RB Leipzig in der Krise:Zanken unter Bullen

RB Leipzig in der Krise: Bescheidener Saisonstart: Die Leipziger Kampl, Werner, Henrichs und Forsberg in Berlin.

Bescheidener Saisonstart: Die Leipziger Kampl, Werner, Henrichs und Forsberg in Berlin.

(Foto: Jan Huebner/Frick/Imago)

Geschäftsführer Oliver Mintzlaff besucht nach deutlicher Kritik die Kabine, Trainer Domenico Tedesco ist davon überrascht: Um den inneren Zusammenhalt ist es bei RB Leipzig gerade nicht zum Besten bestellt.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die Hintergründe des Disputs sind unbekannt. Aber wäre am Wochenende ein Preis für symbolhaftes Theater verliehen worden, so hätten jene Anhänger von RB Leipzig, die sich im Gästeblock des Stadions An der Alten Försterei rangelten, Chancen auf Erfolg gehabt. Auf einem Video, das im Internet zirkuliert, ist zu sehen, wie sich ein Dutzend der als bieder verschrienen Fans des Bundesligisten schubsten und schlugen wie noch nie - unter dem Gefeixe von Zuschauern auf der anderen Seite des Zaunes, das Heim- und Gästefans trennt, "auf die Fresse, auf die Fresse!", riefen sie. Das Symbolhafte daran? Nun: Bei RB ist es um den inneren Zusammenhalt nicht zum Besten bestellt.

Noch immer wartet Leipzig auf den ersten Saisonsieg, auf die Unentschieden in Stuttgart und gegen Köln folgte am Samstag ein 1:2 gegen den 1. FC Union Berlin. Die erste Niederlage der neuen Saison vollzog sich unter den Augen von RB-Chef Oliver Mintzlaff, der sich nach der Partie in Schweigen hüllte - womöglich, um den auf der Zunge liegenden Augmentativ zu vermeiden. Schon nach Spieltag Nummer zwei hatte Mintzlaff von einem "beschissenen Saisonstart" gesprochen, was hätte er da nach der Pleite beim 1. FC Union sagen sollen? Eben: dass der Saisonstart nun noch besch...ener ausfällt.

Doch auch ohne neue Einlassungen blieben Mintzlaffs Worte in aller Munde. RB-Trainer Domenico Tedesco versuchte einerseits, sich ins Grundsätzliche zu flüchten; ein Chef dürfe prinzipiell "alles", sagte er. Andererseits: Zwischen den Zeilen konnte man sehr wohl heraushören, dass er Mintzlaffs Ausbruch als wenig hilfreich empfand. Natürlich hätten dessen Sätze "etwas bewirkt", das habe man auch an den Fragen gemerkt, er sei "in wirklich allen Interviews, sogar auf Englisch" auf Mintzlaffs Suada angesprochen worden - wozu sich auch noch der vom Berater in die Bild-Zeitung getragene Groll von Emil Forsberg gesellte, der mehr Spielzeit oder weg wolle. Gleichwohl: "Es ist bei uns kein Thema. Wir haben versucht, fokussiert zu arbeiten." Sagte Tedesco.

Nur: Ein Thema war es eben doch. Kapitän Willi Orban verriet, dass Mintzlaff unter der Woche in der Kabine erschienen sei. Den Inhalt breitete er nicht aus, kurios und fast schon pikant war auch etwas anderes: dass Mintzlaff den Trainer - der seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag noch nicht verlängert hat - vom Besuch der heiligsten Halle der Mannschaft nicht unterrichtet hatte. "Das habe ich gar nicht mitbekommen. Ich war nicht dabei", sagte Tedesco - und wirkte dabei perplex, als fühlte er sich vom Oberbullen gehörnt.

Kapitän Willi Orban sagt, "dass bei einigen noch ein paar Prozent zum Toplevel fehlen"

Nationalstürmer Timo Werner wiederum, gerade von Mintzlaff aus London zurückgeholt, deutete an, dass ihn die Wortwahl überrascht habe. "Beschissen" sei "ein sehr hartes Wort", klagte Werner. Aber: "Im Endeffekt war es ein beschissener Start." RB hätten drei Siege tatsächlich notgetan. Allein schon um vergessen zu machen, dass man vor Beginn der Saison im Test gegen Liverpool (0:5) und im Supercup gegen den FC Bayern (3:5) an Teams zerschellt war, mit denen man sich gern auf Augenhöhe sähe.

Wenn man sich die Namen anschaut, die sich bei RB in der Offensive tummeln, ist Leipzig das ohne Frage. Nkunku, Olmo, Werner, Silva, Forsberg, Szoboszlai, das alles klingt nach TNT. Doch was nützt Sprengkraft, wenn die Defensive die Lunte nässt? Kapitän Orban versicherte, "dass bei einigen noch ein paar Prozent zum Toplevel fehlen" - was nach Fitnessrückständen klang, die Tedesco wiederum verneinte. Sein Team habe vielmehr "20 Minuten lang gepennt", den Ball nicht schnell genug zirkulieren lassen und das Spiel nicht wie verabredet verlagert. Zugang David Raum, für angeblich 26 Millionen Euro aus Hoffenheim geholt, wirkte auf der linken Außenbahn wie ein vom RB-Organismus abgestoßener Fremdkörper.

Überhaupt war Unions Sieg der Physis nur mittelbar geschuldet. Die Berliner waren Leipzig vielmehr choreografisch überlegen. Die Tore fielen nach formidabel einstudierten Überfällen, die auch deshalb zum Erfolg führten, weil Sheraldo Becker und Zugang Jordan Siebatcheu prächtig harmonieren. Erst bediente Becker den Schweizer (32.), dann Siebatcheu den Niederländer, 2:0 nach 38 Minuten, da war das Spiel im Grunde vorbei.

Deshalb verkam auch zur Anekdote, dass Werner ein möglicher Elfmeter versagt blieb (14.) und er bei einer Großchance nur den Pfosten traf (19.). "Ich will ja nicht sagen, dass harte Zeiten auf uns zukommen. Aber ich glaube, wir müssen dringend mal ein Spiel gewinnen", sagte Werner. Die nächste Chance bietet sich am Samstag gegen Wolfsburg, dessen Fans nun auch aufhorchen lassen. Die VfL-Ultras kündigten einen Boykott an - aus Protest gegen die voluminöse Datenerfassung durch RB Leipzig per Ticket-App. Prügeleien im Gästeblock in Leipzig dürften damit ausgeschlossen sein.

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