Reiner Calmund:La Paloma im Phantasialand

Reiner ´Calli" Calmund

Reiner Calmund (links) 2001 beim 25-jährigen Dienstjubiläum.

(Foto: dpa)
  • Reiner Calmund, der langjährige Manager von Bayer Leverkusen, wird 70 Jahre alt.
  • Er ist längst in Rente, doch Calmunds Methoden und Weisheiten prägen die Branche bis heute.
  • Seinen Geburtstag feiert er im "Phantasialand".

Von Philipp Selldorf

Berühmte Menschen erzählen oft, dass in Kindertagen ihre Talente noch tief verborgen gewesen seien, bei Reiner Calmund war das anders. Reiner Calmund hat schon als Schüler Karnevalssitzungen veranstaltet, damit er selbst der Büttenredner sein konnte. Die Neigung, Volksreden zu halten, hat er bis heute beibehalten, doch liegt das nicht daran, dass sich Calmund am liebsten selbst zuhören würde. Es ist nicht die Eitelkeit, die ihn manchmal Vorträge in doppelter und dreifacher Ausfertigung halten lässt (er fängt dann einfach wieder von vorn an), sondern die Kombination zweier Eigenheiten: Erstens ist Calmund, wie er selbst sagt, "ein Quatschkopp". Zweitens hat er ein schrecklich gutes Gedächtnis.

Vor ein paar Jahren hat man ihn um ein Treffen gebeten, um einen komplexen Vorfall aus seiner Zeit als Manager von Bayer Leverkusen zu rekapitulieren. "Pass op Jong", hat Calmund wie üblich begonnen, im randvollvollen Termin-Kalender geblättert, einen Treffpunkt benannt und davor gewarnt, dass er nicht viel mehr als eine halbe Stunde Zeit habe. Leider hatte man sich über Letzteres zu früh gefreut: Calmund nahm sich dann doch die Zeit, die er brauchte, um jedes Detail der Affäre, jede Randfigur und jeden Nebensatz vorkommen zu lassen, so dass man erst nach mehr als zwei Stunden das Band ausschaltete und zuhause über heftige Kopfschmerzen klagte - aus Erschöpfung, nicht weil nebenbei Bier oder Likör getrunken wurden.

Testessen Kroos Gala Seepavillon Koeln Deutschland Datum 13 05 2017 Reiner Calmund

Die perfekte Symbiose aus Fußball und mundgerechten Häppchen: Reiner Calmund.

(Foto: Eduard Bopp/Imago)

Am Freitag feiert Reiner Calmund nun seinen 70. Geburtstag, am Sonntag gibt er eine große Party. Sie findet im "Phantasialand" statt, einem Freizeitpark in der Nähe von Köln, im Städtchen Brühl, wo Calmund geboren wurde. Zweifellos ist das Phantasialand, ein Abenteuer-Spielplatz für kleine und große Kinder, genau der richtige Ort für dieses Fest und diesen Jubilar, der sich bekanntlich auch als Zirkusdirektor bestens geeignet hätte.

Was meint Reiner Calmund, wenn er sagt, er habe "die Blutgruppe positiv bekloppt"?

Reiner Calmund ist einer der Großgewaltigen der Bundesliga-Geschichte, eine historische Person aus den Zeiten, in denen die Sportschau um 17:48 Uhr lief, wie auch eine in die Gegenwart ragende und wirkende Figur. Ein bisschen wie der Wirtschaftsminister Erhardt für die Bundesrepublik.

Nach amtlicher Zeitrechnung ist Reiner Calmund vor 14 Jahren aus dem Fußball-Business ausgeschieden, als er sein Amt als Geschäftsführer bei Bayer 04 Leverkusen aufgeben musste. Aber seine Hinterlassenschaften sind, so wie er selbst, bis heute präsent. Calmund hat sich nicht damit begnügt, den randständigen Betriebssportklub, dem er ab dem Jahr 1976 zunächst als Jugendleiter und Stadionsprecher zur Seite stand, in die Spitzengruppe der ersten Bundesliga zu führen. Seine Spuren finden sich vielmehr überall.

Reiner Calmund: Gemeinsam mit Ulf Kirsten in Florida: Reiner Calmund 1998.

Gemeinsam mit Ulf Kirsten in Florida: Reiner Calmund 1998.

(Foto: Uwe Kraft/Imago)

So bekleiden zum Beispiel seine Schüler wichtige Posten in den Vereinen und im Fußball, teils bereits in der nächsten Generation: Michael Reschke beim VfB Stuttgart, Andreas Rettig beim FC St. Pauli, Ilja Kaenzig beim VfL Bochum, Jonas Boldt bei Bayer Leverkusen, auch die in Deutschland führende Berater-Agentur "Sports Total" gründet auf Calmund-Know-How und Calmund-Kontakten. Auch seine Methoden sind in die allgemeine Praxis eingegangen, das großflächige Verleihen von Talenten zum Beispiel, mit den Importen aus Brasilien und der DDR setzte er Maßstäbe. Seine Spruch-Weisheiten bereichern das Volkswissen, wobei mancher noch des Wörterbuchs bedarf. Jeder weiß, was "La-Paloma-Fußball" ist, aber wenn Calmund von sich sagt, er habe die "Blutgruppe positiv bekloppt", dann meint er, dass er seinen Tätigkeiten mit Leidenschaft nachgeht.

Was Calmund über Gauland sagte

Eine "aaaabsolute Vollgranate" ist ein guter Spieler, die "Vollschleuder" eine hohe Niederlage, und "Päpperwju" bleibt ein unerfüllter Wunschtraum aus den frühen Zeiten des Abo-Fernsehens, die zugleich auch den Höhepunkt der Leverkusener Calmund-Jahre bildeten. Da dachten Männer wie er und Uli Hoeneß noch, dass ihre Klubs an jedem Spieltag Millionen mit der Live-Übertragung verdienen könnten, wenn nach dem Prinzip "pay per view" abgerechnet würde, wenn also jeder Empfänger einzeln ein paar Mark bezahlen würde.

Die Sprache des Rheinländers gibt bei Calmund nicht nur die Herkunft als "Landkölner Edelbauer" wieder (Selbstporträt), sondern auch die sozialliberale Gesinnung. Den Spieler Zé Roberto rief er "mein kleiner Schokoboy", aber darin steckte kein Mikrogramm Rassismus. Typisch war, wie er sich in einer Talkshow ausführlich über Alexander Gauland und dessen Spruch über Jérôme Boateng aufregte. "Briefmarke drauf, auf Wiedersehen", empfahl er in einer TV-gerechten Variante - normalerweise sagt er, wenn er unliebsame Leute loswerden möchte: "Briefmarke auf den Arsch geklebt und ab die Post."

Calmund hat immer schnell die Versöhnung gesucht

Gauland hätte er gern auf den Mond geschickt, aber als echter Rheinländer schätzt Calmund den Zwist nicht, er hat deswegen immer schnell die Versöhnung gesucht. Ob mit dem Trainer Christoph Daum, der ihn hintergangen und damit bloßgestellt hatte oder mit Uli Hoeneß, dem er zuvor "absolute Bösartigkeit" attestiert hatte. Mit Bayer Leverkusen hatte er sich überworfen, als man ihm zwei Jahre nach dem letzten Arbeitstag öffentlich unsaubere Transaktionen vorwarf, aber an seinem 60. Geburtstag saßen dann doch wieder alle gemütlich im brasilianischen Grillrestaurant zusammen.

Nun also der 70., Calmund ist nicht dünner, aber auch kaum leiser geworden. Unvermindert treiben ihn seine Leidenschaften an: der Fußball, die Familie und das Essen, das ihm einige späte Titelgewinne verschafft hat, unter anderem den Gewinn der "Goldenen Schlemmerente" und den Preis als "Genießer des Jahres". Bestimmt wird es ein schönes Fest im Phantasialand.

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