Fußball:Die Relegation bedient archaische Reflexe

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In Heidenheim platzte am Montagabend der Bundesliga-Traum - und alle guckten zu. (Foto: dpa)

Das Endspiel des kleinen Mannes folgt einer zynischen Logik - künftig wird wohl die halbe Liga von der Relegation bedroht sein.

Kommentar von Christof Kneer

Die TSG Hoffenheim besitzt ebenso wie der VfL Wolfsburg eine gute Mannschaft, Bayer 04 Leverkusen und Borussia Mönchengladbach sowieso. Und es war ja auch ein irre spannendes Finale, das sich diese Teams am vorvergangenen Wochenende geliefert haben. Das Land war in Aufruhr, eine Sondersendung jagte die nächste: Wer würde es noch auf den vierten Tabellenplatz und somit in die lukrative Champions League schaffen, oder wie das in der Fachsprache natürlich heißen muss: an die Fleischtöpfe der Königsklasse? Gladbach oder Leverkusen? Und, nicht minder erregend: Wer würde sich direkt für die etwas vegetarischere Variante der Fleischtöpfe qualifizieren, die Europa League, und wer würde einen mörderischen Qualifikations-Umweg in Kauf nehmen müssen? Hoffenheim oder Wolfsburg? Und dann, endlich, der große, dramatische Hauptstadtroman: Union oder Hertha?

Wahnsinn, wa. Straßenfeger.

Nein, man kann der Bundesliga nicht vorwerfen, dass sie ganz vorne einen FC Bayern hat, der jetzt wieder wie der FC Bayern spielt, und ebenfalls spricht es für die Bundesliga, dass dahinter die altehrwürdigen Dortmunder und die neureichen Leipziger folgen, für die man sich in der Champions League auch nicht genieren muss. Und das DFB-Pokalfinale: Wirklich ambitionierter Fußball war das.

Aber wirklich spannend?

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Von Christof Kneer

Wirklich ambitionierter Fußball war es eher nicht, den Bremen und Heidenheim in der Relegation gezeigt haben, die einen (Bremen) wirkten im Hinspiel fußballerisch blockiert, die anderen (Heidenheim) im Rückspiel fußballerisch limitiert. Emotional war die Relegation aber so etwas wie das große Saisonfinale, es war ein Endspiel des kleinen Mannes: Die Relegation folgt einer zynischen Logik, es geht in diesem Drehbuch kaum um Fußball, sondern darum, Prominenten beim Überleben ins Gesicht zu schauen. Die Relegation bedient archaische und voyeuristische Reflexe, und man muss nicht zwingend ein schlechter Mensch sein, um das unterhaltsam zu finden.

So wie die Liga läuft, darf sie sich darauf einstellen, dass ihr dieses zweifelhafte Vergnügen als schauerliche Schlusspointe erhalten bleibt. Die Liga richtet sich gerade in neuer Architektur häuslich ein, oben die Bayern, dahinter BVB/RB, wieder dahinter Gladbach und Leverkusen und noch mal dahinter Hoffenheim, Wolfsburg und demnächst wohl auch die altehrwürdige, neureiche Hertha. Und die dazugehörige Logik ist in ihrer Konsequenz ja genauso gruselig wie ein Relegationsschocker: Je erfolgreicher die da oben sind, desto reicher werden sie, und desto weiter entfernen sie sich von den Klubs dahinter. Künftig dürfte die halbe Liga von der Relegation bedroht sein, erst recht all die Prominenten wie der Gerade-noch-Drinbleiber Bremen oder der Gerade-so-Rückkehrer Stuttgart.

Nächstes Jahr also vielleicht Schalke gegen den HSV? Straßenfeger!

© SZ vom 08.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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