Bundesliga:Notfalls vor Gericht

Die Schalker Niederlage in Mainz wird vom Transferstreit um Mimoun Azaouagh überlagert.

Von Ulrich Hartmann

Das war also die Entscheidung. Schalke 04 wird nicht Deutscher Meister. Am Sonntagabend haben sie den Titel in Mainz verspielt. Acht Spieltage vor dem Saisonende. Harald Strutz ist sich da jedenfalls sicher.

Strutz ist Präsident des FSV Mainz 05, und nach dem 2:1 der Mainzer gegen den Tabellenführer Schalke hat er gesagt: "Wir haben heute die Deutsche Meisterschaft zu Gunsten von Bayern München entschieden." Das wird den Münchnern gefallen. Ob sie das genauso sehen wie Strutz, ist freilich fraglich.

Der Mainzer Präsident könnte mit seiner Aussage nämlich in den Verdacht der Provokation geraten. Er war schließlich ganz schön geladen am Sonntag. Alle waren sie geladen im Stadion am Bruchweg. Der Streit um die Punkte war die eine Sache, der Streit um den Fußballer Mimoun Azaouagh die andere.

Schalke gegen Mainz, Manager gegen Manager: Rudi Assauer gegen Christian Heidel. So lauteten die Ansetzungen an diesem Abend, da trat das Titel-Fernduell zwischen Schalke und Bayern München fast schon in den Hintergrund. "Ich meine das nicht als Provokation", sagte Strutz, "aber Bayern München wird die besseren Nerven haben."

Rekordlautstärke

Eine Woche nach dem 1:0 gegen den FC Bayern und dem Sprung an die Spitze hat Schalke die Tabellenführung verspielt. 20 Sekunden nach dem Anpfiff köpfte Fabian Gerber den Ball zum Mainzer 1:0 ins Tor. Da waren die Schalker angesichts eines optischen, akustischen und pyrotechnischen Vorspiels des Mainzer Publikums anlässlich des 100. Vereinsgeburtstags noch immer staunend über den Platz spaziert und hatten danach 70 Minuten lang Mühe, im Mainzer Verbund eine Lücke zu finden.

Nachdem Lincoln per Foulelfmeter das 1:1 erzielt hatte, machte Schalke einen Fehler. "Es war falsch, danach auf Sieg zu spielen", sagte Abwehrmann Niels Oude Kamphuis, "aber wir wollten unbedingt die drei Punkte Vorsprung an der Spitze behalten." Die Spitze ist jetzt verloren.

Michael Thurk nutzte seinen Freiraum in der Schalker Defensive und erzielte in der 79. Minute das Siegtor für Mainz. Der Geräuschpegel im Stadion am Bruchweg erreichte in diesem Moment saisonale Rekordhöhen. Der chronisch euphorisierte Trainer Jürgen Klopp gestand grinsend seine hartnäckige Begeisterung, bestand aber darauf, sie noch einmal formulieren zu dürfen.

"Ich weiß, dass ich das Wort strapaziere, aber das war heute wirklich sensationell geil!" Die Stimmung im Stadion ist neben dem ausgezeichneten Positionsspiel der limitierten Mainzer alle zwei Wochen besonders erwähnenswert. Doch diesmal waren die Fans außergewöhnlich extrovertiert. "Wenn dieser blöde Streit etwas Gutes hatte", sagte der Mainzer Manager Christian Heidel, "dann das!"

Der Streit. Es geht um Mimoun Azaouagh, dessen Knieverletzung, eine Million Euro sowie um Rudi Assauer und Christian Heidel, die sich am Wochenende in beinahe jeder Sportsendung im TV fernmündlich gestritten haben.

Assauer berief sich vor einigen Wochen zunächst auf ein "Ehrenwort" von Heidel, welches den dreiseitigen Vertrag über Azaouaghs Wechsel von Mainz zu Schalke außer Kraft setzen solle, weil dessen Verletzung schlimmer ist als im Januar angenommen.

Am vergangenen Freitag, zwei Tage vor dem Duell der beiden Mannschaften, hat der Schalker Anwalt Christoph Schickhardt den Mainzern schriftlich "arglistige Täuschung" vorgeworfen und juristische Konsequenzen angedroht. Zwischenzeitlich war Azaouagh in den USA noch einmal am Knie operiert worden.

Weil er in dieser Saison nicht mehr spielen kann und weil Assauer die Gefahr einer Sportinvalidität auf "50 Prozent" beziffert, will Schalke die 650.000 Euro Ablöse plus 350.000 Euro bei Erreichen der Champions League nicht an Mainz bezahlen. Jedenfalls nicht in voller Höhe. Der Vertrag sei hinfällig, behauptet Assauer.

"Fronten sind verhärtet"

Jetzt geht es hin und her. "Weil wir offensichtlicher so blöd sind zu glauben, dass ein Wort noch etwas zählt", sagt Josef Schnusenberg lakonisch. Der Schalker Finanzchef beteuert, dass der Vorstand Rudi Assauer bei dessen Konfrontationskurs unterstütze.

Zuvor hatte der Mainzer Präsident Strutz geäußert, er verstehe gar nicht, "dass die Schalker dieses Theater vom Assauer überhaupt mitmachen". Der formulierte Vorwurf der "arglistigen Täuschung" erreicht für Strutz jedenfalls den Tatbestand der "Verleumdung und der üblen Nachrede", weshalb man sich strafrechtliche Schritte vorbehalte.

Strutz sagt: "Ich erwarte eine Entschuldigung". Wenn man Josef Schnusenberg fragt, ob sich die Schalker bei den Mainzern entschuldigen mögen, tippt er sich mit dem Finger an die Stirn und sagt: "Wofür denn?"

Angesichts dieses Streits war bei den Mainzern nach dem Sieg am Sonntag einige Genugtuung zu spüren. Mit nun 30 Punkten sichert der Bundesliga-Neuling sukzessive die Spielberechtigung für die kommende Saison. Der Sieg über den Tabellenführer war dabei der Höhepunkt einer Jubiläumswoche zum 100. Jahrestag des Vereins.

"Es hat wirklich alles gepasst in dieser Woche", sagte Strutz, "und vielleicht kriegen wir von Schalke jetzt auch mal langsam unser Geld." Mit Assauer hat kein Mainzer am Sonntag ein Wort gewechselt.

Kurz vor der Abreise standen Strutz, Schnusenberg und Schalkes Geschäftsführer Peter Peters beisammen und verabredeten sich zu einem Gespräch. "Mit Schnusenberg und Peters habe ich kein Problem", sagte Strutz und klang ein ganz kleines bisschen versöhnlicher. Während Assauer noch betonte, "die Fronten sind verhärtet, das ist nicht zu lösen", wollte Strutz eine außergerichtliche Einigung nicht mehr kategorisch ausschließen.

Als er gefragt wurde, ob Mainz hart bleibe, antwortete er: "Nageln Sie mich darauf nicht fest!" Zur Wahrung seiner Rechte hat Mainz 05 am Montag einen Anwalt eingeschaltet. "Wenn Schalke nicht zahlen will, sehen wir uns vor Gericht wieder", sagte Manager Heidel.

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