Schalke weiter in Krise:"Sollen wir etwa aufgeben?"

FC Schalke 04 v DSC Arminia Bielefeld - Bundesliga

Schalkes Hilfs-Trainer Huub Stevens (2. v. l.) diskutiert mit dem vierten Offiziellen Christian Dingert.

(Foto: Getty Images)

Sechs Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz, ein höchst verunsichertes Team und auch Trainer Huub Stevens traut sich wenig bei seiner Rückkehr. Schalkes Rettung ist zwar noch möglich - aber kaum glaubhaft.

Von Milan Pavlovic

Nein, selbst Huub Stevens ist nicht in der Lage, Wasser in Wein zu verwandeln oder, was längst genauso schwierig zu sein scheint, Schalke 04 zu einem Sieg zu führen - aber dass es gleich Essig sein würde mit dem ersten Saisonsieg, das war doch ein harter Schlag. Das ebenso verdiente wie schmerzliche 0:1 (0:0) gegen Arminia Bielefeld, einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf, ließ den Rückstand auf den vielleicht rettenden 16. Platz auf massive sechs Punkte anwachsen - und sehr viel leichtere Gegner dürften dem Tabellenletzten nicht mehr begegnen.

Ausgerechnet Stevens hatte angekündigt, den Spaßfaktor zu erhöhen, weil man "nur dann gut spielen kann, wenn man Spaß hat". Aber der Spaß ist der Mannschaft und dem Klub in all den Monaten des Geisterfußballs und der gespenstischen Leistungen verloren gegangen, die Spieler wirken bleibeschwert und in Zeiten zurückgeworfen, als sie Probleme mit dem Einmaleins hatten.

Im Vergleich zu den vergangenen Partien hatte der 67-jährige Stevens nur wenig geändert. Im Grunde vertraute er jenen Fußballern, die auch bei dem am Freitag nach nur 79 Tagen verabschiedeten Kurzzeit-Trainer Manuel Baum auf dem Mannschaftsbogen standen. Niemand hatte erwartet, dass Stevens, bekanntermaßen der Schalker "Jahrhunderttrainer", elf Gewinner aus dem Zylinder zaubern würde. Aber ein bisschen mehr Mut hätte man schon erwarten dürfen, schließlich hat der Klub in der Serie von 29 Spielen nacheinander ohne Sieg vor allem in jenen Begegnungen besonders schlecht ausgesehen, die er zaghaft bestritt.

Genauso ließ sich die Partie an. Schlappe Schalker hofften offenbar darauf, dass die Gäste grobe Fehler begehen würden, aber das vermieden die Ostwestfalen, weil sie kaum unter Druck gesetzt wurden. Das Geschehen war nicht ganz so gruselig wie das Schalker 0:2 unter der Woche gegen Freiburg, aber zu sagen, es ging zäh zu, käme einer Untertreibung gleich. Schon vor der Pause gab es mehr gelbe Karten (zwei) als klare Torchancen. Die erste Möglichkeit bot sich dem Bielefelder Sergio Córdova, einem Wandschrank auf zwei Beinen, der nach einem Steilpass den Verteidiger Ozan Kabak wegdrückte wie ein lästiges Insekt, mit seinem vehementen Abschluss aber nur die Stabilität des Pfostens testete.

Plötzlich hat Schalke eine richtige Chance - es bleibt die einzige

Die zweite Hälfte begann, oh Wunder, mit einer richtigen Gelegenheit für die Schalker - sogar zwei in einer Szene: Nassim Boujellab brachte einen Flatterball auf den Weg, den der Bielefelder Keeper Ortega nur mit Mühe und nach vorne abprallen ließ. Dort wurde Brunner unter Druck zu einer Kopfballrückgabe genötigt, die Ortega mit etwas Mühe aus der Ecke kratzte. War das der Auftakt eines mutigeren Auftritts? Im Gegenteil.

Bei nächster Gelegenheit wurde dem Arminen de Medina so viel Zeit für eine Halbfeldflanke gegönnt, als wäre ihm ein Freistoß zugesprochen worden. Am Fünfmeterraum senkte sich der Ball zwischen den offenbar verdutzten Schalker Verteidigern Sané ("Huch, wo ist mein Gegner?") und Oczipka ("Hätte ich da stören müssen?") auf den Kopf des ansonsten wirkungslosen Torjägers Fabian Klos - von wo die Kugel den Weg ins Toreck fand. Stevens registrierte das fassungslos: "Einer verlässt sich auf den anderen, das darf nicht sein. Einer muss die Initiative ergreifen."

Darauf wartete Stevens auch danach vergeblich. Die Hausherren mühten sich, besonders in den letzten zwanzig Minuten, aber ein Matchplan offenbarte sich nie, und gefährlich wurden sie nicht. Bis zum zweiten Schalker Torschuss dieser Hälfte dauerte es bis zur 76. Minute - und Kabaks Versuch verfehlte sein Ziel um drei mal drei Meter. Dass die Partie insgesamt farbiger wurde, hatte einzig mit der robusten Berufsauffassung beider Teams zu tun. Am Ende dieses "typischen Abstiegskampfspiels" (Stevens) hatte Schiedsrichter Dankert elfmal die gelbe Karte gezückt, und es wird niemanden trösten, dass die Gastgeber diese Wertung am Ende mit 6:5 für sich entschieden hatten. "Sollen wir etwa aufgeben?", fragte Stevens später. "Kannst du nicht aufgeben! Aufgeben ist das Allerletzte. Wir kämpfen weiter und hoffen auf ein wenig Glück."

Wenn es für die Schalker etwas Gutes gab an diesem Abend: Im Seuchenjahr 2020 wird es keine Bundesliga-Niederlage mehr geben können. 2021 wird es dann zunächst darum gehen, die Egalisierung des legendären Minusrekords von Tasmania Berlin aus den 1960er (31 Spiele ohne Sieg) zu vermeiden oder gar zu verschlechtern (die Gegner heißen: Hertha BSC, Hoffenheim, Frankfurt). Insgesamt braucht die völlig verunsicherte Mannschaft aus den restlichen Saisonspielen vermutlich 33 Punkte zur Rettung - so viele, wie sie vom 1. bis 18. Spieltag der vergangenen Saison geholt hatte. Es ist möglich. Aber kaum glaubhaft.

Mit Huub Stevens darf im Januar auf der Schalker Bank niemand rechnen, auch wenn der kauzige Senior das nicht eindeutig aufklärte. Lieber sagte er, leicht giggelnd und erfreut von seiner eigenen Kryptik: "Ich möchte gerne Weihnachten und Silvester ruhig zu Hause sein." Das kann man als Schalke-Trainer garantiert nicht. Wer es macht, soll am Dienstag verkündet werden. Aber Achtung: Vorher steht das Pokalspiel gegen den Viertligisten SSV Ulm an, eine Partie mit hohem Blamage-Faktor für Schalke 04.

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