Bundesliga:Nagelsmann: Wikipedia ist ihm wichtiger als sein Alter

13 02 2016 Fussball 1 Bundesliga 2015 2016 21 Spieltag SV Werder Bremen TSG 1899 Hoffenheim im

Twens unter sich: Trainer Julian Nagelsmann, 28, erklärt Mittelfeldspieler Jiloan Hamad, 25, was zu tun ist.

(Foto: MIS/Imago)
  • Julian Nagelsmann muss unfreiwillig früh bei 1899 Hoffenheim die Rolle des Helfers in der Not übernehmen.
  • Beim 1:1 in Bremen feiert der mit 28 Jahren jüngste Bundesliga-Coach einen Teilerfolg.
  • Nicht nur seine eigenen Spieler loben Nagelsmann für seinen Einstand.

Von Jörg Margwedel, Bremen

Der Trend in der Gesellschaft geht nicht nur bei Fußballprofis (von Ausnahmen wie Claudio Pizarro abgesehen) zu immer jüngeren Mitarbeitern. Benjamin Brandt zum Beispiel, am Samstag Schiedsrichter der Partie zwischen Werder Bremen und der TSG Hoffenheim, ist 26 Jahre alt. Er übertraf also als Jüngling noch jenen Trainer, der seit diesem Wochenende der Benjamin aller Übungsleiter in der fast 53-jährige Bundesliga-Geschichte ist. Julian Nagelsmann, 28, von Mäzen Dietmar Hopp damit beauftragt, dem Tabellenvorletzten Hoffenheim die Klasse zu halten, bedeutet dieser Klassifizierung angeblich wenig. Wichtiger sei ihm, wenn im Mai sein Eintrag bei Wikipedia aktualisiert werde, sagte er cool. Dort solle dann stehen: "Nagelsmann hat den Abstieg verhindert."

"Nicht nervöser als bei einem U19-Spiel"

Der junge Mann im Trainingsanzug, der von Hopp als Ausnahme-Talent gelobt wird und bei seinem Debüt angeblich "nicht nervöser war als bei einem U19-Spiel", zeigte sich nach dem 1:1 beim Tabellennachbarn in Bremen "bestärkt". Wären die Kraichgauer noch mit dem als Retter verpflichteten Defensivspezialisten (und gerade mit Herzrhythmusstörungen ausgeschiedenen) Huub Stevens angereist, wäre Werder klar gewesen, wie der Gegner gespielt hätte. Deshalb sei es wenig erfreulich gewesen, dass "die uns diesen Jungen hingestellt haben", wie Geschäftsführer Thomas Eichin formulierte. Werder-Coach Viktor Skripnik, der Nagelsmann noch als Kollege im Jugendfußball kennt, zeigte sich von der Taktik des Konkurrenten überrascht. Er sagte: "Er hat alles richtig gemacht, das ist schlecht für uns."

Nagelsmann hatte sich eine Dreier- Abwehrkette ausgedacht, die mit den beiden offensiven Außenspielern Philipp Ochs und Kevin Volland bei Bedarf blitzschnell zur Fünferkette wurde. Er hat das in einer Art Uni-Fußballsprache beschrieben: "Durch die beiden abkippenden Außenspieler konnten wir die Breite des Spielfeldes gut ausfüllen und die gegnerischen Außenverteidiger besser binden."

Das Euphorie-Adrenalin pumpt nur kurz

Er habe stets ein Muster, das er den Spielern an die Hand gebe und auf den jeweiligen Gegner anpasse, erklärte Nagelsmann, als sich erstmals nach einem Bundesliga-Match eine Journalistentraube um ihn bildete. In nur zwei Trainingseinheiten habe er taktisch "extrem" viel verändert, sagte Torwart Oliver Baumann. Das Team würde ihm dabei vertrauen, denn er habe "eine klare Linie und ein Gefühl für die Situation". Mittelfeldspieler Nadiem Amiri, der Nagelsmann schon in der Jugend erlebte, umriss dessen Stärken so: "Er ist ein mutiger Trainer, der viel mit den Spielern spricht." Doch so gut wie es losging, nämlich in der 10. Minute mit einem Tor durch Andrej Kramaric nach Flanke von Tobias Strobl, blieb es nicht. Drei Minuten später glich Innenverteidiger Papy Djilobodji nach einem Eckball von Florian Grillitsch zum 1:1 aus.

Das Euphorie- Adrenalin, so Nagelsmann, konnte sich nicht weiter ausbreiten. Und nachdem die Hoffenheimer eine Viertelstunde nach der Pause in etwa den Fußball gespielt hatten, den sich Nagelsmann generell vorstellt, holten die vom Pokalhöhepunkt in Leverkusen etwas ausgelaugten Bremer noch einmal Luft. Allein Anthony Ujah vergab zweimal frei vor dem Tor. Abwehrspieler Djilobodji, der auf sechs Torschüsse (!) kam, traf in der 78. Minute den Pfosten. Da waren die Gäste nur noch zu zehnt, weil Kramaric nach einem Foul an Zlatko Junuzovic die gelb-rote Karte sah (73.).

Der DFB belohnt Nagelmanns Fleiß

Doch die Moral der Hoffenheimer stimmte und ließ die seit acht Spielen daheim sieglosen Bremer etwas ratlos zurück. Nach dem verpassten Big Point wagte Werder-Kapitän Clemens Fritz diese Prognose: "Wenn wir durch die Auswärtsspiele die Klasse halten, fragt danach niemand mehr." Nagelsmann, der sich bei seinem Einstand angeblich wenig um das "Drumherum" kümmerte, hat offenbar nicht nur bei Hopp, sondern auch beim Deutschen Fußball-Bund mit seinem Fleiß gepunktet. Weil er bei der erst im März abgeschlossenen Fußballlehrer-Ausbildung stets präsent war, darf er in den kommenden Wochen weitgehend fehlen. Gelernt hat der Auszubildende offenbar schon genug, wenn man Abwehrspieler Ermin Bicakcic glaubt. Der neue Trainer, ließ Bicakcic wissen, sei sowohl Motivator als auch ein Taktikfuchs.

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