Bundesliga:RB Leipzig spürt seine Grenzen

Bundesliga - 1.FSV Mainz 05 v RB Leipzig

Timo Werner (mi.): Schon seit Wochen ohne Treffer

(Foto: REUTERS)
  • RB Leipzig verliert symptomatisch für die vergangenen Wochen in Mainz: Erst lassen die Leipziger fünf Chancen ungenutzt, dann gehen sie mit 0:3 unter.
  • "Es fühlt sich an, als ob wir in den letzten beiden Wochen die Zinsen für die letzten zwei Jahre zahlen", sagt Trainer Ralph Hasenhüttl und verweist damit auf den rasanten Aufstieg.
  • Eine unterhaltsame Anekdote liefert der Mainzer Nachwuchsspieler Ridle Baku: Er musste sich vor dem Spiel auf einer Raststätte abholen lassen und wurde dann zum Torschützen.
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Von Tobias Schächter, Mainz

Ralf Rangnick hakte die Champions-League-Qualifikation ab. "Für die große Wende hätten wir heute gewinnen müssen", meinte der RB-Sportdirektor am Sonntagabend nüchtern wie ein Statistiker. Mit 0:3 hatten die Leipziger gerade beim Abstiegskandidaten Mainz 05 ein kurioses Fußballspiel verloren. Es erhöhte die Serie der sieglosen Spiele für RB auf fünf, 1:4, 1:1, 2:5 und 0:3 - so lautet die jüngste Bilanz in der Liga, ein pralles 2:5 in Marseille bedeutete zudem das Aus in der Europa-League.

Leipzig befindet sich im freien Fall, der Klub hat vier Punkte Rückstand auf Champions-League Platz vier und nun ist selbst die Europa-League für den aktuell Tabellensechsten nach den Misserfolgen und der Gegentorflut in Gefahr. Rangnick weiß: "In den nächsten zwei Wochen entscheidet sich der gesamte Saisonverlauf. Wir müssen schauen, dass wir noch mindestens vier Punkte holen." Zum Saisonabschluss müssen die Leipziger noch zuhause gegen Wolfsburg und in Berlin ran. Zwei Gegner, gegen die Siege möglich scheinen. Aber RB kriecht kraftlos Richtung Saisonende und muss im letzten Heimspiel gegen Wolfsburg zudem auf Kapitän Willi Orban (fünfte gelbe Karte) und Nabi Keita verzichten. Antreiber Keita ließ sich in der Schlussphase in Mainz zu zwei Frustfouls hinreißen und sah die gelb-rote Karte.

Die Pleite in Mainz folgte dem Muster der Leipziger Leistungen der letzten Wochen. Nach dem ersten Rückschlag durch einen umstrittenen Elfmeter, den Pablo de Blasis zur Mainzer Führung verwandelte (28.), verließen die RB Spieler zunehmend das Selbstvertrauen und die Kraft. In der zweiten Halbzeit erspielte sich RB keine Torchance mehr. Dabei hatten sie das Spiel die ersten 25 Minuten nach Belieben dominiert - aber in dieser Phase fünf große Chancen fahrlässig vergeben. "Wenn wir da in Führung gehen, geht das Spiel anders aus", meinte Rangnick. Die Mainzer hingegen bissen sich nach der Führung immer entschlossener ins Spiel und gewannen am Ende durch Tore des eingewechselten Alexandru Maxim (85.) und Ridle Baku (90.) nicht einmal unverdient.

"Da ist einfach die Luft raus"

Zwar beklagten die Leipziger zurecht die zweifelhafte Elfmeterentscheidung für Mainz, als Muto nach einem Foul von Ilsanker außerhalb des Strafraums erst im Strafraum zu Fall kam - Schiedsrichter Bastian Dankert aber auf den Video-Beweis verzichtete. Nach einem Ellenbogenschlag des Mainzers Stefan Bell gegen Yussuf Poulsen im Strafraum (55.) schaute sich Dankert die Szene noch einmal im TV an, entschied dann aber nicht auf Elfmeter. Rangnick ätzte: "Da hatte er keine Eier, Elfmeter und gelb-rote Karte zu geben."

Bei allem berechtigten Zetern über die Leistung des Referees, stimmt aber auch: Je länger das Spiel dauerte, um so öfter gewannen die Mainzer die entscheidenden Zweikämpfe: So wie vor dem 2:0, als Alexander Hack Keita den Ball im letzten Moment vor einem torgefährlichen letzten Pass abluchste und so die Entscheidung einleitete. Immer einen Schritt im entscheidenden Moment zu spät, zu ungenau im Abspiel und zu unentschlossen im Zweikampf: Das sind Symptome einer Mannschaft, die jetzt, wo es noch einmal um alles geht, ihre körperlichen Grenzen spürt. Das sieht auch Trainer Ralph Hasenhüttl so, er sagt: "Wir haben im Moment einfach nicht die Kraft, nach Rückschlägen mental dagegenzuhalten. Da ist einfach die Luft raus." Die Belastung nach dem rasanten Durchmarsch vom Aufsteiger in die Champions League fordert nun Tribut, Hasenhüttl findet: "Es fühlt sich an, als ob wir in den letzten beiden Wochen die Zinsen für die letzten zwei Jahre zahlen."

Der Verlust eines Europapokalplatzes wäre ein herber Rückschlag für RB. Wie interessant wäre der Standort dann noch für mögliche Zugänge? Sehen Nationalspieler wie Timo Werner oder Emil Forsberg ihre Zukunft ohne Champions-League oder gar Europa-League noch in Leipzig? Und wie würde sich ein komplettes Scheitern auf die Vertragsgespräche mit Trainer Ralph Hasenhüttl auswirken? Die Verhandlungen über eine Verlängerung des 2019 auslaufenden Kontrakts mit dem Österreicher wurden jüngst bis nach Saisonende vertagt. Und ist das vermeintliche Interesse des FC Arsenal, Rangnick als Nachfolger von Trainer Arsene Wenger zur kommenden Saison zu verpflichten, tatsächlich nur "reine Spekulation", wie der Leipziger Sportdirektor beteuerte?

Mainzer Torschütze muss auf der Raststätte aussteigen

Die Mainzer hingegen setzten durch den Erfolg ein Ausrufezeichen. "Das ist ein wichtiges Zeichen für die Konkurrenz, dass mit Mainz zu rechnen ist", jubelte der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder. Die Mainzer positionierten sich vor den beiden letzten Spielen in Dortmund und gegen Bremen drei Punkte vor Wolfsburg auf dem Relegationsplatz. Doch auch in Rheinhessen werden die Bilanzgespräche nach Saisonende nicht ohne Brisanz sein. Das Interesse des Hamburger SV, Schröder als Sportchef zu verpflichten, ist offenbar mehr als ein Gerücht. Schröder, der wegen einer verunglückten Einkaufspolitik in Mainz in der Kritik steht, verwies auf Nachfrage lediglich darauf, bei Nullfünf Vertrag bis 2020 zu haben. Doch die Konzentration soll in Mainz bis zum Saisonende nur auf dem Sport liegen. Und da lieferte der Klub am Sonntag eine der kuriosesten Geschichten der Saison.

Nachwuchsspieler Ridle Baku war am Sonntagmorgen mit der U 23 schon auf dem Weg zum Spiel gegen den Nachwuchs des SC Freiburg. Aber weil im Mittelfeld der Profis kurzfristig Danny Latza und Suat Serdar verletzt ausfielen, schickte Profitrainer Sandro Schwarz seinen Teammanager Darius Salbert los. Salbert holte Baku auf einer Raststätte bei Bruchsal aus dem Bus der U 23 und raste mit dem 20 Jahre jungen Mittelfeldspieler im Auto zurück nach Mainz. Ein paar Stunden später stand der Startelfdebütant und Torschütze auf dem Zaun vor der Kurve der Mainzer Fans und gab den Einpeitscher.

Zu Beginn des Spiels war Baku noch überfordert wie seine ganze Elf. "Ich brauchte eine Zeit lang, bis ich wusste, wo ich eigentlich bin", gab der Liganeuling ehrlich zu. Für Ralf Rangnick zeigte das Beispiel von Baku die ganze Leipziger Malaise: "Bei den Mainzern trifft einer bei seinem Startelfdebüt, das sagt doch alles." Die U 23 der Mainzer gewann übrigens auch ohne Baku in Freiburg: mit 3:2.

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