Bundesliga:Plötzlich ist Frings der Gute-Laune-Onkel

SV Darmstadt 98 - Training Session

Die Stimmung in Darmstadt soll der neue Trainer Torsten Frings schnell verbessert haben.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Torsten Frings soll den Tabellenletzten Darmstadt 98 vor dem Abstieg retten.
  • Schnell hat sich unter ihm die Stimmung zum Guten gewandelt. Dass er kaum Erfahrung mitbringt? Finden sie in Darmstadt umso besser.
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Von Johannes Aumüller

Abgebildet sind zum Beispiel ein Kreuz, die Namen der Kinder und deren Sternzeichen. Außerdem das Wörtchen "dream" und noch ein paar chinesische Schriftzeichen. Und dann auch noch dies: eine Lilie. Das ist einerseits einfach nur Zufall, weil dieses Symbol an dieser Stelle schon eine Weile prangt. Aber das ist andererseits natürlich die beste vorstellbare Illustrierung, wenn es in Darmstadt um das Thema Identifikation geht.

Torsten Frings, seit November 40 Jahre alt, ist der Mann mit der tätowierten Lilie auf dem Arm - und er ist der Mann, der die "Lilien" aus Darmstadt vor dem Abstieg in Liga zwei retten soll. "Wir sind zwar ein ungewöhnlicher Klub, doch auch wir stellen Trainer nicht nach ihren Tattoos ein", sagt 98er-Präsident Rüdiger Fritsch, der von Frings' Lilien-Stich erst nach der Verpflichtung beim Mittagessen erfuhr. "Aber das ist ein schöner Zufall. Und manche Menschen sagen ja auch, es gäbe keine Zufälle."

Die Stimmung in Darmstadt? Ist plötzlich wieder gut

Torsten Frings als Trainer beim Tabellenletzten Darmstadt 98, das ist eine der spannendsten Personalien für die Rückrunde. Die Lage seines Klubs ist schlecht. Nur zwei Siege, acht Punkte und elf Tore gab es bis zur Winterpause, ehe es nun am Samstag gegen Mönchengladbach weitergeht. Aber nach drei Wochen unter Frings herrscht rund ums Böllenfalltor schon wieder eine ordentliche Stimmung. "Mathematisch stehen wir genauso da wie vor drei Wochen, aber die Gesamtatmosphäre ist eine andere", sagt Fritsch. Es gehört natürlich zum üblichen Geschäftsbetrieb, ein paar Tage nach einem Trainerwechsel einen Stimmungswandel zu konstatieren. Aber vielleicht stimmt es diesmal tatsächlich etwas mehr als in anderen Fällen.

In Darmstadt pflegen sie ihren Außenseiterstatus, Fritschs Klassiker-Vergleich lautet, dass der Klub mit einem Hollandrad an der Tour de France teilnehme. Der Etat ist der mit Abstand geringste, das Stadion ist was für Romantiker, aber baufällig, und mit den Neubauplänen geht es kaum voran. Der Kader wiederum ist qualitativ arg limitiert, im Winter stieß allein Offensivspieler Sidney Sam aus Schalke dazu. Da helfen nach Darmstädter Lesart nur Eigenschaften wie Leidenschaft, Kampfgeist, Identifikation - und sie finden, dass Frings nicht nur mit seinem Tattoo, sondern auch mit seiner Vita und seiner grundsätzlichen fußballerischen Einstellung all das verkörpere. Und Frings wiederum sagt, er brenne "auf die Herausforderungen in diesem speziellen Klub, der mit seinen Attributen bestens zu meiner Persönlichkeit passt".

Es soll jetzt in Darmstadt wieder so sein wie unter Dirk Schuster, der bis Sommer 2016 den Klub erst aus Liga drei direkt in Liga eins und anschließend zum Klassenerhalt führte. Und es soll nicht mehr so sein wie in der Hinserie, als Norbert Meier der spielerischen Komponente eine größere Bedeutung zuzuschreiben versuchte, was ein paar führende Köpfe der Mannschaft offenbar nicht so gerne sahen. Taktische Anleitungen hat es Ohrenzeugen zufolge während der Einheiten im Trainingslager nicht herausragend viele gegeben, Anfeuerungsrufe hingegen umso mehr.

Den Trainernovizen Frings zu holen - das ist auch ein Wagnis

Es mag ja sein, dass Klub und Coach charakterlich nun gut zusammenpassen. Aber dennoch ist es ein großes Wagnis, den Rettungsjob einem Trainernovizen wie Frings anzuvertrauen. Seine zu aktiven Zeiten gepflegte Attitüde als Schlechte-Laune-Onkel hat dieser nach Meinung von Wegbegleitern zwar abgelegt, aber andererseits ist seine Trainererfahrung recht übersichtlich. Gerade mal zwei Assistentenjahre in Bremen stehen zu Buche. Zwar sind zuletzt diverse Bundesliga-Teams jüngeren Kräften anvertraut worden; mit so wenig Trainererfahrung wie Frings ging aber kaum jemand sein Amt an.

Für Präsident Fritsch hingegen war just diese Biografie auch ein zentrales Pro-Argument. "Zumindest in Bezug auf unsere speziellen Darmstädter Gegebenheiten gilt, dass fehlende Erfahrung als Cheftrainer durchaus kompensiert werden kann, wenn man noch den Geruch der Spielerkabine kennt und sich darauf freut", sagt er.

Wer es gut meint mit Frings, der verweist auf Herthas Pal Dardai

Den Geruch der Spielerkabine noch zu kennen, und das auch noch als Topspieler, das ist eine Eigenschaft, die in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade das wichtigste Einstellungskriterium bei der Trainersuche war. Inzwischen gibt es in der Bundesliga mehr Trainer ohne Erstligaauftritt als Kicker als solche mit Erstligaerfahrung; und einen früheren deutschen Nationalspieler gibt es außer Frings nicht (wenn man Dieter Heckings Einsätze für die deutsche U 18 freundlich ignoriert).

Wer es gut meint mit Frings, verweist auf Beispiele wie die Ex-Profis Pal Dardai oder Niko Kovac, die zuletzt Hertha BSC und Eintracht Frankfurt retteten - wobei beide zum Arbeitsbeginn deutlich mehr Erfahrung in der Mannschaftsführung hatten und unter anderem Nationaltrainer ihres Landes waren. Wer es nicht so gut meint, verweist auf das letzte Beispiel eines Deutschen, der mit bedeutender Kicker-Biografie, aber ohne jede Cheftrainer-Vergangenheit eine Stelle als Profi-Trainer erhielt. Das war Stefan Effenberg, und dessen Engagement in Paderborn 2015/16 endete bekanntlich ziemlich unrühmlich.

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