bicakcic half dabei mit, wie auch beim Führungstor von Gomez: Müller setzte sich gegen den Teenager aus der Amateurelf durch und spielte den durchgestarteten Gomez mit einem punktgenauen Steilpass an. Serdar Tasci rutsche aus, und Gomez, sein früherer VfB-Kollege, vollendete trocken.

Bayerische Bluthunde

Dieses 0:1 verkraftete der VfB nicht. Und die aufkommende Mutlosigkeit bei den Gastgebern erkannten die Bayern wie Bluthunde eine in Kilometern Entfernung vergrabene Dauerwurst. Beim 2:0 setzte sich Gomez an der Grundlinie gegen Kapitän Matthieu Delpierre durch und bediente Müller, der auf dem Weg zum Tor Träsch und Molinaro unwiderstehlich davonsprintete (36.). Das 3:0 erzielte Ribéry nach einem Boka-Fehlpass mit einem Solo, das er mit einem sehenswerten und bestens platzierten 20-Meter-Schuss zum 3:0 abschloss. Zu Wiederbeginn empfing das Publikum ihr verunsichertes Team mit zartem Beifall, schließlich ist die Saison ja noch nicht zu Ende. Doch es dauerte nicht lange, bis sich der Volkszorn endgültig entlud. Nach schöner Vorarbeit von Pavel Pogrebnjak gelang dem eingewechselten Österreicher Martin Harnik zwar der Anschluss (49.), doch danach überschlugen sich im Stuttgarter Strafraum die Ereignisse. Zwei Minuten nach dem 1:3 beendete Gomez alle Gedankenspiele, als er nach einem Fangfehler Ulreichs zum 4:1 einschob. Slapstick-Einlagen der VfB-Deckung ging Gomez' dritter Treffer zum 5:1 voraus (54.), sein zwölftes Saisontor.

Nach einer Stunde erlöste Labaddia endlich den jungen Bicakcic, für ihn kam das hochdotierte Auslaufmodell Khalid Boulahrouz. Die Bayern brachten die Partie glanzlos zu Ende und leisteten Aufbauarbeit mit ein paar Abwehrfehlern. Harnik verkürzte auf 2:5 (64.) und Christian Gentner mit einer Hereingabe, die offenbar niemand mehr berührte, sogar noch auf 3:5 (70.). Die Wut, die den VfB-Profis und Labbadia nach dem Abpfiff entgegenschlug, milderte diese Kosmetik kaum. Es wird ein langer Weg für den VfB zum Klassenerhalt.

Text: Andreas Burkert

Leverkusen rutscht aus

Den letzten Torschuss aufs Freiburger Tor gab Stefan Kießling ab, 91. Minute. Oliver Baumann klatschte ihn beiläufig mit einer Hand beiseite, als wollte er eine Fliege verscheuchen, und tatsächlich hatte er ja nichts zu befürchten. Der Schiedsrichter hatte die Szene längst unterbrochen, Kießlings Schuss war bloß noch eine Frustaktion, und sie sagte einiges aus über das Seelenleben von Bayer Leverkusen an diesem verschneiten Sonntagnachmittag.

Bayer Leverkusen v SC Freiburg - Bundesliga

Rutschpartie im Rheinland: Bayer Leverkusen kam im Schneegestöber gegen den SC Freiburg nicht über ein 2:2 hinaus.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Mit dem 2:2 gegen den SC Freiburg waren die Gastgeber unter ihren Erwartungen geblieben, und in den Debatten auf der Tribüne wurde dieses Unentschieden nicht als isolierter Unfall diskutiert, sondern als alte Krankheit: Wenn es drauf ankommt, ist Bayer nicht zur Stelle.

Diese Partie gegen den SC Freiburg sollte ja nur eine Etappe auf dem Weg zum Gipfeltreffen mit Borussia Dortmund am 18. Spieltag sein. Die Niederlage des BVB hatte man in Leverkusen als Chance gesehen, an den Tabellenführer ranzukommen und um den Titel mitzuspielen. Von dieser Vision wollten die Wortführer aber auch am Sonntag nicht lassen. Ob der Abstand zu groß sei, wurde Simon Rolfes gefragt, und der Kapitän erwiderte: "Das wird man sehen. Erst mal kommen sie zu uns, und ich gehe davon aus, dass am 14. Januar kein Schnee auf dem Platz liegen wird."

Der Schnee als Feind

Den Schnee erklärten die Bayer-Leute zum Feind ihres Spielstils. "Da kann man besser einen Schneemann bauen als Fußball spielen", klagte Rolfes. Zwar gingen die Leverkusener durch Vidals Foulelfmeter in Führung (15. Minute) - Schuster hatte den potentiellen Passempfänger Barnetta geschubst -, aber sie spielten offensiv zu unruhig und ließen defensiv große Lücken.

Freiburg konterte geschickt und kam durch Rosenthal zum Ausgleich (24.), Verteidiger Reinartz assistierte ihm durch schlechtes Stellungsspiel. Bis Bayer-Trainer Jupp Heynckes sein System änderte und eine zweite Angriffsspitze ins Spiel brachte, hatte der weiterhin schlau spielende Sportclub bereits das 2:1 durch Reisinger geschossen (65.). Danach machten die Leverkusener, mit Helmes und Kießling in vorderster Reihe, zwar viel Druck, aber viele ihrer Taten blieben aktionistisch.

Erst eine von Bastians abgefälschte Kießling-Hereingabe bescherte das 2:2 durch Patrick Helmes (75.). Mehr stand ihnen trotz großen Engagements auch nicht zu. "Ärgerlich", fand Rolfes das Ergebnis, "sehr ärgerlich", während der Freiburger Trainer Robin Dutt weise feststellte: "Zum Schluss müssen wir alle mit diesem Unentschieden leben. Wir können das."

Text: Philipp Selldorf

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