Revierderby:Schalke zeigt, was Dortmund fehlt

Bundesliga: Schalke 04 gegen Borussia Dortmund 2019

Von galligen Schalkern umringt: BVB-Verteidiger Mats Hummels (rechts).

(Foto: LEON KUEGELER/REUTERS)
  • Einseitiges Revierderby: Schalke kämpft, Dortmund zaudert - der BVB rettet nur mit Glück einen Punkt.
  • "Das ist die beste Mannschaft in der Bundesliga, was die Zweikämpfe betrifft", sagt Dortmunds Trainer Favre über die Schalker.
  • Seine Position beim BVB verschlechtert sich weiter.

Von Felix Meininghaus, Gelsenkirchen

Die Szene in der Endphase des Revierderbys war stilgebend: Dortmunds eingewechselter Offensivspieler Thorgan Hazard führte auf der rechten Außenbahn den Ball und wurde vehement von Schalkes Bastian Oczipka unter Druck gesetzt. Der Belgier drehte ab, orientierte sich nach hinten, wo Amine Harit dazukam, was Hazard noch weiter in die Defensive trieb. Schließlich kam auch noch Suat Serdar dazu, eroberte den Ball und leitete den Gegenangriff ein. Hazard wusste sich nur zu helfen, indem er seinem Widersacher von hinten in die Beine grätschte.

Jeder konnte sehen: Schalke agierte galliger, griffiger, zielstrebiger und mit wesentlich mehr Leidenschaft als der Rivale, der sich seit Wochen damit beschäftigen muss, dass er immer dann in ernste Schwierigkeiten gerät, wenn der Gegner mit grimmiger Entschlossenheit und physischer Präsenz zu Werke geht.

Die 177. Auflage des Klassikers ging zwar mit einem torlosen Remis zu Ende, doch auch wenn die Zähler geteilt wurden, durften sich die Gastgeber vor 61.873 Besuchern in der Schalker Arena als klarer Punktsieger fühlen. Der BVB hatte mehrere Male Glück, dass er ohne Gegentor davonkam. Ein Kopfball von Salif Sané an die Unterkante der Latte, ein Schuss von Serdar an den Innenpfosten, eine knifflige Szene in der zweiten Hälfte, als Hazard der Ball nach einem Eckball an den Arm sprang und es durchaus einen Strafstoß hätte geben können. Das Schicksal zeigte sich überaus gnädig mit den zaudernden Gästen, die es über 90 Minuten versäumten, das Spiel an sich zu reißen.

Harmloses Dortmunder Ballgeschiebe

Ins letzte Treffen der sich in inniger Abneigung gegenüberstehenden Rivalen gingen die Dortmunder noch mit unfassbaren 42 Punkten Vorsprung, mittlerweile begegnen sich die Ruhrgebiets-Protagonisten auf Augenhöhe. Borussias Aushilfstorhüter Marvin Hitz, der für die erkrankte Stammkraft Roman Bürki in die Mannschaft gerückt war, fand für die Verteilung der Kräfte eine überraschende Erklärung: "Das Schalker Glück in den Zweikampfsituationen hat ihnen vor dem Tor gefehlt." Die Sichtweise hatte der Schweizer exklusiv, denn was hat es mit Glück zu tun, wenn der Gegner immer wieder den Ball gewinnt, weil er mit größerem Willen und Überzeugung agiert?

Da war die Deutung der Dinge bei Hitz' Kollegen am anderen Ende des Spielfelds schon wesentlich stimmiger. Schalkes Kapitän Alexander Nübel, der das Spiel auf der Linie seines Tores vor sich sah, brachte das harmlose Dortmunder Ballgeschiebe mit einem bemerkenswerten Statement auf den Punkt. Es mache es einer Abwehr "schon leichter", konstatierte der vom FC Bayern München umworbene Torhüter, "wenn vom Gegner keiner in die Box will".

Mit dieser Aussage konfrontiert, konstatierte Favre: "Uns fehlten die Durchschlagskraft und die richtigen Bewegungen". Und weiter: "Unter Druck haben wir Probleme, den Ball zu halten. Sie erobern die Bälle zu leicht, wir brauchen mehr Läufe in die Tiefe."

Favres Position verschlechtert sich weiter

Das war ebenso richtig wie selbstkritisch analysiert. Alles in allem präsentiert sich die Borussia mal wieder erschreckend weit von den eigenen Ansprüchen entfernt. Immerhin haben sie vor Saisonbeginn in Dortmund das Ziel ausgegeben, den Dauermeister aus München endlich vom Thron stoßen zu wollen. Doch der von Selbstzweifeln getriebene Favre scheint immer weniger der richtige Mann zu sein, um solch hehre Vorsätze in die Tat umzusetzen.

Viel Lobenswertes fand der Schweizer nicht am Auftritt seiner kickenden Belegschaft. Stattdessen lobte er den Gegner sehr deutlich. Schalke habe "extrem aggressiv" agiert, "das ist die beste Mannschaft in der Bundesliga, was die Zweikämpfe betrifft. Und dann noch die vielen intensiven Läufe". Ungewollt benannte der Übungsleiter damit alles, was seine Mannschaft an diesem Nachmittag nicht auf den Platz gebracht hatte.

Erschreckend blutleer beim 0:2 in der Champions League bei Inter Mailand und drei Tage später ohne Überzeugung und Ausstrahlung beim Revierderby. Das mit vielen Millionen verstärkte Ensemble von Borussia Dortmund erlebt einen Herbst, der viele Fragen aufwirft. Kapitän Marco Reus brachte den erneut dürftigen Auftritt auf den Punkt: "Das ist natürlich viel zu wenig, was wir nach vorne machen. Uns fehlt die Leichtigkeit, das Spielerische, was uns ausmacht."

Kein Zweifel, die Nullnummer hat Favres Position in Dortmund nicht verbessert. Der Schweizer bleibt beim Revierklub unter besonderer Beobachtung, die Diskussionen um den angezählten Trainer werden an Dringlichkeit zunehmen. Favre registriert die für ihn immer brisantere Gemengelage sehr genau und versucht, sich davon nicht mehr als nötig beeinträchtigen zu lassen. Auf Nachfrage sagte der 61-Jährige: "Ich habe kein großes Interesse, darüber zu sprechen."

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