Schlusspfiff in der Veltins-Arena, und niemand wusste so richtig, was er von dem 2:2 zwischen Schalke 04 und Eintracht Frankfurt zu halten hatte. Die Spieler beider Lager nicht, die heimischen Zuschauer auch nicht. Ein Punkt reicht weder den einen noch den anderen für die höchst unterschiedlichen Ziele, Klassenverbleib hier, Europacup dort, darin waren sich alle Beteiligten einig. Doch dieses aufgewühlte, hektische, wilde Spiel hatte im Unentschieden ein weises Ende gefunden, das auch sportlich dem Hin und Her entsprach - etwas glücklich für die Schalker, die spät den Gleichstand herstellten, und auch nicht unbedingt unglücklich für die Frankfurter, die fremder Hilfe bedurften, um nach dem frühen 0:1 überhaupt in die Partie zu finden.
"Eine Wahnsinns-Energieleistung" habe seine Mannschaft vollbracht, um diesen Rückschlag auszugleichen, schwärmte Eintracht-Trainer Oliver Glasner später. Allerdings hatten die Frankfurter ihren ersten Treffer zuvorderst der Kraftlosigkeit des Schalker Torwarts Alexander Schwolow zu verdanken, der in Zeitlupe fiel, während der Ball in realer Zeit auf sein Tor kam. Daichi Kamadas 1:1 (21. Minute) veränderte grundlegend das Geschehen, das bis dahin von Simon Teroddes 1:0 bestimmt war. Kaum 60 Sekunden waren vergangen, als er mit dem Kopf sein fünftes Saisontor erzielte, die Bude bebte und die einheitlich in Blau und Weiß gekleideten Besucher konnten ihr Glück nicht fassen.

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Am Ende überwog dann doch die Ernüchterung. Der späte Ausgleich des VfL Bochum in Berlin wertete den Punktgewinn nach unten ab. Er sei "ein bisschen enttäuscht", meinte Thomas Reis, Schalkes Trainer, "wir hatten uns alle mehr erhofft und vorgenommen". Sein Kommentar galt weniger dem interpretierbaren Tabellenbild als dem Auftritt seiner Elf. Gut gestartet, ja, "dann war's ein bisschen sehr hektisch von unserer Seite".
Schalke fehlt die Courage, um den keineswegs standfesten Frankfurtern den zweiten Hieb zu verpassen
Die frühe Führung hatte Schalke mit einer psychologischen Lage konfrontiert, die nicht einfach zu stemmen war. Druck aufbauen, mit Macht den zweiten Treffer anpeilen? Oder das Temperament zügeln und das Spiel strategisch verlangsamen? Letztlich fehlte die Courage, um den durchaus nicht standfesten Frankfurtern resolut einen zweiten Hieb zu verpassen. Defensiv stand die Deckung gegen eine Frankfurter Offensive, in der Kolo Muani zunehmend enerviert die Lust zu verlieren schien. Doch nicht alle Schalker suchten so entschlossen ihre Chance wie Mittelfeldmotor Alex Král, Torjäger Terodde und Linksaußen Kenan Karaman, der sich überraschend zu einer starken Figur im Team entwickelt hat. So entstand die Vorgeschichte zum 1:1, dem Schlüsselmoment des Tages.
Jene Szene, die womöglich über das Schicksal der Saison entscheidet, hatte zwei Kapitel. Teil eins trug sich nahe der Grundlinie in der Frankfurter Hälfte zu, als Frankfurts Christopher Lenz Anleihen bei der laufenden Eishockey-Weltmeisterschaft nahm und Cedric Brunner mit einem Bodycheck in die Bande schickte. So sah es zumindest das Opfer und offenbar auch der Videorichter im Kölner Keller. Aber der meldete sich erst später, zunächst ging die Eintracht in den Angriff über. Eher geruhsam kamen sie dabei voran, und der Schuss, den Kamada aus 18 Metern abgab, war auch kein Kanonenböller. Weder platziert noch scharf getreten. Im Tor landete er trotzdem.
Über die Qualitäten von Torwart Schwolow hatte Schalke so lange genug diskutiert, bis Ralf Fährmann zu Beginn der Rückrunde seinen alten Posten wieder einnehmen durfte. Fährmanns Comeback geriet zu einem persönlichen Triumphzug, bis er sich verletzte und Schwolow zurückkehrte.
Schalkes Trainer Reis moniert das Verhalten von Referee Schlager
Fußball ist ein Mannschaftssport, aber für den Torwart manchmal eine ganz einsame Angelegenheit. In jenem Moment war er allein unter mehr als 60 000 Zuschauern. Aufgeweckt allenfalls durch die wütende Ansprache des Mitspielers Rodrigo Salazar. Was Trainer Reis nicht gefallen hat: "Wenn Rodri was zu Schwoli sagt - ich denke, es ist gut, wenn man erst mal seine eigenen Leistungen begutachtet."
Der Coach verwies auf "eine Fehlerkette", in der auch der Schiedsrichter Daniel Schlager eine Rolle hatte. Reis sagte, er habe sich nicht nur "eine andere Entscheidung gewünscht", er habe sie auch erwartet: Schließlich habe der Kölner Keller Schlager an den Schirm gebeten. Doch Schlager, der große Probleme hatte, mit dem nervösen Geschehen souverän umzugehen, wollte kein Foul erkennen.
In der zweiten Hälfte entwickelte Frankfurt mehr Dynamik und zeigte mehr Interesse an einem eigenen Tor. Das fiel dann einigermaßen prompt, nachdem Mario Götze den sträflich alleingelassenen Kolo Muani gefunden hatte. Querpass, Tor Tuta (59.), das Fieber-Thermometer in Gelsenkirchen zeigte hohes Angst-Niveau an.
Doch die Schalker fingen sich und drängten auf den Ausgleich. Im Rückstand gelang auf einmal mehr als während der Führung. Saisonentdeckung Henning Matricciani, auch am Samstag in Volksheldenverfassung, leitete den Ausgleich ein. Die eingewechselten Tobias Mohr und Sebastian Polter vollendeten (85.).
Die Entscheidung über Sein oder Nichtsein ist, wie nicht anders zu erwarten, auf den letzten Spieltag verschoben. Schalke muss bei RB Leipzig antreten. "Es wird mit Sicherheit schwer, keiner traut uns was zu", sagte Reis. Aber ängstlich hörte er sich nicht an. Das Drama geht weiter. Letztlich ist das mehr, als die Welt den Schalkern zu Beginn der Rückrunde zugetraut hatte.