Bundesliga: Schalke 04:Ein Sieg, der 20 Millionen Euro wert ist

Dank eines Last-Minute-Tores qualifiziert sich Schalke für die Champions League. Trainer Felix Magath spielt seine Titel-Spielchen.

Claudio Catuogno

In Berlin stellt der Reporter vom Blindenradio, der die Heimspiele der Hertha nicht sehen, aber fühlen kann, immer die schärfsten Fragen. Jetzt saß Felix Magath oben auf dem Pressepodium, der Schalke-Trainer, also raus damit: "Herr Magath, wenn Sie ein Jahr nach Ihrem Triumph mit dem VfL Wolfsburg auch mit Schalke die Schale holen, wäre es dann nicht Zeit für eine neue Herausforderung? Könnten Sie sich vorstellen, ihr Erfolgsrezept auch mal in Berlin zu installieren?" Allgemeine Heiterkeit. Der Gedanke machte es sogar Friedhelm Funkel unmöglich, sein Mich-haut-gar- nichts-um-Gesicht aufrecht zu erhalten. Funkel rang sich ein Lächeln ab.

Schalke 04: Felix Magath

Felix Magath darf sich auf die Champions-League-Millionen freuen - und vielleicht sogar über die Meisterschaft.

(Foto: Foto: dpa)

Vielleicht wäre das ja die Perspektive an einem Tag, von dem man bis dahin dachte, er bedeute das Ende aller Perspektiven für Hertha BSC: Felix Magath übernimmt den Hauptstadtklub und führt ihn aus der zweiten Liga ohne Umwege in die Champions League. Träumen kann man ja mal.

Und Magaths Erfolgslogik würde es zumindest nicht widersprechen, jetzt noch schnell einen Vereinswechsel anzukündigen: Vor einem Jahr war es nicht zuletzt Magaths Flirt mit Schalke, der sein Wolfsburger Fußball-Kollektiv dazu anspornte, sich ganz auf sich selbst und seine einmalige Chance zu konzentrieren. Woraufhin es die restlichen Gegner niederwalzte wie im Rausch. Jetzt also das Déja-vu: Magath ärgert die Bayern, bloß dass er diesmal versichert: "Meine Zeit auf Schalke geht weiter, selbst wenn wir Meister werden sollten." Sorry, Hertha.

Dabei hatte es am Samstag 86 Minuten lang so ausgesehen, als würde der Nachmittag ein anderes Déja-vu produzieren, nämlich wieder eines dieser grässlichen 0:0-Heimspiele von Hertha BSC, nach denen der Trainer Funkel immer behauptet: Tolle Leistung, in einem der nächsten Heimspiele werden wir ganz sicher "den Knoten durchschlagen" und "einen Sieg einfahren".

Aber jetzt gibt es ja nur noch ein letztes Heimspiel in dieser verkorksten Saison, das gegen den FC Bayern am 8.Mai, und das müssten die Berliner ebenso gewinnen wie ihre Auswärtsfahrt nach Leverkusen eine Woche zuvor, um sich rechnerisch noch Hoffnungen auf den Klassenerhalt machen zu können. "Realistisch ist das mit Sicherheit nicht", gibt der Kapitän Arne Friedrich zu. Die Hertha ist so gut wie abgestiegen, und das liegt auch an dieser 87. Minute. An Heiko Westermann.

Ein 0:0 hätte Berlin immerhin ein bisschen, Schalke aber denkbar wenig geholfen - doch Westermann erteilte der Hertha eine Last-Minute-Lehrstunde in Sachen Aufwand und Ertrag. Während die Berliner später vergebene Chancen aufzählten wie romantische, aber doch unglücklich zu Ende gegangene Urlaubsflirts, zogen die Schalker nüchtern Bilanz: Flanke Rafinha, Kopfball Farfan - da brachte Herthas Torhüter Drobny mit einem dieser Weltklassereflexe, die ihn persönlich vor der zweiten Liga bewahren werden, Hertha aber nicht, noch den Fuß dazwischen. Gegen Westermanns Abstauber war Drobny dann machtlos. Sollte Schalke tatsächlich Meister werden, wird dieser 1:0-Sieg im Olympiastadion den Ausschlag gegeben haben: "Sicher kein schönes oder, wie man landläufig sagt, gutes Spiel", gab Magath freimütig zu. Aber halt ein gewonnenes.

Lieber unsterblich als reich

Und eines, dank dem man in Gelsenkirchen die betriebswirtschaftlichen Erwartungen bereits übertroffen hat: Die Champions-League-Teilnahme ist dem Klub nicht mehr zu nehmen, inklusive etwa 20 Millionen Euro Zusatzeinnahmen. Ein Großteil dieses Geldes wird wohl in den Schuldendienst fließen, was Felix Magath durchaus zu amüsieren scheint: Man werde jetzt "mal in Ruhe nachsehen, wie viel in der Kasse verbleibt, und dann schauen, was wir mit dem Rest so anstellen können", witzelte er. Im Zweifel wird er mit dem Rest wieder den Kader umkrempeln - was sonst?

Doch wenn die Träume auf Schalke betriebswirtschaftlicher Art wären, hätte man davon mal was gehört. Vor den Geldsegen hat der Fußballgott schließlich das Streben nach Unsterblichkeit gesetzt; nichts anderes hat Magath im Sinn, wenn er mit den Königsblauen Meister werden will. Sie sind jetzt punktgleich mit den Bayern, bei schwererem Restprogramm und schlechterem Torverhältnis - Magath braucht demnach einen Ausrutscher der Münchner. Trotzdem ist der Begriff "Psycho-Krieg", den ihm die Nachrichtenagenturen nun zuschreiben, die falsche Bezeichnung für seine Strategie. Magath führt keinen Krieg. Er spielt seine Spielchen.

Schon vor diesem 32. Spieltag hatte er freimütig von seiner "Überzeugung" berichtet, "dass die Bayern nicht alle ihre Spiele gewinnen werden", nun spottete er über deren 1:1 in Mönchengladbach: "Jetzt haben sie's einmal geschafft. Die Chance, dass es ihnen erneut gelingt, ist dadurch geringer geworden." Doch sollten die Bayern in Lyon das Champions-League-Finale erreichen, "bin ich überzeugt, dass in der Liga noch ein Unentschieden auf sie wartet". Das süffisante Grinsen war nun endgültig in Magaths Gesicht festgewachsen.

Dann erhob er sich und strahlte zum Abschied Friedhelm Funkel an. Der Hertha-Abstieg kümmert Felix Magath nicht, ihn interessiert dieses eine Spiel: Hertha gegen Bayern. Vielleicht wird es ein Unentschieden? Berlin würde es nichts mehr nützen. Schalke könnte es alles bedeuten.

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