Bundesliga-Spitzenteams:Die Besten nach Bayern

Bayer 04 Leverkusen v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Hakan Çalhanoğlu von Bayer Leverkusen trifft gegen Borussia Mönchengladbach. Beide Teams haben sich in der Bundesliga-Spitze etabliert.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • In der Fußball-Bundesliga geht es, nachdem der FC Bayern schon als Meister feststeht, um die Champions-League-Plätze.
  • Am Samstag treffen Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach aufeinander - beide Teams gehören zu einer neuen Oberschicht, die sich hinter den Bayern etabliert hat.
  • Hier geht es zum Datencenter und zur Tabelle der Bundesliga.

Von Philipp Selldorf

Beim FC Schalke 04 ist die Firma Volkswagen der sogenannte "Automobilpartner". Wenn die Mannschaft, wie am Donnerstagvormittag, auf dem Gelände des alten Parkstadions ihrer Trainingsarbeit nachgeht, dann dient die ehemalige Laufbahn neben dem Spielfeld als Parkplatz für die Profis. Ein Touareg steht dort neben dem nächsten Touareg, bei der Wahl des Dienstwagens scheint unter den Spielern ein gewisser Konformismus zu herrschen.

Bloß das Auto von Kevin-Prince Boateng unterscheidet sich verschiedentlich: Erstens ist es kein hochbockiger Geländewagen, sondern eine dunkelschimmernde Oberklasse-Limousine, Modell Phaeton - und zweitens sitzt in dem Fahrzeug ein Chauffeur, der sich während des Trainings mit seinem Mobiltelefon die Wartezeit vertreibt.

Dass der 28 Jahre alte einen - wenn auch nicht livrierten - Dienstboten beschäftigt, um in seiner Staatskarosse aus Meerbusch bei Düsseldorf zum Training zu gelangen, das könnte man glatt für merkwürdig halten. Andererseits geht es hier nicht nur um die simple Fortbewegung, sondern um persönliche Distinktionsmerkmale in einer gleichförmigen Umgebung.

Schön, wenn der Rivale mit sich selbst zu tun hat - und teuer bezahlt

Boateng gilt in Schalke als besonders eitel. Im Laufe dieser Woche berichtete Sport-Bild, der Mittelfeldspieler plane seine Autobiografie. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird die Buchpremiere allerdings nicht im Rahmen einer feierlichen Zeremonie am Schalker Markt begangen werden, denn Boateng soll nach dem Willen der Verantwortlichen den Verein möglichst zügig verlassen, was offenbar auch seinen Wünschen entspricht.

Über die schnelle Trennung nach lediglich zwei Jahren herrscht großes Bedauern, jedoch weniger in Gelsenkirchen, als in Städten wie Leverkusen, Dortmund oder Mönchengladbach. Dort hat man Schalkes kostspieliges Missverständnis mit dem extravaganten Star zu schätzen gelernt: Es ist schön, wenn man weiß, dass der Rivale mit sich selbst zu tun hat und dafür teuer bezahlen muss. Mancher von Horst Heldts Manager-Kollegen hört es deswegen auch nicht ungern, dass sich Schalke längst um den nächsten Boateng bemüht, diesmal trägt das Promi-Projekt allerdings den Titel Sami Khedira.

Christoph Kramer Mönchengladbach Leverkusen

Christoph Kramer, derzeit an Gladbach verliehen, trifft mit der Borussia an diesem Samstag auf die Leverkusener, zu denen er im Juli zurückkehrt.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Vor zwei Jahren hat man sich in Leverkusen noch darüber geärgert, dass der Rivale aus dem Ruhrgebiet aus dem Stand einen Mann wie Boateng anschaffen kann, das hat man als Wettbewerbsverzerrung im Duell der Verfolgerklubs angesehen. Damals schien das Bild der Bundesliga klar definiert zu sein: Erster wird Bayern München, Zweiter wird Dortmund, im Ausnahmefall umgekehrt. Dritter wird entweder Leverkusen oder Schalke. Vierter wird entweder Schalke oder Leverkusen.

Diese feste Ordnung vorne hatte sich in jahrelanger Praxis eingebürgert, es galt das Theorem des Frankfurter Vorstandschefs Heribert Bruchhagen von der "zementierten Liga", auch bekannt als "zementierte Tabelle".

Die Neuen in der Oberschicht

Inzwischen hat die Oberschicht der Liga neue Mitglieder, der VfL Wolfsburg und Borussia Mönchengladbach sind nach weit verbreiteter Expertenmeinung in dieser Saison keine zufälligen Gäste auf den vorderen Rängen, und die Kriterien des Wettbewerbs sind vielfältiger geworden. Ein Boateng oder Khedira mehr oder weniger, das ist nur noch eine Einflussgröße unter vielen.

"Im nächsten Sommer" - im Sommer 2016 - "werden die gleichen Klubs auf den Plätzen zwei bis sechs landen", prophezeit Rudi Völler, nur die Rangordnung sei offen: "Darüber entscheiden die Form und Kleinigkeiten", sagt der Sportdirektor von Bayer Leverkusen.

Eberl: "Fußball ist zu 80 Prozent planbar für das Management"

Ähnliche Erwartungen hat er an den Ausgang des an diesem Samstag anstehenden Treffens mit Borussia Mönchengladbach - einem Gegner, über den er voller Hochachtung spricht: "Tolle Entwicklung, tolle Saison, tolle Rückrunde - man muss nur sehen, um wie viele Punkte Schalke und Dortmund zurückliegen."

Für Völler sind der Aufschwung in Gladbach und die stabile Hochkonjunktur im eigenen Bayer-Betrieb der Beleg dafür, dass sich der Erfolg zwar schon auch, aber nicht nur aus der Höhe der vorhandenen Investitionsmittel ableitet. Während Schalkes Manager Heldt glaubt, dass der VfL Wolfsburg mit seinem mysteriös hohen Budget "der dauerhafteste und ernsthafteste Konkurrent des FC Bayern" werden könnte - zumindest solange der Fußballfreund Martin Winterkorn bei VW Vorstandschef bleibt -, ist Völler nur mäßig beeindruckt von den finanziellen Vorteilen der Niedersachsen: "Das sind Unterschiede, die man mit ein paar klugen Entscheidungen aufheben kann."

Kluge Entscheidungen sind das Metier von Max Eberl. Auch der Manager der Gladbacher Borussia hat ein Theorem aufgestellt. "Meine These ist: Fußball ist zu 80 Prozent planbar für das Management", sagt er, "die restlichen 20 Prozent - Pfosten, Latte, Verletzungen, der Spieler hat Heimweh oder Krach mit der Freundin - sind nicht vorhersehbar."

Der Gladbacher Sprung nach vorn beruht auf planmäßiger Qualitätssteigerung, inzwischen besitzt die Borussia das personelle Reservoir, um den Gegner mit der Einwechslung von Spielern wie Hazard oder Traoré zu beeindrucken. Der Verein hat zwar viele gute Spieler verloren in den vergangenen Jahren, aber er hat daraus keinen Nachteil entstehen lassen.

Die Ängste der Gladbacher

Mit dem Geld aus Barcelona für Torwart Marc-André ter Stegen konnte sich die Borussia den Torwart Yann Sommer leisten - obendrein aus Augsburg, Stuttgart und Hoffenheim die Spieler Hahn, Traoré und Johnson. Und auch der Schadenersatz, der 2012 beim Verlust des Trios Reus, Dante und Neustädter anfiel, hat sich mit etwas Anlaufzeit amortisiert.

Der Neustädter-Ersatz Granit Xhaka ist nach Eberls Meinung "vielleicht der Spieler dieser Saison". Darauf ist er stolz: "Zwei Jahre haben wir mit ihm Geduld gehabt", sagt Eberl, und nun habe die Borussia nicht nur einen sehr guten, sondern auch sehr wertvollen Spieler: "Die acht Millionen, die wir an Basel bezahlt haben, waren viel Geld. Aber wenn jetzt einer kommen wollte, dann wären es 25 bis 30 Millionen Euro."

Wobei er sich das gar nicht wünscht. Spekulationen über ein Interesse der Bayern an Xhaka nennt Eberl "Schwachsinn - es gibt kein Szenario, dass wir ihn abgeben". Die Angst vor einer unerhörten Offerte ist unüberhörbar.

Im Hintergrund regt sich ein Emporkömmling aus der Zweiten Liga

Gladbachs Manager behauptet, dass sein Klub noch nicht so weit sei, mit Dortmund, Schalke, Leverkusen und Wolfsburg mitzuhalten: "Es ist zu früh, uns in den Kontext einzuordnen. Nichts kann falscher sein als der Glaube an den Automatismus, dass man jedes Jahr besser wird", meint er. Weltmeister Christopher Kramers Rückkehr im Sommer nach Leverkusen und Stürmer Max Kruses Wechsel nach Wolfsburg tun Gladbach daher doppelt weh: Sie schwächen das eigene Team und stärken die direkte Konkurrenz.

Ähnliches befürchten die Leverkusener, sollte sich Zentrumsspieler Gonzalo Castro zum Wechsel nach Dortmund entschließen: "Er ist immer noch hin- und hergerissen", berichtet Völler. Andererseits haben die fünf Klubs, die sich hinter den Bayern formieren, so viele eigene Distinktionsmerkmale ausgebildet, dass sie auf ihre speziellen Stärken vertrauen dürfen.

Klaus Allofs und Dieter Hecking gehen in Wolfsburg zwar gewohnt großzügig mit den VW-Millionen um, aber inzwischen auch ziemlich erfolgreich; Leverkusen und Gladbach hören nicht auf, effektive Kaderpolitik zu betreiben; Dortmund hatte zuletzt zwar kein Einkaufsglück, besitzt aber trotz des feststehenden Weggangs von Ilkay Gündogan reichlich stabile Substanz - sowie den nötigen Ehrgeiz, sie wieder besser zu nutzen; und Schalke kann weiterhin aus dem Nachwuchs schöpfen, weshalb die wichtigsten Zugänge der Saison womöglich keine kostspieligen Weltmeister sind, sondern Spieler wie Sané, Friedrich, Platte oder Multhaup, nicht zu vergessen: der lang vermisste, ehemalige Nachwuchsspieler Julian Draxler.

"Es werden auch im nächsten Jahr dieselben Klubs bleiben, die hinter den Bayern um die begehrten Plätze spielen", meint auch Horst Heldt. Aber die Tabelle zwischen Platz zwei und sechs ist nicht zementiert, es gibt mehr variable Faktoren als früher.

Und im Hintergrund regt sich ein Emporkömmling, der im deutschen Osten und (noch) in der zweiten Liga zu Hause ist. Die Scouts der Spitzenklubs, die sich bei der Sichtung von Transferkandidaten regelmäßig in denselben Stadien begegnen, berichten von neuen Kollegen, erzählt Rudi Völler: "Was auffällt: Dass jetzt in dem Segment, in dem wir uns mit Dortmund, Schalke und Wolfsburg bewegen, auch die Leipziger auftauchen."

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