Bundesliga: Schalke in der Krise:Schlechter als im Abstiegsjahr

Viertes Spiel, vierte Niederlage: Nach dem erschütternden 1:3 gegen furiose Dortmunder spitzt sich die Schalker Krise bedenklich zu. Die Fans sind so wütend, dass sie nicht einmal mehr pfeifen.

Ulrich Hartmann

Um 19.21 Uhr am Sonntagabend stand der FC Schalke 04 endgültig als punktloser Tabellenletzter fest. Die Dortmunder Fans brüllten "Absteiger!", und die Schalker Spieler schlichen vom Feld, als sei diese hämische Prophezeiung bereits nach dem vierten Spieltag die nackte Wahrheit. Mit vier Niederlagen war der FC Schalke 04 in seiner Bundesliga-Historie noch nie in eine Saison gestartet. Ohne den Hauch einer Chance unterlagen die Schalker einer starken Dortmunder Borussia mit 1:3 (0:1). "Wir hätten noch viel, viel höher gewinnen müssen", meinte der BVB-Verteidiger Mats Hummels wahrheitsgemäß nach einem Spiel, in dem "die Schalker an die Wand gespielt" wurden, wie der BVB-Stratege Nuri Sahin ebenfalls wahrheitsgemäß mitteilte.

Dortmunds Neuerwerbungen Shinji Kagawa (2) und Robert Lewandowski, bei einem Gegentor durch Klaas-Jan Huntelaar, beförderten die fröhlichen Dortmunder mit ihren Toren auf den dritten Platz und die deprimierten Schalker an jenes Tabellenende, von dem aus ihr Trainer Felix Magath seinen großen Traum von der mittelfristigen Meisterschaft so schnell wohl nicht mehr äußern wird. "Völlig verunsichert" sei seine Elf gewesen, sagte ein schwer ernüchterter Magath hinterher, "es ist einer der schlimmsten Tage heute. So einen Start habe ich bisher auch noch nicht erlebt." In den nächsten Tage werde er die "Situation neu bewerten", meinte Magath - was immer das bedeuten mag.

Fest steht, dass dieses Spiel für die mit 35 Millionen Euro aufgemotzten Schalker den desaströsen Start perfekt machte. Dortmund dagegen verbesserte mit diesem Spiel seine aktuelle Saisonbilanz auf drei Siege, Jürgen Klopps Team kletterte mit nunmehr neun Punkten auf den dritten Platz kletterte, während Schalke als einziges Team auch nach vier Spielen noch ohne Punkt dasteht und erstmals seit dem 16. August 1998 wieder Letzter ist. Damals war der Klubs dies allerdings bloß nach dem ersten Spieltag.

Zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der Saison hatten sie das Tabellenende zuletzt im November 1993 besetzt. Schalke ist auf seinem selbst ausgerufenen Weg zu einer baldigen Meisterschaft also auf dem deprimierenden Niveau der klubhistorisch enttäuschenden neunziger Jahre angekommen. Mit dieser katastrophalen Bilanz gastieren sie am kommenden Mittwoch im fünften Saisonspiel bei den derzeit blendend gelaunten Freiburgern.

Die gelbe Tribünen-Ecke in der Schalker Arena war am Sonntag nicht so gelb wie sonst zum Derby, denn 1600 BVB-Fans hatten ihre Tickets zurückgegeben, die sie wegen eines Topzuschlags für zu teuer befunden hatten. Ohne diese 1600 Fans sowie ohne ihren Kapitän Sebastian Kehl mussten die Dortmunder ins Spiel. Der Mittelfeldspieler wird wohl zwei Monate pausieren müssen, weil er beim Europapokal in Lwiw einen Sehnenriss im Hüftbeugemuskel erlitten hatte. Für Kehl spielte vor der Abwehr Sven Bender. Auf der gleichen Position hatte auch Schalkes Trainer Felix Magath eine Veränderung vorgenommen, allerdings freiwillig, indem er Peer Kluge für Jermaine Jones aufbot.

Doch dies war ganz offensichtlich nicht die Rochade, die den Schalkern zu ihrem Glück gefehlt hatte. Dortmund agierte frech, Schalke reagierte unfassbar phlegmatisch. Ein von Nuri Sahin getretener und von Sven Bender verlängerter Freistoß (10.) landete aus dem Abseits heraus irregulär im Tor, ein von Neven Subotic geköpfelter Ball (12.) nur auf der Latte und ein Schuss vom ungestört durch die Abwehr wandelnden Shinji Kagawa (15.) in den Armen vom Torwart Manuel Neuer. Dortmund hatte völlig freie Bahn, und vier Minuten später schoss der Japaner aus 20 Metern, wiederum ungestört von der höflichen Abwehr, den Ball zur Dortmunder 1:0-Führung ins Tor. Die Mannschaft der Gastgeber erntete von den eigenen Zuschauern mitleidiges Raunen, während die Gäste-Fans erstmals "Absteiger!" skandierten und ansahen, wie ihr Team weiterhin allerbeste Chancen herausspielte - und vergab. Kevin Großkreutz schoss den Ball wenige Sekunden vor der Pause noch einmal auf die Latte.

Mit dem Brasilianer Edu für den Linksaußen Ciprian Deac wollte Magath seiner Mannschaft in der zweiten Halbzeit ein geordneteres Offensivspiel verpassen. Die erste Schalker Ecke nach 52 Minuten war der Zwischenerfolg, der den eigenen Zuschauern höhnischen Applaus abrang. Der Eckball verpuffte wirkungslos, während die Dortmunder auf der anderen Seite ihre erste Chance der zweiten Hälfte in der 58. Minute zur vorentscheidenden 2:0-Führung nutzten. Der einmal mehr freischwebende Japaner Kagawa drückte eine Flanke des nach der Pause für den angeschlagenen Götze eingewechselten Jakub Blaszczykowski über die Linie - und sorgte unmittelbar für eine gespenstische Ruhe in der Schalker Arena, in der nicht einmal mehr Wut aufkochen wollte.

Zu harmlos spielte die eigene Mannschaft - und nach einer Stunde spielte sie überdies mit einem Mann weniger, weil der neue Innenverteidiger Nicolas Plestan in der 61. Minute die gelb-rote Karte sah und somit nicht mehr erlebte, wie auch Sahin in der 65. Minute nur die Latte traf und Robert Lewandowski in der 86. Minute zum auch in dieser Höhe angemessenen 3:0 traf. So einfach wie diesmal war den Dortmundern in Gelsenkirchen schon lange kein Sieg mehr gelungen. Huntelaars später Refeer (90.) änderte daran nichts mehr.

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