Da spielte am Freitagabend in der Augsburger Arena eine Mannschaft in burgunderroten, ja augsburgroten Trikots genau den Fußball, den der FC Augsburg spielen will, und trotzdem war deren Trainer nicht zufrieden: „Wir haben uns heute nicht mit Ruhm bekleckert. Wir hätten gerne gewonnen, aber dafür hätten wir besser Fußball spielen müssen“, stellte Marco Rose nach dem torlosen Remis in der Interviewzone fest. Marco, richtig gelesen, Rose, der Trainer von RB Leipzig, der sich wie alle 28 260 Stadionbesucher schwergetan haben muss, die Spielanlage seiner Mannschaft von jener zu unterscheiden, die in Augsburg unter Jess Thorup wieder als Erfolgsrezept für den frühzeitigen Klassenverbleib gilt: defensiv stabil stehen und vorne mal gucken.
Mit dem Selbstbewusstsein aus fünf ungeschlagenen Bundesligaspielen in Serie trauten sich die in Weiß spielenden Augsburger sogar ab und zu geordnet nach vorne, meist über die offensivstarke linke Seite. Und so war es auch kein Zufall, dass über eben jene Seite in der 81. Minute ein schnörkelloser Konter lief, der wohl gleichzeitig die beste Chance der Partie war: Nach einem Stellungsfehler von Lukas Klostermann, der den rotgesperrten Kapitän Willi Orban ordentlich ersetzte, war der schnelle Linksaußen Dimitrios Giannoulis alleine zur Grundlinie unterwegs. Von dort legte er in den Rückraum auf den heranrasenden Frank Onyeka ab, der allerdings aus 14 Metern nur den Ball traf - und nicht das Tor.
Aber einen Treffer hatte sich dieses chancenarme Spiel ohnehin nicht verdient, auch wenn die Leipziger mit dem Lattenkopfball von Debütant Kosta Nedeljkovic in der Nachspielzeit sogar noch ihre Möglichkeit auf einen Glückstreffer hatten. Zu den ersten 80 Minuten kann man vielleicht noch so viel sagen: Sie sind ereignislos vorübergegangen. Wobei, es gab drei berechtigte gelbe Karten.
„Das ist nicht unser Anspruch“, sagte der einzige Leipziger Lichtblick David Raum. Und damit meinte er nicht nur das Ergebnis, sondern vor allem die Art und Weise, wie dieses zustande kam. In Leipzig fragt man sich ja spätestens seit dem blamablen Vorrundenaus in der Champions League, wo und wann ihnen der typische RB-Fußball mit seinem gierigen Gegenpressing und dem mutigen Offensivdrang abhandengekommen ist.
Die Leistung in Augsburg wirft darüber hinaus die Frage auf, ob nicht mal mehr die individuelle Qualität von Benjamin Sesko, Lois Openda und 50-Millionen-Euro-Rekordtransfer Xavi Simons ausreicht, um auswärts gegen Bundesligisten aus dem Tabellenmittelfeld zu gewinnen. Erst vor zwei Wochen spielten die Leipziger 0:0 bei Union Berlin, davor 3:3 in Bochum.
Bei der Pressekonferenz nach dem Spiel bemängelte RB-Trainer Rose zwar den fehlenden Zug zum gegnerischen Tor, verlor sich dann aber doch wieder in gesichtswahrender Beschönigung, wenn er die Dominanz seiner Mannschaft in den ersten fünfzehn Minuten hervorhob oder gar von einer verbesserten Leistung sprach. Recht hatte er allerdings damit, dass das 0:0 „leistungsgerecht“, ja vollkommen verdient für beide Seiten war. Was sein Gegenüber Jess Thorup als Bestätigung für den Augsburger Aufwärtstrend deutete: „Wenn man sich gegen ein Top-Fünf-Team über ein Remis ärgert, ist man insgesamt auf einem guten Weg.“
Für Leipzig allerdings geht es jetzt genau darum: zu beweisen, dass man in dieser Bundesligasaison überhaupt zu den besten fünf Mannschaften gehört. Oder besser gesagt: zu den besten vier. Angesprochen auf die Frage, ob die „zwei verlorenen Punkte“ heute in Augsburg beim Rennen um den vierten Platz, also die direkte Champions-League-Qualifikation, fehlen werden, antwortet Raum trocken: „Ich hasse Rechnen“, und fügt hinzu: „Wenn man gewinnt, muss man nicht rechnen.“