Bundesliga:Rückwärtsfußball

Trainer Markus Gisdol Hoffenh kann nicht fassen dass der Linienribjter Abseits anzeigt TSG 1899; Gisdol

Zum Verzweifeln: Markus Gisdol ist mit Hoffenheim auf den 17. Platz abgesackt. Das ist zu wenig bei einem Verein, der vom Europapokal träumt.

(Foto: imago/Avanti)

Nach Hoffenheims Abrutschen schwindet der Rückhalt für Trainer Markus Gisdol.

Von Tobias Schächter

Von Tobias Schächter arkus Gisdol will sich an Entwicklungen messen lassen. Das ist im ergebnisorientierten Tagesgeschäft Bundesliga ein ehrenwerter Ansatz. Die jüngsten Entwicklungen in Hoffenheim sind für den zuständigen Trainer allerdings besorgniserregend. Die TSG ist nach der 2:4-Niederlage beim VfL Wolfsburg auf einen Abstiegsplatz gerutscht, nur sechs Punkte aus neun Spielen entsprechen nicht den Erwartungen an diesen Kader. Für Gisdol ist aber noch viel alarmierender, dass die Ergebniskrise mit einer langen Entwicklungskrise einhergeht. Im gesamten Kalenderjahr hinkt die Elf hinter den insgeheim gehegten Europapokal-Träumen hinterher. Der von Gisdol notorisch gepredigte Vorwärtsverteidigungs-Fußball sieht seit Monaten eher wie ein ewiges Vorwärts-Gehetze aus, das der Mannschaft früh Kraft raubt und am Ende durch späte Gegentore oft Punkte kostet. Über die Entwicklung sei besonders Mäzen und Gesellschafter Dietmar Hopp "tief enttäuscht", berichtet ein Insider. Und die Vergangenheit zeigt: Wer in diesem Klub Hopps Gunst verliert, hat nur geringe Chancen auf eine Zukunft bei der TSG.

Noch ist nicht sicher, ob Gisdol die Chance bekommt, am Freitag das Spiel gegen den HSV zu leiten

Lange zehrte Gisdol davon, dass er die im April 2013 in fast auswegloser Situation übernommene Mannschaft über die Relegation doch noch zum Klassenerhalt geführt hatte. Nun scheint es, als habe der sehr von seiner Philosophie überzeugte Trainer in Hoffenheim diesen Kredit verspielt. So berichtete Bild, dass Gisdol bei der TSG vor dem Aus stehe; möglich sei sogar eine Trennung noch vor dem Heimspiel am Freitag gegen den Hamburger SV. Nach SZ-Informationen war am Dienstagnachmittag eine Entlassung vor dem HSV-Spiel "nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen", wie ein Insider sagt. Aber auch ein Sieg gegen Hamburg bedeute "nicht unbedingt eine Job-Garantie" für den 46 Jahre alten Württemberger, heißt es. Wer sich bei der TSG umhört, findet nicht mehr viel Rückhalt für den Trainer. Erste Zweifel an Gisdol gab es schon bei der Vertragsverlängerung im Frühjahr, schon da war eine Stagnation zu erkennen. Außerdem sei Gisdols Auftreten während der Verhandlungen nicht gut angekommen, heißt es. Zu einem ersten Termin mit Dietmar Hopp soll Gisdol seinen Berater geschickt haben und nicht selbst erschienen sein; eine Vorgehensweise, die einen Traditionalisten wie Hopp nicht erfreut hat. Die Verlängerung kam dann vor allem deswegen zustande, weil die Ergebnisse einigermaßen stimmten und die TSG auf Kontinuität setzen wollte. Nun stimmen aber seit Monaten weder die Ergebnisse noch die Leistung. Und die Stimmung ist gegen den Trainer gekippt, auch aus dem Team hört man kritische Stimmen. Und dass der von Gisdol oft verschmähter Stürmer Anthony Modeste nun in Köln reüssiert, wird auch dem Trainer vorgeworfen. Eng mit Gisdols Schicksal ist auch das Schicksal des jungen Sportchefs Alexander Rosen verknüpft, der sich mit dem Trainer zusammen seit der gemeinsamen Übernahme vor zweieinhalb Jahren stets im Paket positioniert hat. Mittlerweile scheinen beide im Klub einigermaßen isoliert zu sein. Rosen erklärte in diversen Interviews nach der Niederlage in Wolfsburg, er sehe in einem Trainerwechsel kein "Allheilmittel", er glaube noch an diese Konstellation in Hoffenheim. Ob Rosen aber noch die Deutungshoheit besitzt? Auch sein Job steht womöglich zur Disposition - zumal bald ein renommierter Manager wie Horst Heldt auf den Markt kommen könnte.

Besonders im vorher traditionell so starken Hoffenheimer Sturm läuft bislang sehr wenig

Rosen wird angelastet, dass die Zusammenstellung des Kaders nicht optimal gelungen ist. Nachdem auf den letzten Drücker noch der Chilene Eduardo Vargas verpflichtet wurde, stehen nun mit Marc Uth und Kevin Kuranyi zwei weitere Stürmer am Rand, die ebenfalls erst im Sommer geholt wurden. Außerdem ist es nicht gelungen, den bei Gisdol in Ungnade gefallenen Stürmer Adam Szalai zu verkaufen. Und andere Kräfte, gegen die das Duo Gisdol/Rosen sich immer wieder zu emanzipieren versucht hat, gewannen in der Krise wieder an Macht. Den Bundesliga-Rekordtransfer von Roberto Firmino für 41 Millionen Euro zum FC Liverpool wickelte federführend dessen Beratungsagentur ab, deren Chef Roger Wittmann ein guter Freund von Hopp ist. Mit dieser Einnahme kam der Klub dem von Hopp formulierten Ziel näher, sich finanziell bald selbst zu tragen. Ein Szenario, das Gisdols Verbleib noch sichern könnte, wäre möglicherweise eine Siegesserie der TSG mit Beginn des Hamburg-Spiels. Aber ob Gisdol diese Chance überhaupt noch bekomme, sei nicht sicher, hieß es am Dienstag.

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