Bundesliga:Roger Schmidt kommt im postfaktischen Zeitalter an

Leverkusens Trainer sieht ein faires Spiel, Anthony Modeste nimmt eine unwahrscheinliche Flugbahn und der Terminator beobachtet es mit Fliegerbrille. Die Tiefflieger des Spieltages.

1 / 7

Anthony Modeste

Bayern München - 1. FC Köln

Quelle: Matthias Balk/dpa

Manuel Neuer sagte zu der entscheidenden Szene: "Ich muss mich entscheiden, ob er ihn kriegt oder nicht." "Er" ist Anthony Modeste, "ihn" ist der Ball und die Einschätzung von Manuel Neuer ist in dem Fall sehr interessant. Er war ja nah genug dran und die Abwägungen von Manuel Neuer, wer, wann, wie, welchen Ball kriegt sind in der Regel nicht so schlecht. Stichwort: Spiel gegen Algerien. Manuel Neuer als anerkannter Flugbahn-Experte und Fachmann für waghalsige Sprünge dachte also: An die Flanke kommt der nicht mehr dran und machte sich auf den Weg in die lange Ecke.

Und Anthony Modeste, sprang ab, riss sein Bein in die Höhe wie eine Tänzerin beim Gardetanz am Kölner Karneval und berührte den Ball mit der Fußspitze, die höher war als seine Nasenspitze. Manuel Neuer sah dann, womit er nicht mehr gerechnet hatte und krabbelte zurück zum Ball, der längst im Tor lag. Ein Tor wie ein Basketball-Dunk. In Köln muss man diese Saison mit dem Unwahrscheinlichsten rechnen.

(schm)

2 / 7

Breel Embolo

FC Schalke 04 v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Breel Embolo ist 19 Jahre alt, andere Jungs seines Alters gehen zur Uni. Er halt zu Schalke. Und man muss ihm lassen, dass er relativ schnell begriffen hat, worauf er sich da eingelassen hat. Nachdem er zwei Tore gegen Borussia Mönchengladbach geschossen hat, hielt er sich die Ohren zu. Warum? "Es wurde viel geschrieben und gesagt in den vergangenen Wochen", sagt er. "Es wird hier viel Unruhe von Außen rangetragen." Embolo ist ja nicht nur 19, er hat auch 22,5 Millionen gekostet und bei der Kombination dieser beiden Zahlen gilt man ja in der Branche als Überflieger. Wenn man sich dann ein paar Spiele Zeit lässt mit der Leistung, dann kocht die Stimmung hoch und in Schalke besonders schnell. Aber wer dem Schweizer so zuhörte nach dem Spiel, dann scheint er das einerseits schnell durchschaut zu haben und andererseits ganz gut damit klarzukommen.

(schm)

3 / 7

Thomas Tuchel und Roger Schmidt

Bayer 04 Leverkusen v Borussia Dortmund - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Die Gesellschaft ist ja längst im postfaktischen Zeitalter angekommen. Es geht nicht mehr darum, was wirklich ist, sondern wie es sich anfühlt. In diesem Sinne ist Roger Schmidt im Fußball ein Vorreiter, wenn er sagt, er habe eine "faire Partie ohne schlimme Fouls" gesehen. Ein Relikt aus der Fakten-Ära - das Statistik-Blatt - widersprach ihm da. "Faires Spiel sagt der Trainer der Mannschaft mit 21 Fouls zum Trainer der Mannschaft mit sieben Fouls. Da habe ich eine andere Vorstellung", interpretierte Thomas Tuchel, der noch nicht begriffen zu haben scheint, dass er mit Fakten nicht mehr kommen muss. Und auch nicht mit dem wenigstens diskutablen Tritt von Charles Aranguiz gegen Matthias Ginter. Das sind Tatsachen, also wertlos.

Roger Schmidt sagte dann also richtigerweise: "Vielleicht ist Dortmund ja eine Mannschaft, die schnell Fouls zieht. Das machen sie clever." Viel besser. Zweifel streuen. Den Gegner verunsichern. Wenn Leverkusener in Dortmunder reinfliegen (im Bild Hakan Calhanoglu gegen Christian Pulisic) kann das auch die Schuld der Dortmunder sein. Was in der Politik funktioniert, kann im Fußball nicht so falsch sein.

(schm)

4 / 7

Vedad Ibisevic

Hertha BSC v Hamburger SV - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Wäre Vedad Ibisevic ein Flugobjekt, er wäre vermutlich eine Rakete. Sein Saisonstart bei Hertha BSC ist schließlich so optimal verlaufen, dass er nun schon mit fünf Toren in den Statistiken auftaucht und zusammen mit üblichen Verdächtigen wie Robert Lewandowski oder Pierre-Emerick Aubameyang die Torjägerliste anführt. "Das war einer der schönsten Tage - auch privat", sagte Ibisevic nach seinen beiden Treffern beim 2:0-Erfolg gegen den Hamburger SV. Schließlich war er kaum 24 Stunden zuvor zum zweiten Mal Vater geworden, "ein überragender Zeitpunkt", fand der Hertha-Profi. Nach einem Jahr in Berlin hat er schon fast halb so viele Tore auf dem Konto wie in drei Jahren beim VfB Stuttgart - es läuft bei Ibisevic. "Jeder, der Kinder hat, weiß, dass dies noch mal einen Schub gibt", sagt der 32-jährige Kapitän. Die Rakete wird also erstmal nicht wieder landen.

(ska)

5 / 7

David Abraham

SC Freiburg - Eintracht Frankfurt

Quelle: dpa

Die Statistik spricht für den Argentinier. In fünf Bundesliga-Spielzeiten flog er nicht einmal vom Platz. Die Bilder sprechen gegen den Argentinier: Denn einmal griff er Vincenzo Grifo ins Gesicht, einmal schlug er mit dem Ellbogen. Hätte durchaus für einen Premieren-Platzverweis gereicht. Aber im vielleicht hitzigsten Spiel des Spieltages flog niemand vom Platz und im Gegensatz zu Dortmund gegen Leverkusen fanden das beide Trainer auch irgendwie okay und freuten/ärgerten sich eher drüber, den Kampf gewonnen/verloren zu haben. "Der Schlüssel war der unbedingte Wille. Das war nichts für Ästheten", sagte Christian Streich. "In der zweiten Hälfte haben wir uns den Schneid abkaufen lassen. Unter dem Strich geht der Freiburger Sieg in Ordnung", sagte Niko Kovac. Man kann sich nach dem Spiel also auch einfach die Hand geben.

(schm)

6 / 7

Arnold Schwarzenegger

01 10 2016 Fussball 1 Bundesliga 2016 2017 6 Spieltag FC Bayern München 1 FC Köln in der Allia; schwarzenegger

Quelle: imago/MIS

Arnold Schwarzenegger fiel auf. Gut, er hatte da diese Flieger-Sonnenbrille im Gesicht, doch es ist wahrlich nicht so, als würde ein Terminator dadurch unsichtbar werden. Im Münchner Hauptbahnhof fuhr er Fahrrad, auch nicht die beste Strategie, um sich inkognito durch die Welt zu bewegen. Später saß er im Münchner Stadion, nicht neben gesichtslosen Funktionären, sondern neben Fernseh-, Sterne- und Vereinskoch Alfons Schuhbeck. "Ich bin jetzt 69 Jahre alt, und es war mein erstes Fußballspiel in München. Und obendrein noch so ein spannendes Spiel", sagte der Schauspieler später, "Bayern gegen Köln, es war wirklich hervorragend, es war der Höhepunkt meiner Europareise." Vor ein paar Jahren hätte man ihn für diesen Schlusssatz noch bedauern müssen. Doch in dieser Saison kann man sowas sagen, mit einem 1. FC Köln, der auffällt und Bayern in der Bundesliga die ersten Punkte klaute. Clever gewählt, Herr Schwarzenegger.

(ska)

7 / 7

Peter Stöger und die Kölner auf der Wiesn

Bayern München - 1. FC Köln

Quelle: Andreas Gebert/dpa

Tausende Menschen, die sich verkleiden und zu viel trinken, um schlimme Musik zu ertragen? Damit kennen sich Kölner wunderbar aus, womit sie auch bestens für einen Wiesn-Besuch gewappnet sind. Am Samstagnachmittag spielten die Karnevalskönige im Münchner Norden, danach verabschiedete sich ein Teil der Mannschaft Richtung Theresienwiese, denn Grund zum Feiern hatten die Spieler ja. Stichworte: Punktgewinn. Beim. FC Bayern. "Wir wissen, dass wir ein außergewöhnliches Jahr brauchen, um ein Stück weiter nach oben rücken zu können", sagte Trainer Peter Stöger, der lieber tief stapelt als tief fällt. Seine Tiefflieger mussten ohne ihn anstoßen, er flog zurück nach Köln. Seine Abschiedsworte: "Die meisten vertragen eh nicht viel." Ob das nun gut oder schlecht ist, weiß wohl nur Stöger selber.

(ska)

© Sz.de/schm
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: