Bundesliga:Schlechter Fußball hat in der Bundesliga System

1. FC Koeln v Eintracht Frankfurt - Bundesliga; Köln Frankfurt

Zweikämpfe, Zweikämpfe, Zweikämpfe: Lukas Kluenter und Taleb Tawatha kämpfen um den Ball.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Mario Gomez kritisiert das Niveau der Bundesliga, und auch Kanzlerin Angela Merkel erkennt "Durcheinander" im Spiel Köln gegen Frankfurt.
  • Tatsächlich wird in keiner anderen Liga so konsequent auf den Spielaufbau verzichtet wie in der Bundesliga.
  • Schuld daran sind die Erfolgsgeschichten von Jürgen Klopp und Ralf Ragnick - und ein norwegischer Trainer in den 1990ern.

Von Thomas Hummel

Jetzt ist es amtlich und verbürgt bis in die höchste Ebene des Landes hinein: In der Bundesliga wird größtenteils ein irrlichternder Chaosfußball gespielt, sogar wenn der Fünfte und der Achte der Tabelle auf den Platz stehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sah am Dienstagabend im Stadion des 1. FC Köln die Partie gegen Eintracht Frankfurt. Kölns Präsident und Sitznachbar Werner Spinner berichtete der Bild vom Eindruck der Kanzlerin: "Sie hat in der ersten Halbzeit sofort erkannt, dass das Spiel etwas durcheinander war."

Frau Merkel hält sich offenbar auch im Fußball an die Grundsätze ihrer vorsichtigen Diplomatie. Kölns Kapitän Matthias Lehmann musste nach dem Spiel die Frage beantworten: "Matze, war das ein dreckiger Sieg?" Lehmann antwortete wahrheitsgemäß: "Definitiv! Nicht schön, aber effektiv."

Das 1:0 der Kölner gegen die Frankfurter reiht sich ein in die Sammlung unansehnlicher Kicks in der Fußball-Bundesliga. In dieser Saison kommt es vielen schlimmer vor als sonst, weil die Abstiegszone kürzlich vom 18. bis zum sechsten Tabellenplatz reichte und auch nach dem 28. Spieltag der Tabellenzehnte Leverkusen nur sechs Punkte vor dem Relegationsplatz liegt. Oder wie es Mario Gomez ausdrückte: "Viele Spiele sind mehr Gemurkse als sonst was", sie seien geprägt von "Druck, Angst, Nervosität und Einfach-nur-den-Arsch-retten-wollen."

Nun ist Schönheit selbstverständlich relativ und vor allem Geschmackssache. Dass sich ausgerechnet der nicht gerade filigrane Mittelstürmer-Bulle Gomez zum Sprachrohr der Fußball-Ästheten macht, ist nicht frei von Ironie. Dennoch trifft er einen Nerv. In der Bundesliga herrscht die Mode des Pressings, Gegenpressings und Gegen-den-Ball-arbeiten. In keiner der großen Ligen Europas werden zudem so viele lange Bälle geschlagen. Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola analysierte nach seiner ersten Saison: "Die Bundesliga ist eine Konter-Liga." Und Frank Wormuth, Trainerausbilder beim Deutschen Fußball-Bund, stellte einmal im Gespräch mit der SZ die Frage: "Wer betreibt denn noch Spielaufbau?" Welche Mannschaften verfolgen den Plan, ihr Spiel von hinten heraus mit Flachpässen strukturiert nach vorne zu tragen? Er kam auf vier: Bayern, Dortmund, Mönchengladbach und nun Hoffenheim unter Trainer Julian Nagelsmann.

Der Rest bolzt. Mehr oder weniger. Beim Spiel FC Augsburg gegen FC Ingolstadt war der Ball bisweilen mehr in der Luft als auf dem Boden. Augsburgs Verteidiger Martin Hinteregger schlug die Kugel hoch und weit nach vorne auf Stürmer Raul Bobadilla. Der rang mit Gegenspieler Marcel Tisserand, Kopfballduell, Abpraller, Kampf "um den zweiten Ball", Zweikämpfe, Chaos. Oder frei nach der Bundeskanzlerin: Durcheinander. So ging das von rechts nach links und dann von links nach rechts. Dass die Ballbesitz-Statistik am Ende 55:45 für Augsburg ausschlug, führte total in die Irre. Denn die Hälfte der Spielzeit hatte eigentlich niemand den Ball. Oder jeder.

Für viele Zuschauer wirkt es so, dass es die Spieler eben nicht besser können. Dabei tragen ihnen Trainer - ganz im Gegenteil - genau diesen Stil auf, weil er in den vergangenen Jahrzehnten oft erfolgreich war. In den neunziger Jahren hatte die norwegische Nationalmannschaft ihre größte Zeit mit dem schrulligen Trainer Egil Olsen. Nach umfangreichen Video-Analysen fand Olsen damals heraus, dass bei Weltmeisterschaften seit 1966 die meisten Tore nach höchstens vier Pässen fielen. Dass nach Ballgewinn die Kugel so schnell wie möglich per Steilpass auf nach vorne sprintende Spieler gespielt werden muss. Ansonsten ließ er mit neun Spielern verteidigen, diese verweigerten sich dem Passspiel, sondern droschen den Ball hoch und weit nach vorne auf einen großgewachsenen Stürmer.

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