Bundesliga: Saisonfinale:Schluss, aus, Nikolaus

Der völlig irre Kampf um Platz zwei: Was die Ehrenmänner Jupp Heynckes und Robin Dutt am letzten Bundesligaspieltag tun könnten, um zugunsten ihrer neuen Klubs absichtlich zu verlieren.

Moritz Kielbassa, Christof Kneer und Philipp Selldorf

Ist es nicht versöhnlich, dass diese von unerwarteten Ergebnissen und abenteuerlichen Wendungen geprägte Saison mit einem altbekanntem Szenario zu Ende geht? So kennt man seine Bundesliga doch: Dass der FC Bayern mit markigen Sprüchen Druck macht - und Bayer Leverkusen am letzten Spieltag etwas zu verlieren hat.

Heynckes gegen Dutt - Zwei Trainer im Zwiespalt

Interessenskonflikte? Iwo! Jupp Heynckes (links) und Robin Dutt.

(Foto: dapd)

"Die Vergangenheit hat gezeigt, welche Teams mit Druck umgehen können und welche nicht", stichelte Bayerns Thomas Müller vor dem Fernduell der beiden Teams um den lukrativen zweiten Champions-League-Platz: "Wir hoffen, dass Leverkusen seinem Ruf gerecht wird." Und Uli Hoeneß, Fachmann für psychologische Kriegsführung, hat gesagt, dass... Nichts hat er gesagt.

Die Saison 2010/2011 endet eben doch mit abenteuerlichen Wendungen: Hoeneß lästert nicht gegen Leverkusen, weil dort sein Freund Jupp Heynckes Trainer ist.

Dieser Heynckes würde von einer Niederlage seiner Leverkusener in Freiburg theoretisch profitieren, weil das seinem künftigen Klub, dem FC Bayern, nützen würde.

Und Robin Dutt, Trainer des SC Freiburg, würde theoretisch ebenfalls von einer Niederlage seiner Elf profitieren - weil das seinem künftigen Klub Leverkusen helfen würde. Zum Glück sind Heynckes und Dutt Ehrenmänner und absichtlicher Niederlagen völlig unverdächtig.

Die SZ-Sportredaktion dagegen, die keineswegs aus Ehrenmännern besteht, wüsste schon, wie sie anstelle der Trainer handeln würde. Eine Gebrauchsanweisung zum Verlieren für diesen ganz besonderen Samstag. Nur so, für alle Fälle.

Tipps für Jupp Heynckes (vor dem Spiel)

Wichtig wäre, dass Jupp Heynckes auf dem Leverkusener Trauma herumreitet. "Ich weiß, dass Ihr da ein Trauma habt", muss er seinen Spielern einimpfen und - angeblich zur bewussten Verarbeitung des Komplexes - stets an jenen 20. Mai 2000 erinnern, als Bayer mit einem 0:2 in Unterhaching die Meisterschaft vergab.

Jupp Heynckes

Gewinnen? Iiich? Jupp Heynckes, bald Trainer von Bayern München.

(Foto: dpa)

Flankierend kann er einen riesigen Vierfarbdruck jener Grätsche in der Kabine aufhängen, mit der Michael Ballack damals in der 21. Minute sein berühmtes Eigentor erzielte. Heynckes muss seinen Männern klar machen, dass sie nicht nervös sein müssen, obwohl, klar, wahnsinnig viel auf dem Spiel steht.

Auch sollte er in listiger Negation darauf hinweisen, dass Bayer-Ass Arturo Vidal vom FC Bayern umworben wird - Originalzitat von Heynckes vom Donnerstag (nicht erfunden!): "Derzeit wird anscheinend ja jeder von Bayern verpflichtet, der nicht schnell genug auf dem Baum ist!"

Die Nacht vor dem Auswärtsspiel sollten die Leverkusener überraschend in der Heimat verbringen, in einem lauten Hotel am vielbefahrenen Leverkusener Kreuz. Am nächsten Morgen reist die Elf dann in Kleinwagen nach Freiburg, wo - um die schon jetzt erfolgreiche Saison zu feiern - ein Mittagsmenü wartet, das Ehrenmitglied Reiner Calmund in mühevoller Kleinarbeit hergestellt hat.

Nach dem feierlichen Verzehr aller 28 Gänge bittet Heynckes den Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, eine Motivationsrede zu halten. Wer danach immer noch nicht eingeschlafen ist, bekommt von Calmund eine Extraportion lecker Eisbein. Abrundend erinnert jener in einer launigen Rede ans Unterhaching-Trauma und schließt mit den Worten "So war dat: Schale weg, Bayern Meister, Kapelle Tusch - dumm jelaufen, Schluss, aus, Nikolaus!"

Bei der Aufstellung sollte sich Heynckes für die Innenverteidiger Hyypiä und Friedrich entscheiden, die er nahe an der Mittellinie platziert, damit sie gegen die flinken Freiburger viele Sprintduelle bestreiten müssen. Zudem nimmt sich Heynckes selbst beim Wort und setzt Vidal neben dem Stadion auf einen Baum. Der Trainer betont auch nochmal, wie wahnsinnig viel auf dem Spiel steht und bringt zur Beruhigung des Spieltempos den reaktivierten Carsten Ramelow. Ballack erhält die taktische Anweisung, er solle in der 21. Minute im eigenen Strafraum grätschen. Das Spiel kann beginnen.

Tipps für Robin Dutt (vor dem Spiel)

SC Freiburg's coach Dutt speaks over a loudspeaker to the supporters of his team following their second German Bundesliga soccer match against TUS Koblenz in Koblenz

Gewinnen? Iiich? Robin Dutt, bald Trainer von Bayer Leverkusen.

(Foto: REUTERS)

Auch in Freiburg böte sich an, die schon jetzt erfolgreiche Saison am Vorabend des Spiels zu feiern - mit einem Besuch beim Präsidenten. Fritz Keller ist Besitzer eines Weinguts, das vom Schlemmeratlas als "Weingut des Jahres 2010" prämiert wurde. Dutts sollte seinem Torwart die preisgekrönten Spätburgunder sowie die Bordeaux-Sammlung empfehlen.

Am Morgen danach erinnert er seine Spieler an ihre Verpflichtung gegenüber dem alternativen Standort Freiburg, für den in dieser Partie wahnsinnig viel auf dem Spiel steht. Statt sie mit Zirkeltraining klassisch zu ermüden, lässt Dutt seine Profis zur Illustrierung des ökologischen Anspruchs die Dreisam entrümpeln und neue Sonnenkollektoren aufs Stadiondach montieren.

Zudem erfindet Dutt, ein Freund von Life Kinetik-Übungen, extra für dieses Spiel eine neue Taktik. Statt auf dem linken Fuß einen Tennisball zu jonglieren und dabei das rechte Auge mit einer Augenklappe zu verdecken, empfiehlt er seinen Profis, die Augenklappen auch im Spiel zu tragen.

Bei der Aufstellung entscheidet Dutt, seinen Torjäger Cissé für die Sommerpause zu schonen.

Tipps fürs Spiel

Bayer 04 Leverkusen - Hamburger SV

Einfach keinen guten Tag erwischt: Bayer-Stürmer Stefan Kießling.

(Foto: dapd)

Im Spiel ist flexibles Reagieren gefragt. Für den unwahrscheinlichen Fall einer Halbzeitführung müsste Heynckes vorsorgen und eine DVD mit den schönsten Szenen der verlorenen Leverkusener Endspiele aus dem Jahr 2002 vorbereiten. Zusätzlich würde er Calmund bitten, die Spanferkelreste vom Vorabend an die Viererkette zu verfüttern.

Dutt indes weist die Stadionordner an, im Falle einer plötzlichen Leistungsexplosion des übermotivierten Cissé-Vertreters zwei Volker-Finke-Gedächtnis-Strandkörbe vors Leverkusener Tor zu rollen.

Trifft der Cissé-Vertreter dennoch, schickt er ihn zu Vidal auf den Baum. Für den Fall, dass beide Teams versehentlich ihren besten Fußball zeigen, haben die Trainer verabredet, ihre Teams weiter zu verwirren, indem sie nach der Halbzeit plötzlich auf der falschen Trainerbank auftauchen.

Sicherheitshalber sollten beide Trainer einen Joker aufbewahren. Sollte das Spiel wider Erwarten schlecht, also gut, laufen, erwägt Heynckes, regelwidrig viermal auszuwechseln - womit das Spiel verloren wäre. Ähnliches plant Dutt: Er hat Ömer Toprak, der ihn nach Leverkusen begleitet, für den Notfall auf der Ersatzbank platziert. Auch dessen Einwechslung hätte eine Niederlage zur Folge: Toprak ist gelbrot-gesperrt.

Kein Wunder wäre allerdings, wenn diese abenteuerliche Saison abenteuerlich humorlos endet: mit einem 1:0-Sieg von Bayer 04, das damit zum ersten Mal stolz wäre auf den Titel "Vizekusen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: