Bundesliga:RB Leipzig erfindet sich neu

RB Leipzig - Hertha BSC

Willi Orban, r., jubelt mit Emil Forsberg über das 2:0.

(Foto: dpa)

73 Prozent Ballbesitz? Der Aufsteiger zerlegt den bisherigen Dritten Hertha BSC in Guardiola-Manier. Einer seiner Besten muss allerdings verletzt raus.

Von Thomas Hummel

War es Dietrich Mateschitz, der seinen Rasenballsportlern von der Tribüne aus neue Anweisungen mitgegeben hat? Der Red-Bull-Chef saß erstmals seit langem auf der Tribüne der Leipziger Fußball-Arena und vielleicht war es allein seiner Aura geschuldet, dass die Fußballer da unten so ganz anders aufgereten sind als bisher. Denn nicht nur Gegner Hertha BSC, eher die ganze Bundesliga musste mit Erschrecken feststellen, dass sich der Aufsteiger an diesem 15. Spieltag der Fußball-Bundesliga neu erfunden hat.

Das Ergebnis allein erzählte dabei keine neue Geschichte. Dass die wilden Leipziger die zuvor drittplatzierten Berliner mit 2:0 besiegen werden würden, das traute man ihnen natürlich zu. Damit liegen sie vor der Partie des FC Bayern am Sonntag in Darmstadt (15.30 Uhr) wieder auf Platz eins der Tabelle. Doch sie bewerkstelligten das nicht mit der bislang vertrauten Balljäger- und Pressing-Taktik, sondern wiesen in der beeindruckenden ersten Hälfte 73 Prozent Ballbesitz auf. Das ist ein Wert in Guardiola-Dimensionen. Die Bundesliga hat an diesem vierten Advents-Wochenende die Ballbesitz-, Dominanz- und Kontroll-Leipziger kennengelernt.

Die ganze Woche über hatte Trainer Ralph Hasenhüttl unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren lassen. Und seinen zumeist jungen Profis offenbar einiges beigebracht. Denn viel war im Vorfeld spekuliert worden, welche Lehren die Leipziger aus der der ersten Saisonniederlage eine Woche zuvor ziehen werden. Ingolstadt hatte mit Fünfer-Abwehr und zwei Derfensivarbeitern im Mittelfeld das eigene Tor verbarrikadiert und damit 1:0 gewonnen. Würde Berlin das kopieren wollen? Nicht ganz. Im Unterschied zu den Ingolstädtern verweigerte sich der bisherige Tabellendritte Hertha BSC nicht vorsätzlich, Fußball zu spielen. Die Gäste wurden diesmal dazu gezwungen.

Herthas Trainer Pal Dardai kopierte die Idee, das Zentrum zu schließen und so den Leipziger Überschallfußball zu bremsen beziehungsweise auf die Seite zu drängen. Allerdings glaubte er, das mit sechs Spielern hinzukriegen - mit einer Vierer-Abwehr und zwei defenisven Spielern im Mittelfeld. Dardai musste erkennen: Das reichte nicht. Seine Mannschaft war von Beginn an schwer unterlegen und stand unter Dauerdruck. "Das war bisher der beste Gegner für uns. Sie sind kompakt, schnell, gierig", sagte Trainer Dardai im TV-Sender Sky direkt nach dem Spiel.

Fast verzweifelt besetzten so viele Berliner wie möglich den Raum zentral am und vor dem eigenen Strafraum, um bei den Leipziger Angriffswellen irgendwie ein Bein dazwischen zu bringen. Das klappte eine Weile ganz passabel, einmal musste Torwart Rune Jarstein retten (7., gegen den Schuss von Halstenberg). Doch war ein Angriff abgewehrt, schnauften die Berliner da hinten dreimal und es kam schon der nächste auf sie zugerollt. Ihre Kollegen vorne konnten fast keinen Ball halten, fast nie das Spiel in die andere Richtung verlagern. Sie waren den Leipziger Abwehrspielern in einer Dimension unterlegen, die kaum einer erwartet hatte. Dardais Plan der schnellen Konter war damit komplett ausgehebelt.

Dagegen liefen bei den Gastgebern stets strukturierte Angriffe. Die Stafetten begannen meist bei Willi Orban in der Abwehr, über Naby Keita und Emil Forsberg im Mittelfeld ging es nach vorne. Das 1:0 kurz vor der Pause war die komplette Antithese der Leipziger Lehre. Geduldig spielten die Gastgeber um den Strafraum herum, bis Keita die Lücke sah. Sein Pass erreichte Timo Werner, der genug Klasse hatte, den Ball im Strafraum unter Bedrängnis anzunehmen, zu verteidigen und links unten zu verwandeln (40.).

Trotz des hoch verdienten Treffers endete der erste Durchgang für Leipzig betrüblich. Sein Bester Naby Keita fasste sich nach einer Aktion erst an den Oberschenkel, spielte zwar noch kurz weiter, blieb aber dann in der Kabine. Sein Ausfall würde besonders im Hinblick auf das Gastspiel beim FC Bayern am Mittwoch erheblich Schmerzen.

Würden die Berliner daraus einen Vorteil ziehen? Sie hatten nun zwar häufiger den Ball, doch Torchancen hatten sie weiterhin keine. Es blieb bis zum Ende bei null Schüssen auf das gegnerische Tor. Während sich die bisher bei Standardsituationen so stabilen Berliner hinten übertölpeln ließen. Forsberg flankte auf den völlig frei stehenden Orban, der ungestört das 2:0 köpfelte (62.). Damit war die Partie entschieden. Hertha-Trainer Dardai sagte: "Wenn man im Raum verteidigt, muss man ballorientiert hochspringen. Aber da ist kein Mensch."

Der Rückstand des Tabellenvierten Hertha auf den Ersten Leipzig ist damit auf neun Punkten gewachsen.

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