Man kann davon ausgehen, dass die Spieler der SV Elversberg den Namen Leonardo Scienza schon mal gehört haben. Vermutlich ist es ihnen sogar geläufig, dass Scienza von Beruf Fußballer ist und als solcher einen Arbeitsvertrag beim 1. FC Heidenheim hat. Schwer zu sagen aber, ob sie sonst noch etwas über Scienza wissen.
Am Donnerstagabend hatten es Elversberg und Scienza tatsächlich zum ersten Mal miteinander zu tun, obwohl beide doch aus denselben Regionen kommen. Nicht geografisch zwar, aber in Bezug auf die Fußball-Landschaft. Vor drei Jahren spielte Elversberg noch in der Regionalliga, 2023 gelang den Saarländern dann der Aufstieg in die dritte Liga – und Scienza, 26, spielte erst für Schalke II in der vierten Liga und später für Ulm in der dritten. Doch erst am Donnerstag führte sie das Hinspiel der Bundesliga-Relegation zusammen.

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Als Elversbergs Trainer Horst Steffen nach dem 2:2 dann im Presseraum des Heidenheimer Stadions saß, sprach er davon, wie sehr es seine Mannschaft in der zweiten Hälfte „gespürt“ habe, dass Heidenheim „Qualität reinbringen kann“. Für das Rückspiel hoffe er deshalb, „dass die Jungs das als Erfahrung mitnehmen und dann nicht mehr so überrascht sind, was an Spieltempo und Intensität auf den Platz kommt“. Steffen meinte: wie sehr Scienza das Spiel veränderte, als er zur Halbzeit das Feld betrat.
Mit den Personalwechseln zur Pause sei „neue Energie“ ins Spiel gekommen, analysierte auch Scienza selbst. Dann grinste er und sagte über Frank Schmidt, seinen eigenen Trainer: „Am Ende hat er schon wieder alles richtig gemacht.“
Elversberg probiert es spielerisch, Heidenheim mit Kampf und Wucht
Obwohl seine Mannschaft als Favorit ins Spiel gegangen war, hatte Schmidt zunächst auf Paul Wanner und Scienza verzichtet, die besten Techniker, die sein Kader hergibt. Heidenheims Trainer zog es zunächst vor, wieder auf jenen Pragmatismus zu setzen, dem sich seine Mannschaft im Kampf um die Bundesliga-Existenz vor Monaten verschrieben hat. Auch das war also eine kuriose Fußnote dieses Duells: Die Elversberger, die aus dem Hoch-und-weit-Milieu zweite Liga kommen, pflegten in der ersten Hälfte einen spielerischen Ansatz, während Heidenheim, als Bundesligist eigentlich höher veranlagt, mit Wucht und Macht zum Erfolg kommen wollte. Doch dieser Plan ging gehörig schief: Bis zur Pause setzte sich Elversberg durch Tore von Lukas Petkov (18.) und Fisnik Asllani (42.) ab.
„Man muss kein Fußballlehrer sein, um zu wissen, dass ein 0:2 zur Halbzeit nicht schön ist“, meinte Schmidt später, „ich glaube, es gibt wenige, die dann sagen: Wir machen so weiter.“ Vor dem Hintergrund des Zwei-Tore-Rückstands, betonte Heidenheims Trainer, seien die Personalwechsel nach den ersten 45 Minuten „alternativlos“ gewesen. Erst dann schlug die Stunde jenes Mannes, den Elversberg spätestens jetzt so richtig kennenlernte. Gemeinsam mit Budu Zivzivadze und Paul Wanner, die mit ihm zur Halbzeit eingewechselt wurden, änderte Scienza die Dynamik des Spiels.

Dass der Brasilianer ein Feingeist ist, der ein Spiel im Alleingang entscheiden kann, mag sich vielleicht nicht bis in die entlegensten Ecken der Republik herumgesprochen haben. Am Donnerstag legte er aber mal wieder ein Zeugnis davon ab. Beide Heidenheimer Tore leitete er mit Schüssen ein, die Elversbergs Torwart Nicolas Kristof nur nach vorn abwehren konnte – einmal staubte Tim Siersleben ab (62.), einmal Mathias Honsak (64.). Und so ging Heidenheim nach 90 mitreißenden Minuten als moralischer Sieger aus einem Duell hervor, das auf dem Papier (und auch auf dem Rasen) unentschieden zu Ende gegangen war.
Schon die Ausgangslage vor diesem Relegationsspiel war ungewöhnlich. In aller Regel hat ja der Erstligist eine ziemlich unbefriedigende Saison hinter sich und trifft auf einen – sofern es nicht gerade der Hamburger SV ist – euphorisierten Zweitligisten. Dieses Mal aber kam auch Heidenheim gewissermaßen von unten: Im März stand der FCH noch auf Platz 18 und war deshalb emotional selbst obenauf.
Schon vor über zwei Monaten hatte Schmidt den Relegationsrang als neues Saisonziel ausgegeben und erreichte es mit seinem Team bereits am vorletzten Spieltag. So ging Heidenheim mit der Gewissheit in die Spiele, wieder zu sich selbst gefunden zu haben. Nach dem Aus in der Conference League hatte Heidenheim immer wieder jene Widerborstigkeit und Kampfeslust ausgezeichnet, die sie all die Jahre zu einem äußerst undankbaren Gegner gemacht hatten.
Also stellte Schmidt auch am Donnerstag erst einmal seine wehrhaftesten Spieler auf – und verzichtete auf Scienza. Der Dribbler ist derart hoch veranlagt, dass man an guten Tagen meinen könnte, er wäre für Heidenheim überqualifiziert. Doch Scienza ist nicht immer pflegeleicht, ein Künstler eben.
Nach der Winterpause war er nur bei vier Bundesligaspielen erste Wahl, am Donnerstag hat er sich nun aber dafür empfohlen, beim großen Saisonfinale in Elversberg in der Anfangsformation zu stehen. Ob es auch so kommt, werde er sich „in Ruhe überlegen“, meinte Schmidt. Was er aber schon am späten Donnerstagabend voraussagte, war dies: „Es ist nicht eins zu eins das gleiche Spiel zu erwarten. Es wird definitiv anders werden.“ Jetzt kennen sie Leonardo Scienza auch in Elversberg.