2. Bundesliga:1860 München: Ismaiks kuriose Spielchen im Netz

Möhlmann vor ´Löwen"-Spiel: Haben uns verbessert - Ismaik-Treffen

Hasan Abdullah Ismaik aus Jordanien hat so seine Probleme mit dem TSV 1860.

(Foto: Frank Leonhardt/dpa)
  • Investor Ismaik verwirrt die Löwen-Anhänger mit einer Art Abreißkalender. Er weist auf Umstände hin, die lange bekannt sind, und handelt sich eine Flut an Beschimpfungen ein.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Als der Fußball-Zweitligist TSV 1860 München an Silvester in einer offiziellen Pressemitteilung bekannt gab, dass sein jordanischer Investor Hasan Ismaik nun Kanäle bei Facebook und Twitter eröffnet hatte, konnte der Klub noch nicht ahnen, was sich daraus entwickeln würde. Rund 5000 Follower hat Ismaik mittlerweile im Internet, und er hat eine bizarre Kampagne gestartet.

Er bietet eine Art Abreißkalender mit Sinnsprüchen zu Sechzig. "Wie kann es sein, dass ein traditionsreicher Verein, wie der Löwenverein, sich quasi permanent in einer gefesselten Lage befindet, wobei ihm alle möglichen Befreiungsinstrumente zur Verfügung stehen?", fragte Ismaik zum Auftakt, wobei nicht ganz klar wurde, welche Fesseln er meinte und was jene Befreiungsinstrumente sein sollen.

Selbstredend dachte man zunächst an die 50+1-Regel der Deutschen Fußball Liga (DFL), aber auf Folie drei seiner Präsentation sprach Ismaik dann auch die Stadionfrage an: "Die Löwenanteile an der Allianz Arena wurden verkauft. Profitiert hat hierbei der F.C. Bayern! Euer Geld fließt in die Allianz Arena - 6 Millionen Euro jährlich. Wer profitiert hiervon?"

Es verblüffte, dass Ismaik dies nun erst erkannt haben will - oder zumindest davon ausgeht, dass dies nicht jedermann längst erkannt hat. Auf einer weiteren Folie deutet er eine Art Verschwörung an, von der auch die Münchner Medien ein Teil seien: "Wer hat Interesse darin, dass die Medien weiter so negativ über den Verein berichten?"

Mit seiner Kampagne stieß Ismaik allerdings auf so negative Reaktionen in den sozialen Netzwerken, wie sie die unfreundlichste Medienberichterstattung nicht auslösen würde.

"Es ist langsam nur noch peinlich. Gibt es irgendwo einen Aufsichtsratsvorsitzenden , der so mit seiner Firma umgeht?"; "Absolut kindisch, Herr Ismaik"; "Was hat das hier überhaupt für einen Sinn? Leute verarschen oder was?"; "Halt einfach die Klappe und verschwinde auf Nimmerwiedersehen"; "Steh mal zu deinen Versprechen, du Dampfplauderer"; "Selten so eine Scheiße gelesen. Finde allerdings das Blau auf den Bildern schön"; dies ist eine Auswahl der vergleichsweise wenig beleidigenden Aussagen. Humor bewies ein User, der den direkten Draht zum Aufsichtsratsvorsitzenden von 1860 auf egoistische Weise nutzen wollte: "Hasan, schenk mir bitte Geld!"

Auf den - von wem auch immer getexteten - Folien finden sich überraschende Formulierungen wie "Löwenverein", komische Details wie "F.C. Bayern" und orthographische Fehler. Noch mehr verblüfft, dass Ismaik seine Kampagne genau in der Zeit lostrat, als 1860-Präsident Peter Cassalette von Gesprächen aus Abu Dhabi zurückgekehrt war. Das lässt sich durchaus als eine gewollte Unhöflichkeit interpretieren. Zumal es kaum wundern würde, wenn Cassalette zuvor von Ismaik einen Katalog mit Forderungen erhalten hätte, die nun alsbald umzusetzen seien, ehe weitere Zahlungen stattfinden könnten.

Wo kann der Verein Geld sparen?

Schon seit einiger Zeit dringen aus dem Bauch des Münchner Löwen Planspiele zu möglichen Einsparpotenzialen beim chronisch defizitären Zweitligisten, der im März ein weiteres Darlehen in Höhe von etwa fünf Millionen Euro benötigt. Ansonsten droht für die nächste Saison ein Entzug der Spiellizenz durch die Deutsche Fußball Liga. Es gibt Stellschrauben, an denen Sechzig noch drehen könnte, um die Kosten zu reduzieren: Die Abschaffung der U21 beispielsweise würde einen hohen sechsstelligen Betrag freisetzen.

Außerdem laufen im kommenden Sommer die Verträge von 15 Spielern aus; und da sich der Gesamtetat des Kaders auf rund neun Millionen Euro beläuft, wären auch dort locker Kürzungen möglich. Und dass sich 1860 seit dem vergangenen Sommer den Luxus erlaubt, in Ismaiks Cousin Noor Basha einen (für den Bereich Sport zuständigen) zweiten Geschäftsführer zu beschäftigen, so etwas gibt es auch nicht allzu oft im Betrieb der zweiten Liga. Zumal für Bashas Bereich ja eigentlich Sportdirektor Oliver Kreuzer zuständig ist, dem wiederum noch der Kaderplaner Carlos Leal und Scout Necat Aygün zuarbeiten. Da summiert sich einiges.

So konkrete Ansätze sind in Ismaiks rätselhafter Kalenderspruch-Kampagne allerdings nicht zu finden. Um Perspektiven oder Lösungsansätze geht es darin offenkundig ohnehin nicht. Das passt zu seinem zuletzt gezeigten Verhalten: Der Jordanier hat vor Ablauf des vergangenen Jahres erstmals keine Darlehen in Genussscheine gewandelt, was wohl eine Sanktion der DFL in Höhe von 750 000 Euro nach sich ziehen wird.

Dass Ismaik damit seiner eigenen Fußball-Firma geschadet hat, dass er eine Verschlechterung der Eigenkapitalquote von 1860 in Kauf genommen hat, ergibt keinen Sinn. Sofern man davon ausgeht, dass Ismaik aktuell - zumindest fremde - finanzielle Mittel zur Verfügung hat und ihm das langfristige Wohl des TSV 1860 wichtig ist, weil er seine Anteile behalten will.

Es liegt sehr nahe, dass seine Kampagne vor allem dazu dient, einen Anteilsverkauf moderierend vorzubereiten und zu begleiten. Einerseits erläutert Ismaik verklausuliert einige Gründe, die für ein Ende eines aus seiner Sicht sehr nervigen Engagements sprechen; andererseits provoziert er einen wahren Shitstorm. Und als eine Bedingung für einen Verkauf hatte er ja genannt, dass sich zuvor die Anhänger in der Mehrheit gegen ihn stellen müssten. Das ist ihm nun eindrucksvoll gelungen.

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