Bundesliga: Schalke 04:"Sie verlieren die Mannschaft!"

Kurz nach der Entbindung von allen Aufgaben kündigt der von Schalke 04 schwer beschuldigte Trainer Felix Magath - und verzichtet damit wohl auf sein Gehalt von etwa zwölf Millionen Euro. Es bleibt die Frage: Warum tut er das?

Philipp Selldorf

Der Aufsichtsrat von Schalke 04 war in voller Mannschaftsstärke erschienen, aber er wartete vergeblich auf den Mann, um den es morgens um neun im Raum "Libuda" in der Arena gehen sollte. Felix Magath, 57, hatte am Dienstag zwar aus seinem Münchner Zuhause sein Kommen versprochen ("klar bin ich da"), aber zum verabredeten Termin meldete sich nur sein Anwalt.

Schalke 04 entlaesst Trainer Felix Magath

Von allen Aufgaben entbunden: Felix Magath ist auf Schalke nur noch per TV-Bildschirm zu sehen.

(Foto: dapd)

Auch dieser überbrachte nicht die Botschaft, die die Klubvertreter erhofft hatten. Kein Wort davon, dass Magath auf das Angebot eines Vergleichs eingehen wolle, stattdessen die Mitteilung, dass der Gast nicht kommen werde. In diesem Moment war den Handelnden klar, dass die Scheidung zwischen Schalke und Magath auf die harte Tour erfolgen müsse.

Zwei Stunden später erschien Aufsichtsratschef Clemens Tönnies in Begleitung der Ratskollegen Jens Buchta und Rolf Lange im Presseraum des Stadions und verkündete, man habe "mit sofortiger Wirkung" die Trennung von Magath beschlossen. "Aus Sicht von Schalke 04 gibt es gute Gründe für diese Trennung", sagte der Unternehmer, lehnte es unter Hinweis auf den eventuell anstehenden Rechtsstreit aber ab, diese Gründe zu spezifizieren. Er fügte jedoch an, der Klub sehe "einem juristischen Gang der Dinge überaus gelassen entgegen".

Die letzten Bedenken hinsichtlich eines möglichen Rechtsstreits wurden Tönnies am Nachmittag genommen, als Magaths Anwalt für Medienfragen, Ralf Höcker, eine Erklärung verbreitete. Sein Klient habe "die unberechtigte und unwirksame Abberufung als Vorstand zum Anlass genommen, seinen Anstellungsvertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen", teilte Höcker mit.

Ein einmaliger Vorgang: Es ist in dieser Form im Bundesligageschäft noch nie passiert, dass ein hochbezahlter Fußballmanager die Kündigung einreicht und auf seine Ansprüche verzichtet, nachdem ihn sein Verein vor die Tür gesetzt hat. Zumal da es sich in Magaths Fall um einen potentiell zweistelligen Millionenbetrag handelt.

Dass er aus Kränkung über die schlechte Behandlung gehandelt hat, ist jedoch nicht sehr glaubhaft. Zurück bleibt der Verdacht, dass Schalkes Vorwürfe gegen Magath so schwer wiegen, dass dieser die Geschichte lieber schnell beendet, als sie womöglich vor Gericht zu verfolgen. Aber warum hat er dann nicht dem diskreten Vergleich zugestimmt, den der Verein ihm angetragen hatte? Jetzt ist die Sache öffentlich geworden.

Tönnies sagte am Vormittag in einer der launigen Passagen seiner Rede, "dass wir uns von unserem Lokführer getrennt haben - aber der Zug Schalke fährt weiter". So kam es. Wenig später übernahm Magaths ehemaliger Trainerstab unter Regie von Seppo Eichkorn die Betreuung der Mannschaft. Vorstandsmitglied Horst Heldt wurde zum Sportchef befördert und beauftragt, den Nachfolger zu finden. Es werde "eine Toplösung" geben, versprach Tönnies. Vieles deutet darauf hin, dass der nächste Trainer den Namen Ralf Rangnick, 52, trägt.

Das Kapitel Magath ist trotz der abrupten Schlussstriche natürlich nicht bewältigt. Trainer-Rauswurf Nummer acht in der laufenden Saison fällt aus dem konventionellen Rahmen, denn Magath wurde nicht entlassen, weil seine sportlichen Resultate nicht gefielen oder weil das Verhältnis zur Mannschaft mies war - was im Übrigen auch zutrifft -, sondern weil seine Bilanz als Manager auf prekäre Weise nicht stimmte.

"Wir haben Revision gemacht und festgestellt, dass die Dinge nicht so waren, wie man sie vorfinden müsste. Letzten Endes konnten wir nicht anders", sagte Tönnies und verwies nicht nur auf die Vereinssatzung, sondern auch auf das Gesetzbuch.

Magaths Ruf in Gefahr

Der Aufsichtsrat entsprach seiner Deutung einstimmig. Auch Schalkes Ehrenpräsident Gerd Rehberg hält die Trennung für unerlässlich. "Was Tönnies gesagt hat, das stimmt. Es war leider so", sagte Rehberg. Prompt wurde gemutmaßt, dass es diesmal nicht um die übliche Beurlaubung oder Freistellung ging. Sondern um eine fristlose Kündigung mit der Folge, dass die Zahlungen an Magath sofort eingestellt werden. Der Verein hatte, bevor er in die finale Auseinandersetzung mit Magath zog, zwei Gutachten von Wirtschaftsprüfern sowie eine juristische Expertise anfertigen lassen.

Und schon länger heißt es, dass Magath bei Spielertransfers und anderen Geldausgaben den Aufsichtsrat nicht korrekt informiert habe. Bild berichtete am Mittwoch von einem Prämienversprechen an die Mannschaft, für das Erreichen des Viertelfinales der Champions League insgesamt drei Millionen Euro auszuschütten; zudem von "Nebenabsprachen mit Spielerberatern", die Kosten bis zu vier Millionen Euro verursachten.

Tönnies wollte aus Gründen juristischer Vorsicht nicht erörtern, worin die Vorwürfe im Detail bestehen. Er sprach von einem "Schlüsselerlebnis", das dazu führte, "dass ich mich um 180 Grad gedreht habe". Bis zu jenem Augenblick des Abwendens, der ihn offenkundig beim Lesen des ersten Finanzgutachtens ereilte, habe er Magath gegen alle möglichen Widerstände unterstützt, sagte der Klubfunktionär. Auch in den sportlich prekären Phasen der Saison.

"Ich habe meinen Kopf aus dem Fenster gehalten und alle haben draufgehauen", erklärte er. Dann kamen, vor knapp zwei Wochen, die brisanten Informationen, und sie wirkten wie eine Erleuchtung. Wann er sein Schlüsselerlebnis gehabt habe, wurde er gefragt: "Genau eine Sekunde, bevor ich mich um 180 Grad gedreht habe", sagte Tönnies.

Diese ominöse Erkenntnis lässt die Vorwürfe, die Tönnies außerdem erhob, an den Rand treten. Dabei haben sie ihr eigenes Schwergewicht. Unter anderem geht es um die von Magath zu verantwortenden Kosten für das Profi-Team. Magaths oft geäußerte Darstellung, er trage den Sparkurs des Vereins mit, sieht Tönnies alles andere als erfüllt: "Dass die Kosten nachhaltig reduziert wurden, das halte ich für die Aussage von jemandem, der vielleicht nicht ganz genau hingeguckt hat."

Andererseits, das musste auch der Aufseher und Ankläger Tönnies eingestehen, haben auch die übrigen Vereinsoffiziellen lange genug nicht richtig hingesehen, wie ihr Sportmanager den Etat belastete.

Dass der Trainer Magath in seinem zweiten Dienstjahr die Unterstützung seiner Fußballer einbüßte, ist in dieser Geschichte fast nebensächlich. Tönnies berichtete, dass sich der Mannschaftsrat unter Regie des Kapitäns Manuel Neuer mit Klagen über den Chef an ihn gewandt habe. Tönnies: "Ich habe dann unter vier Augen eindringlich mit ihm geredet - aber viel gesagt hat er nicht. Er hat im Tee gerührt."

Einige Wochen später habe der Mannschaftsrat erneut um Hilfe gebeten. "Es wird immer schlimmer", meldeten die Spieler laut Tönnies. Da habe er Magath ein weiteres Mal getroffen und gewarnt: "So funktioniert Schalke 04 nicht, Sie verlieren die Mannschaft."

Nun hat Magath nicht nur die Mannschaft verloren. Auch sein guter Ruf ist in Gefahr.

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