Bundesliga-Relegation:Der Erfolg bedroht Holstein Kiel

Holstein Kiel - Eintracht Braunschweig

Die Kieler Mannschaft dürfte auch in der Bundesliga im Holstein-Stadium jubeln.

(Foto: dpa)
  • Entspannung in der Stadionfrage: Kiel darf im Falle eines Aufstiegs im Holstein-Stadion bleiben.
  • Dafür muss das Sensationsteam der zweiten Liga allerdings erst gegen den VfL Wolfsburg bestehen.
  • Das erste Spiel ist heute Abend in Wolfsburg.

Von Jörg Marwedel, Kiel

Die Wolfsburger Fußballer Josuha Guilavogui und Divock Origi haben vor laufender Kamera gute Motivationsarbeit geleistet für den Relegationsgegner. Guilavogui gestand vor dem Hinspiel um den 18. Bundesligaplatz an diesem Donnerstag gegen den Zweitliga-Dritten Holstein Kiel, er habe noch nie vom Kieler Torjäger Marvin Ducksch (18 Saisontreffer) oder von Spielmacher Dominick Drexler gehört. Und Origi, der vom FC Liverpool für mehrere Millionen Euro bis zum Saisonende ausgeliehene VfL-Stürmer, sagte auf die Frage, ob er Holstein Kiel kenne: "Nein!"

Kiels Kapitän Rafael Czichos hat das süffisant kommentiert: "Das zeigt, was da für verschiedene Welten aufeinandertreffen." Auf der einen Seite: Spieler, die an der WM teilnehmen wollen oder von Liverpool kommen - auf der anderen, so Czichos, "wir, die den Fußball von einer etwas anderen Seite kennen". Oder, wie Kiels Sport-Geschäftsführer Ralf Becker verglich: "In Wolfsburg verdient ein einzelner Spieler fast so viel wie unsere ganze Mannschaft."

Die Spiele der Bundesliga-Relegation

zur 1. Bundesliga - Hinspiel

VfL Wolfsburg - Holstein Kiel Donnerstag, 20.30 Uhr

Rückspiel: Di., 22., 18.15 Uhr

zur 2. Bundesliga - Hinspiel

Karlsruher SC - Erzgebirge Aue ZDF /Fr. 18.15

Rückspiel: Di., 22. Mai., 18.15 Uhr

Der finanzielle Unterschied zu Wolfsburg (von VW mit rund 70 Millionen Euro pro Jahr unterstützt) ist nicht der einzige Nachteil der Kieler mit ihrem bescheidenen Etat von 6,2 Millionen Euro. Ihnen droht trotz (oder wegen) des großen Erfolges mehrerlei Ungemach: Wegen der begrenzten Kapazität im ehrwürdigen Holstein-Stadion (derzeit nur 11 700 Zuschauer und damit im Grunde schon zu wenig für die zweite Liga) musste der Klub bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) um eine Ausnahmegenehmigung kämpfen, die am Mittwoch schließlich gewährt wurde. "Umfangreiche Zusagen" des Klubs und die Unterstützung durch die Stadt sowie das Land Schleswig-Holstein hätten den Ausschlag zu dieser Entscheidung gegeben.

"Wir sind sehr froh, dass die DFL einlenkt und wir im Falle eines Falles zu Hause spielen können", sagte Sportchef Becker. Das Schreckensszenario von 34 Auswärtsspielen im Falle eines Aufstiegs ist damit erledigt. Holstein Kiel will die von der DFL verlangten 15 000 Plätze durch eine Zusatztribüne auf der Gegengerade bis Ende Oktober schaffen. Die Fertigstellung der Osttribüne und die damit verbundene Erhöhung des Fassungsvermögens auf 18 400 Plätze ist für Sommer 2019 terminiert. "Auf Basis dieser jetzt veränderten Planungen hat der Lizenzierungsausschuss eine Ausnahmegenehmigung für die Nutzung des Holstein-Stadions in der Bundesliga auf Widerruf erteilt", heißt es in der DFL-Erklärung.

Stadion gesichert, aber die Mannschaft zerbricht

Allerdings droht der aktuellen Überraschungsmannschaft des deutschen Fußballs, die erst vor einem Jahr nach 36 Spielzeiten wieder zweitklassig geworden war, immer noch der personelle Zerfall. Trainer Markus Anfang zieht es vor, in seiner Heimatstadt Köln den 1. FC wieder in die Bundesliga zu führen statt im besten Fall die erste Erstliga-Mannschaft aus Schleswig-Holstein zu betreuen. Weiter geht es vermutlich mit dem in der Branche begehrten Sportchef Becker, der wohl ein Angebot vom künftigen Zweitligisten Hamburger SV hat und das trotz seines bis 2019 laufenden Vertrages womöglich nicht ausschlagen will. In den Kieler Nachrichten vermied Becker ein Treuebekenntnis, er sagte nur: "Wir beteiligen uns an keinerlei Spekulationen und wollen uns ausschließlich auf die Relegationsspiele konzentrieren."

Auch die wichtigsten Spieler sind kaum zu halten: Von Kapitän Czichos heißt es, er gehe mit Anfang nach Köln, Mainz 05 will offenbar den ausgeliehenen U21-Nationalspieler Aaron Seydel zurückhaben, Gerüchte gibt es zudem um den spielstarken Drexler, der einst in Leverkusen ausgebildet wurde. Und Torjäger Ducksch gehört noch dem FC St. Pauli; will Kiel ihn längerfristig behalten, wäre eine Ablöse im Millionenbereich zu zahlen - eine Summe, mit der man bei Holstein bisher nichts zu tun hatte.

Zumindest das Stadion-Thema haben sie in Kiel jetzt vom Tisch. Geschäftsführer Wolfgang Schwenke hatte sich vorsichtshalber nach Ausweichquartieren umgesehen und dabei vom HSV und Werder Bremen Absagen erhalten. Aber Martin Kind, der Präsident von Hannover 96, hatte Unterstützung signalisiert; er sagte der Neuen Presse: "Kiel hat auch bei uns angefragt. Ich denke, das ist eine Formalie, damit sie die Lizenz bekommen." Es sei zwar nicht realistisch, dass Kiel in Hannover spiele, "aber die Zusage würden wir geben".

Sollte die DFL die Ausnahmegenehmigung für den Fall widerrufen, dass zugesicherte Baumaßnahmen nicht erfüllt werden, könnten die Kieler nun wohl Hannover als alternative Heimspielstätte angeben - sofern sich die Mannschaft gegen den VfL Wolfsburg durchsetzt. Und daran glauben die Profis. Steven Lewerenz, der am Sonntag vier Tore beim beeindruckenden 6:2 über Eintracht Braunschweig erzielte, findet: "Jeder hat gesehen, was wir für eine geile Truppe haben." Czichos machte einen weiteren Vorteil gegenüber Wolfsburg aus: "Wir haben eine eingespielte Mannschaft und sehr viele positive Momente erlebt." Trainer Anfang glaubt: "Wir haben keinen Druck. Wir sind nicht in der Pflicht aufzusteigen." Man wolle die beiden Spiele genießen - und womöglich "etwas Historisches" schaffen.

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